Es gibt keinen Grippe-Impfstoff mehr
Wer noch nicht geimpft ist, kann sich in diesem Winter nicht mehr schützen.
LINDAU - Wer sich jetzt noch gegen Grippe impfen lassen will, hat ein Problem. Es gibt derzeit auch in Lindau keinen Impfstoff mehr. Eine schnelle Lösung scheint nicht in Sicht.
Die gute Nachricht: Auch wenn gerade viele husten und schniefen, bis jetzt ist die Grippewelle noch nicht in Sicht. „Wir haben eine starke Erkältungswelle“, bestätigt zwar der Lindauer Internist Dr. Carl-Joachim Mellinghoff, „aber mit der Grippe hat das noch nichts zu tun.“Auch Kinderarzt Dr. Klaus Adams, der regelmäßig bei Patienten mit entsprechenden Erkältungssymptomen Abstriche vornimmt, behandelte bisher nur grippale Infekte. Die Grippewelle erwarten sie erst im Februar.
Wer sich jetzt noch dafür rüsten will, hat allerdings schlechte Karten. Es gibt bundesweit einen Versorgungsmangel für saisonale Influenza-Impfstoffe. Das spürt auch Lindau: „Es gibt nichts mehr“, bringt Apotheker Dr. Anton Zumstein die Lage auf den Punkt. „Wir bekommen von keinem Großhandel Ware.“Das bestätigt auch Apotheker Rainer Duelli von der Insel-Apotheke. „Es besteht keine Chance, regulär auf dem deutschen Markt den Impfstoff zu bekommen.“
Probleme mit dem Grippe-Impfstoff gebe es immer wieder. Dass er aber bereits so früh ausgehe, „das haben wir selten gehabt“, sagt Zumstein. „Diesmal haben wir eine totale Unterdeckung“, meint Mellinghoff. In den vergangenen Jahren habe er oft sogar im Januar und Februar Patienten noch nachgeimpft. Dieses Jahr kämen Patienten bereits im November zu spät. Auch Adams bekommt immer wieder Anfragen von Eltern, die ihre Kinder gegen die Grippe impfen wollen. Doch momentan muss er allen absagen. Der Lindauer Kinderarzt kann nur noch die Kinder impfen, die sich bereits rechtzeitig für eine Impfung bei ihm angemeldet haben. „Damit habe ich aber alle Möglichkeiten ausgeschöpft“, sagt er. Dabei habe er, so dachte er zumindest, „ausreichend“vorgesorgt. „Letztes Jahr sind wir auf dem Impfstoff sitzen geblieben.“
Nach heftiger Grippewelle steigt Zahl der Impfungen
Die Ursachen für den Versorgungsmangel seien vielfältig. Die Nachfrage sei dieses Jahr „extrem hoch“, meint Mellinghoff. Das liege vermutlich auch an dem erstmals verwendeten Vierfachimpfstoff, der breiter gegen die Grippegefahr abschirme. Adams macht für die Impffreudigkeit auch die heftige Grippewelle im vergangenen Jahr verantwortlich. Nach solchen Ereignissen wollten sich erfahrungsgemäß immer mehr Menschen impfen lassen.
Für Rainer Duelli ist der Engpass aber auch eine Folge des Sparzwangs. „Es geht ums Geld“, sagt er. Bei einer so geringen Gewinnspanne könne man es sich nicht leisten, Impfstoff wegzuschmeißen. Auch Ärzte oder Apotheker müssten ökonomisch arbeiten. Nachdem er fünf Jahre lang in Folge Impfstoffe weggeschmissen habe, kalkuliere auch er inzwischen knapper, um bei Bedarf lieber nochmal nachzuordern. Doch die Nachfrage sei diesmal so gewaltig gewesen, dass die Hersteller nicht mehr nachkamen. „Jetzt haben wir das Malheur“, sagt Duelli. „Man kann alles zu Tode sparen.“
Eine schnelle Lösung des Impfstoff-Engpasses ist nicht in Sicht. Da die Produktion einige Zeit in Anspruch nehme, könne für diese Saison nichts mehr nachproduziert werden, sagt Mellinghoff. Am Mittwoch gab es dazu eine Sondersitzung der Landesarbeitsgemeinschaft Impfen. Nun sollen in Bayern alle Reserven zusammengekratzt werden, auch aus dem Ausland. Wegen der Notsituation dürfen Arztpraxen und Apotheken untereinander Grippeimpfstoffe austauschen, was normalerweise aus Gründen der Arzneimittelsicherheit verboten ist. Zudem dürfen Grippeimpfstoffe auch aus dem EU-Ausland importiert werden.
Diese Pläne sind auch Lindaus Apothekern und Ärzten bekannt. Sie wüssten aber weder, wie das konkret funktionieren soll, noch, ob und wann damit eine Entlastung eintreten soll, gibt Duelli zu bedenken.