Für die Hälfte des Erbes Marihuana gekauft
Drei junge Leute handeln mit zehn Kilogramm – Dafür gibt es Haftstrafen mit und ohne Bewährung
KEMPTEN - Der Staatsanwalt hat in einem Drogenprozess gegen drei junge Leute vor der Jugendkammer des Kemptener Landgerichts die Sache auf den Punkt gebracht: „Das war eine Schnapsidee, wie sie schlechter nicht hätte sein können.“Zu verantworten hatten sich ein heute 19-jähriger Auszubildender, seine frühere, gleichaltrige Freundin und ein 22Jähriger, der im Kemptener Obdachlosenmilieu lebte.
Die beiden Jüngeren erhielten Bewährungsstrafen. Der 22-jährige vorbestrafte Mann hatte für den 19Jährigen zehn Kilogramm Marihuana besorgt und dabei seine Kontakte in Drogenkreisen genutzt. Er erhielt eine sechsjährige Freiheitsstrafe. Zudem ordnete die Strafkammer eine Entziehungskur an. Die für die jungen Leute verhängnisvolle Geschichte begann, als der heute 19Jährige seinen 18. Geburtstag feierte und somit volljährig wurde. Der bei seiner Tante aufgewachsene Mann erhielt ein Erbe in Höhe von 70 000 Euro von seiner vor vielen Jahren ums Leben gekommenen Mutter. Dieses Geld habe er „vermehren“ wollen, sagte der angeklagte Auszubildende aus dem Kemptener Umland. Deshalb habe er sich an den 22 Jahre alten Mann gewandt, der jetzt neben ihm auf der Anklagebank saß. Dieser erst vor wenigen Monaten aus dem Gefängnis entlassene Arbeitslose nutzte seine Kontakte ins Drogenmilieu und besorgte zehn Kilogramm Marihuana zum Preis von 35 000 Euro.
Mit dem Weiterverkauf wollten sich beide Angeklagte bereichern. Das war zwischen Weihnachten und Neujahr 2017. Im Januar 2018 lieferten die beiden Männer einige Kilogramm Marihuana an einen zwischenzeitlich verurteilten jungen Mann in Isny, der den Stoff auf Kommission weiterverkaufen sollte.
Ende Januar/Anfang Februar dieses Jahres gab es dann erste Probleme: Das in einer Obdachlosenunterkunft des heute 22-Jährigen gelagerte Marihuana begann zu schimmeln – wahrscheinlich wegen ungünstiger Lagerbedingungen. Die Männer trennten das verdorbene und schimmelnde Rauschgift ab und verpackten den noch verwertbaren Stoff neu mit einer Vakuumiermaschine. Dabei half die damalige Freundin des 19-Jährigen. Sie habe damals häufig Marihuana geraucht und sich bereit erklärt, den Stoff in ihrem Zimmer in einem Personalwohnheim bei Kempten zu lagern, gestand die 19Jährige. Auch die beiden anderen Angeklagten räumten den Sachverhalt weitgehend ein. Ein Mitarbeiter der Oberallgäuer Jugendgerichtshilfe stellte für beide Angeklagte eine positive Sozialprognose. Er plädierte dafür, in beiden Fällen das Jugendstrafrecht anzuwenden. Über die beiden jungen Leute sagte er: So genannte „schädliche Neigungen“könne er nicht erkennen. Zudem stünden jetzt beide Angeklagten wieder in einem Ausbildungsverhältnis.
Hang zur Abhängigkeit
Ein Sachverständiger attestierte dem 22-Jährigen eine Persönlichkeitsstörung und eine Suchtmittelabhängigkeit. Eine verminderte Schuldfähigkeit sei bei ihm nicht auszuschließen.
Am Abend des 8. Februar 2018 erfolgte der polizeiliche Zugriff. In der Wohnung der 19-Jährigen stellten Beamte einen Teil des Rauschgifts sicher. Die beiden 19-Jährigen saßen danach fünf Wochen in Untersuchungshaft, der 22 Jahre alte Mann sitzt seitdem wieder.
Ihm wurde zudem zur Last gelegt, dass er in seinem Zimmer einen Schlagring aufbewahrt und in den Armlehnen eines Sofas umgedrehte Kreuzschlitz-Schraubendreher „gebrauchsund griffbereit“angebracht hatte. „Die Schraubendreher waren zur Verteidigung gegen unliebsame Besucher bestimmt“, sagte der Staatsanwalt. Entsprechend lautete die Anklage gegen den 22-Jährigen auf „bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln“. Mit dem Urteil folgte die Strafkammer dem Plädoyer des Staatsanwaltes. Die 19-Jährige erhielt eineinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Beihilfe auf Bewährung, der gleichaltrige Mitangeklagte zwei Jahre, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden.