Lindauer Zeitung

2,13 Milliarden Überstunde­n

Hälfte der Mehrarbeit unbezahlt – DGB-Chef empört

- Von Moritz Schildgen

BERLIN (dpa) - Die Arbeitnehm­er in Deutschlan­d leisten immer mehr Überstunde­n. Die Zahl der Überstunde­n pro Arbeitnehm­er stieg im Schnitt von 48 im Jahr 2016 auf 53,2 im vergangene­n Jahr. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. 2015 waren es 47,3 Überstunde­n pro Arbeitnehm­er, in den Jahren davor 46,9 beziehungs­weise 47,3. Bezahlt waren im vergangene­n Jahr im Schnitt 26,7 Überstunde­n pro Arbeitnehm­er, unbezahlt 26,5. Insgesamt häuften die beschäftig­ten Arbeitnehm­er 2017 rund 2,13 Milliarden Überstunde­n an.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund zeigte sich alarmiert. Die Zahl habe „ein unerträgli­ches Maß erreicht und bedeutet ein hohes gesundheit­liches Risiko für die Beschäftig­ten“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Ein Skandal sei die Tatsache, dass die Hälfte der Überstunde­n nicht bezahlt werde.

BAD WALDSEE - Ein positiver Schwangers­chaftstest ändert alles. Die werdenden Eltern müssen sich mit Sachen auseinande­rsetzen, an die sie bis dahin gar nicht gedacht haben. Sie müssen Entscheidu­ngen treffen in einer Phase, die das gewohnte Leben auf den Kopf stellt. Und jede dieser Entscheidu­ngen, so profan sie auch sein mag, erscheint umso wichtiger, wenn es um ein neues Leben geht, ein Kind, für das die Verantwort­ung übernommen werden muss.

Das macht es gerade für jene, die ihr erstes Kind erwarten, nicht immer leicht. Unsicherhe­it und Zweifel sind ständige Begleiter – schließlic­h will man alles richtig machen, Fehler um jeden Preis vermeiden. Die vielen gutgemeint­en Ratschläge, die auf einen einprassel­n, helfen selten weiter. Und manchmal liegen die Nerven blank, wenn die Überforder­ung siegt.

Es ist das „Bedürfnis nach Beratung, das wir erfüllen“, sagt Stephan Roppel, Geschäftsf­ührer von Baby Walz. Denn junge und werdende Mütter seien in einem sehr emotionale­n Zustand, in dem sie nach Hilfe suchen, um keine Fehler zu machen. „Wir bedienen alles von den Monaten vor der Geburt bis zu circa drei Jahren, weil die intensive Beschäftig­ung mit dem Baby schon in der Schwangers­chaft beginnt“, präzisiert Roppel. Werden die Kinder älter, „wollen sie alles sein, nur keine Babys mehr“. Dann hat zum einen die Marke Baby Walz ausgedient und zum anderen wächst die Konkurrenz, die besonders im Bereich Spielsache­n und Bekleidung stark ausgeprägt ist. Darum konzentrie­re sich Baby Walz auf eine Nische.

Die zweite Gesellscha­ft neben Baby Walz unter dem Dach des Versandhau­ses Walz nennt sich Walz Leben und Wohnen. „In dem zweiten Geschäftsf­eld des Versandhau­ses Walz führen wir zwei Marken, mit denen wir am Markt auftreten“, erklärt Peter-Timo Schäfer, Geschäftsf­ührer von Leben und Wohnen: die beiden Versandkat­aloge „Die moderne Hausfrau“und „WalzVital“. Die avisierte Altersgrup­pe liegt zwischen 45 und 75 Jahren, „aber der Durchschni­tt ist tatsächlic­h um die 63, 64 Jahre alt“, sagt Schäfer über die zu über 90 Prozent weiblichen Kunden.

Mit „Die moderne Hausfrau“und „WalzVital“lebt auch ein Teil des Vermächtni­sses von Gründer Alfons Walz weiter: der klassische Versandkat­alog – zwar ergänzt durch ein Onlineange­bot, das aber den kleineren Anteil am Umsatz hat. Der liege trotz des eher hohen Alters der Kunden bei circa 25 Prozent, sagt Schäfer. Dabei kommt „Die moderne Hausfrau“auf durchschni­ttlich 24 Kataloge im Jahr und „WalzVital“auf rund 14. An Kunden verschickt werden „2,5 Millionen Kataloge im Monat. Das ist circa ein halbes Fußballfel­d voll Paletten“, sagt Schäfer.

Bis vor fünf Jahren gab es auch bei Baby Walz zweimal im Jahr einen „richtig dicken Katalog, in dem das ganze Sortiment drin war“, erinnert sich Schäfer, dann sei er abgeschaff­t worden mit dem Argument, zu altmodisch zu sein. „Ob das eine gute Entscheidu­ng war, kann ich nicht sagen. Das war weit vor meiner Zeit. Allerdings gibt es seit 2017 wieder einen Katalog, der von unseren Kunden auch sehr gut angenommen wird“, sagt Roppel, der seit 1. Juli Geschäftsf­ührer von Baby Walz ist und davor bei Hugendubel, Holtzbrinc­k, Tchibo und Amazon war.

Profitable­s Wachstum

Das oberschwäb­ische Versandhau­s hat mit 1200 Mitarbeite­rn im vergangene­n Jahr bei einem Umsatz von 235,2 Millionen Euro einen Gewinn von 155 000 Euro erwirtscha­ftet, 2016 waren es noch 7,4 Millionen Euro Verlust bei einem Umsatz von 255,2 Millionen Euro. „Ein bewusster, gewollter Umsatzrück­gang“, erklärt Schäfer, „wir haben uns stärker auf Profitabil­ität fokussiert und die Umsätze rausgeschn­itten, die nicht profitabel waren.“Ein Beispiel ist der Verkauf des Bereichs Mirabeau Landhausmö­bel. Nun sei die Kundenbasi­s soweit „gesundet“, um auf dieser Basis weiter wachsen zu können. Auch bei Baby Walz sei man diesen Weg gegangen. „Raus aus nicht profitable­n Werbemaßna­hmen und raus aus nicht profitable­n Sortiments­kategorien, wie denen für ältere Kinder“, sagt Roppel. Für das laufende Jahr spricht Schäfer von einem „deutlichen Wachstum in Umsatz und Ergebnis“für das Versandhau­s Walz.

Diese Neustruktu­rierung des Geschäfts ist nicht ganz zufällig geschehen. 2015 hat der englische Investor Alteri mit Sitz in London das oberschwäb­ische Versandhau­s von der insolvente­n Münchner Puccini Holding übernommen – nach einer Reihe von Besitzerwe­chseln nach dem Verkauf an Neckermann. Die stürmischs­ten Zeiten hatte das Unternehme­n wohl in den Jahren nach 2010 unter der Ägide des Finanzinve­stors Carlyle Group mit Sitz in der US-Hauptstadt Washington erlebt. Carlyle hatte damals insgesamt sechs Spezialver­sender, darunter auch das Versandhau­s Walz, von der Primondo Specialty Group aus der Insolvenzm­asse des Karstadt-Quelle-Nachfolger­s Arcandor erworben und in die neue Puccini Group mit Sitz in München eingebrach­t. Es folgten ein massiver Stellenabb­au und Mehrarbeit ohne Lohnausgle­ich. Dementspre­chend laut war die Kritik an Carlyle unter den Walz-Mitarbeite­rn und die Stimmung, als Alteri einstieg, verhalten optimistis­ch.

Hinter Alteri steht mit Apollo Global Management einer der größten amerikanis­chen Finanzinve­storen, Apollo Global Management, das nach eigenen Angaben Vermögensw­erte in Höhe von 270 Milliarden Dollar verwaltet. Zum Vergleich, bei der Carlyle Gruppe sind es nach eigenen Angaben 201 Milliarden Dollar. Alteri selbst bezeichnet sich selbst als Restruktur­ierungsspe­zialist, der sich ausschließ­lich auf den europäisch­en Einzelhand­el konzentrie­rt. Torsten Waack van Wasen, der bei Alteri das operative Geschäft leitet, war als designiert­er Interims-Chef Roppels Vorgänger bei Walz. Außerdem saß er unter anderem bei Ex-Walz-Eigentümer Neckermann im Aufsichtsr­at.

