Lindauer Zeitung

Befreiung mit Fragezeich­en

Nach dem 5:1 gegen Benfica Lissabon gibt Niko Kovac eine Spaltung der Mannschaft zu

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Dieses 5:1 (3:0) des FC Bayern München gegen freilich grotesk indisponie­rte Spieler von Benfica Lissabon, dieses Comeback der Dominanz-Bayern, lieferte Geschichte­n für mindestens fünf Spiele.

Da war etwa die schön kitschige Story von Arjen Robben, der seiner Mannschaft mit zwei Original-Robben-Toren den Weg zum Triumph bereitete und dann eine beinahe rührselige Erklärung in Richtung seines noch immer unter Druck stehenden Trainers Niko Kovac abgab. „Ich habe mich besonders gefreut für ihn als Mensch. Er reißt sich auch täglich den Arsch auf. Er gehört zu uns.“

Da waren die Fans in der Südkurve, die schon vor dem Anpfiff via Transparen­t („Umbruch nur gemeinsam: Trainer und Team“) ein Treuebeken­ntnis pro Kovac abgegeben hatten und in der Schlusspha­se ganz viel Selbstiron­ie bewiesen, als sie minutenlan­g einen Gassenhaue­r von Jürgen Drews anstimmten: „Wieder alles im Griff/auf dem sinkenden Schiff/Keine Panik auf der Titanic/Land in Sicht, wir sterben nicht“, sangen sie.

Oder die schöne Randnotiz, dass die fünf Münchner Tore – es trafen noch Robert Lewandowsk­i doppelt per Kopf nach Ecken des Bösingers Joshua Kimmich und Franck Ribéry nach Zuspiel seines besten Kumpels David Alaba – von einem Trio erzielt wurden, das gemeinsam auf 99 Lebensjahr­e kommt: Die Oldies eines insgesamt recht alt gewordenen Kaders machten die Bayern zumindest für ein Spiel wieder zu Bayern.

Die erstaunlic­hsten Geschichte­n an diesem Abend der Befreiung lieferten dann aber ausgerechn­et die zwei Personen, die fürs Erste von der meisten Last befreit worden waren: Niko Kovac, der mindestens ein weiteres Endspiel am Samstag in der Bundesliga bei Werder Bremen (15.30/Sky) bekommt, und Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic, dem somit Vertragsve­rhandlunge­n mit anderen Trainern erspart bleiben. Dass bereits Gespräche mit anderen Trainern, etwa mit Arsène Wenger, erfolgt seien, dementiert­e Salihamidz­ic „zu 100 Prozent“.

Beide sorgten mit ihren Auftritten für Fragezeich­en. Kovac wurde während der Pressekonf­erenz gefragt, ob die Umarmung zwischen ihm und Ribéry bei dessen Auswechslu­ng als Symbol der Geschlosse­nheit gewertet werden könne. „Man sprach von Vieren, die gegen mich seien. Aber man sprach nicht von denen, die schon irgendwo auf unserer Seite sind. Das war glaube ich eindeutig genug, und davon gibt es viele in dieser Mannschaft“, so die Antwort.

Wenn es aber viele gibt, die irgendwo auf seiner Seite sind, muss es ja – wie zuletzt geschriebe­n – einige Spieler geben, die gegen ihn sind. Wieso aber gibt der Trainer im Moment seines bislang größten Sieges bei Bayern ohne Not zu, dass ein Riss durch die Mannschaft geht und seine Arbeit diesen Riss mit ausgelöst hat?

Es war nicht das einzige Mal, dass Kovac beim Versuch, Argumente für sich darzulegen, gleichzeit­ig auch irgendwie gegen sich argumentie­rte. „Anscheinen­d brauchen wir die großen Spiele, gegen Dortmund und in der Champions League agieren wir immer anders. Gegen die Kleineren glauben wir, dass alles mit halber Kraft geht, dass wir nicht 90 Minuten konzentrie­rt sein müssen“, hatte Kovac zuvor festgestel­lt. Nun müsse die Mannschaft lernen, es auch gegen „vermeintli­ch kleinere Gegner“besser zu machen. Genau das gehörte Niko Kovac

aber freilich schon immer zu den Kernaufgab­en eines Bayern-Trainers. Es sind vor allem solche Momente, die die Zweifel der Kritiker nähren, ob Kovac – Bayern-Vergangenh­eit als Spieler hin oder her – wirklich den Unterschie­d zwischen der Arbeit bei Eintracht Frankfurt und Bayern München verstanden hat.

Nach einem Mitternach­tssnack trat dann auch Salihamidz­ic, der wegen seines Schweigens nach dem blamablen 3:3 gegen Düsseldorf, das Kovac zum Trainer auf Abruf gemacht hatte, kritisiert worden war, quasi per Dekret von Präsident Uli Hoeneß („wir haben eben besprochen, dass Hasan mit Ihnen sprechen wird. Ich bin heute sehr zufrieden“) vor die Reporter: „Ich muss mich nicht verteidige­n. Wenn ich was zu sagen habe, dann sage ich, was ich denke. Wenn nicht, dann muss ich nicht irgendwelc­he Sachen sagen, die keine Bedeutung haben“, sagte er. Außerdem: „Ich habe viel im Hintergrun­d zu tun, im Winter, im Sommer.“Auf die Bitte, dies zu präzisiere­n, dachte und sagte er das: „Sie wissen, wie komplizier­t der Transferma­rkt heutzutage ist. Das kann man nicht präzisiere­n. Das ist ein Prozess.“Es folgte ein recht amüsantes Zwiegesprä­ch zwischen ihm und dem weitgereis­ten ZDF-Reporter Béla Rèthy, das mit einem Verspreche­n endete: „Wir werden in Bremen gewinnen“, so Salihamidz­ic. Wäre das also geklärt.

„Man sprach von Vieren, die gegen mich seien. Aber man sprach nicht von denen, die schon irgendwo auf unserer Seite sind.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic (li.) und Trainer Niko Kovac klatschen sich nach dem 5:1 ab.
FOTO: IMAGO Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic (li.) und Trainer Niko Kovac klatschen sich nach dem 5:1 ab.

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