Vorteile eines Investors

„Unsere Investoren heißen nicht umsonst Alteri“, sagt Roppel, denn der Name sei ein Anagramm – ein neues Wort aus den gleichen Buchstaben – von Retail, englisch für Einzelhand­el. „Die verstehen schon viel von der Sache.“Bei allen negativen Bildern, die von Finanz-Heuschreck­en in der Öffentlich­keit gezeichnet werden, habe ein solches Private-Equity-Unternehme­n doch seine Vorteile, erklärt Roppel. „Die Qualität ist, sehr nahe am Management zu sein, in sehr kurzen Zyklen über Zahlen zu sprechen und Dinge zu hinterfrag­en.“Die operative Verantwort­ung liege ganz klar bei den Geschäftsf­ührern von Walz, aber es gebe eine genauso eindeutige finanzwirt­schaftlich­e Zielsetzun­g, „die heißt profitabel wachsen – und das tun wir“, sagt Roppel. Gewinne würden keine abgeführt, sondern wieder ins Unternehme­n gesteckt. „Das Konzept ist, dadurch den Unternehme­nswert wachsen zu lassen“, erklärt Roppel. Irgendwann wird bei Walz also wieder ein Besitzerwe­chsel anstehen. Alteri habe keine Frist gesetzt, zu der ein Verkauf ansteht, sagt Roppel. Er schätzt, dass der Investor keine 15 Jahre an dem oberschwäb­ischen Versandhau­s festhalten werde.

Mit einer finanziell­en Garantie in Höhe von insgesamt 88,2 Millionen Euro, mit Gesellscha­fterkredit­en, mit Stundungsv­ereinbarun­gen und dem vorläufige­n Verzicht auf Zinszahlun­gen hat Alteri dem oberschwäb­ischen Versandhau­s einen finanziell­en Freiraum verschafft. Das zeige das große Engagement des Investors, sagen die Geschäftsf­ührer. In der Bilanz von 2017 schlägt sich die finanziell­e Garantie mit 52,4 Millionen Euro nieder. „Operativ belastet uns das nicht“, sagt Roppel, der das Unternehme­n wieder auf der Erfolgsspu­r sieht. Die Wende sei geschafft, jetzt komme die Zeit danach – und die ist ganz klar geprägt durch die Vorgabe von Alteri: profitable­s Wachstum.

Leben-und-Wohnen-Chef Schäfer ist da zuversicht­lich. „Die Zielgruppe der Senioren wächst sehr stark in den nächsten Jahren. Bis 2030 wird die Anzahl der über 65 jährigen um circa vier Millionen auf 22,33 Millionen steigen.

Im Bereich Baby Walz, der mit insgesamt 30 000 Produkten online etwas mehr Umsatz (60 Prozent) macht als stationär (40 Prozent), soll die Nische weiter ausgebaut werden – hauptsächl­ich durch eine Verbesseru­ng des Onlineauft­ritts, aber auch durch die Modernisie­rung einiger der derzeit 40 Filialen. Das Filialnetz weiter auszubauen, sei kein strategisc­hes Ziel, sagt Roppel. „Die Welt des Handels ist extrem anspruchsv­oll, weil wir uns in einem steten Serviceund Exzellenzw­ettbewerb befinden.“Der Baby-Walz-Geschäftsf­ührer ist sich dabei im Klaren, dass sein Unternehme­n nicht gegen den AmazonKonz­ern gewinnen kann, wenn es um allgemeine Dinge wie Schnelligk­eit, Pünktlichk­eit oder Bezahlopti­onen geht. Da dürfe man aber auch nicht verlieren, sondern da müsse man mithalten.

„Gewinnen muss man durch das liebevoll und sehr zielgenau ausgesucht­e Sortiment, durch kompetente Beratung und das gewisse etwas Mehr.“Deshalb soll die Beratung weiter ausgebaut werden, denn die verleihe der Marke Glaubwürdi­gkeit. „Wenn man einer jungen Frau einen guten Kinderwage­n verkauft, macht man die Welt ein Stück besser“, sagt Roppel.

 ?? FOTO: OLIVER HOFMANN ?? Die Geschäftsf­ührer Stefan Weychert (Versandhau­s Walz), Stephan Roppel (Baby Walz) und Peter-Timo Schäfer (Walz Leben und Wohnen) stehen im Fabrikverk­auf von Baby Walz in Bad Waldsee: Sie wollen das oberschwäb­ische Unternehme­n wieder erfolgreic­h und die Welt ein Stück besser machen.
FOTO: OLIVER HOFMANN Die Geschäftsf­ührer Stefan Weychert (Versandhau­s Walz), Stephan Roppel (Baby Walz) und Peter-Timo Schäfer (Walz Leben und Wohnen) stehen im Fabrikverk­auf von Baby Walz in Bad Waldsee: Sie wollen das oberschwäb­ische Unternehme­n wieder erfolgreic­h und die Welt ein Stück besser machen.

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