Man kennt sich
Das Duell des VfB Stuttgart gegen den FC Augsburg ist auch das Spiel der Rückkehrer
STUTTGART - Vielleicht werden sie eine unruhige Nacht hinter sich haben. Eine Nacht, in der sie sich immer wieder umhergewälzt und daran gedacht haben, wie es war – damals. Die gemeinsamen, schönen Zeiten, die ersten Schritte, die kleinen Streitereien und vor allem die Triumphe. Doch heute müssen die Erinnerungen weggeschlossen werden, auch wenn die verflossene Liebe kein Geheimnis ist. Heute zählt für immerhin sieben Akteure in Stuttgart nur der aktuelle Partner. Denn wenn der VfB Stuttgart den FC Augsburg empfängt (15.30 Uhr/Sky), ist das mehr als ein Derby zwischen den Württembergern und dem Club aus Bayerisch-Schwaben. Mehr als eine Bundesliga-Partie der Krisen-Clubs. Es ist vor allem auch ein Duell der Rückkehrer und Wiederseher:
Vor allem blickt heute alles auf die Trainer. Denn und
kennen sich bestens. Der eine steht für die Gegenwart und Zukunft des FC Augsburg, der andere für die Vergangenheit. Doch stellt Baum klar: „Es geht um Mannschaft gegen Mannschaft und nicht Trainer gegen Trainer.“Dass es ein brisantes Aufeinandertreffen ist, weiß der Nach-Nachfolger von Weinzierl aber auch. Vier Jahre (Juli 2012 bis Juni 2016) war Weinzierl, der beim VfB schon wieder unter Druck steht, FCA-Coach, prägte den Spielstil der Fuggerstädter mit schnellem Umschalten aus der Abwehr. Baum kennt dieses Konzept bestens, war er doch von 2014 bis 2016 Cheftrainer des Nachwuchsbereichs und zelebriert das von Weinzierl initiierte Konzept bis heute.
Weinzierl dagegen überspielt seine Gefühle mit Humor, denn mit dem FCA kommt nicht nur sein geliebter Ex-Verein, bei dem er seine größten Erfolge feierte, sondern auch der Angstgegner des VfB in die Arena. Von zwölf Spielen in der Bundesliga gewann Augsburg sieben – jedes Mal saß dabei Weinzierl auf der Bank der Schwaben aus Bayern. Und so sagte er „Ich hoffe, dass die Siege damals an mir gelegen haben und dass das
Manuel Baum Markus Weinzierl
jetzt auf die andere Seite wandert.“Er bekennt aber auch: „Da würde ich lügen, wenn ich keine besondere Beziehung zu dem Verein hätte.“Das trifft auch auf seinen Co-Trainer
Wolfgang Beller Thomas Barth
sowie AthletikCoach zu, die schon beim FCA an Weinzierls Seite standen und die es in seinem Sog auch zum VfB spülte.
Und auch auf dem Rasen steht ein Stuttgarter, unter dessen Trikot zwei Herzen schlagen dürften:
gebürtiger Ulmer, verdiente sich in der FCA-Jugend seine ersten Meriten, arbeitete sich aus der zweiten Mannschaft bis in den Bundesligakader, bevor er 2018 weiterzog. Und der 24-jährige Offensivakteur ist einer der Dauerbrenner der VfB-Elf, sorgte mit seinem Tor gegen den 1. FC Nürnberg jüngst für den ersten Weinzierl-Erfolg als VfB-Trainer. Dass dieser Treffer durch einen Freistoß entstand, dürfte einen weiteren langjährigen Weinzierl-Schützling gefreut haben. Als Co-Trainer für „individuelle Maßnahmen“(vor allem Standards) soll Ex-Profi
dem VfB-Kader Sicherheit und Ruhe vermitteln. Dass der 36-Jährige 115 Spiele für Augsburg bestritt und mit Thommy noch zusammenspielte, lässt auch heute noch Raum für Anekdoten. „Ich habe ihn erst mal gefragt, ob er das falsche Trikot anhat“, beschreibt Thommy das Wiedersehen: „Das war anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.“
Thommy, Halil Altintop
Dieses Gefühl wird sich wohl auch auf der anderen Seite des Grüns einstellen, wenn und
ihre Gegner betrachten. Der eine, gebürtiger Stuttgarter, Bruder von Weltmeister Sami Khedira und selbst neun Jahre (sieben in der Jugend) beim VfB, der andere, gebürtiger Backnanger und Stürmer, brachte es immerhin auf 49 Spiele und sechs Tore im VfB-Trikot, lief gar in der Champions League auf.
Rani Khedira Schieber Erik Julian
Doch was zählt, ist die Gegenwart. Vor allem für den Tabellenletzten aus Stuttgart, der nur acht Punkte aus zwölf Spielen geholt hat, ist ein Sieg Pflicht. Augsburg hat als 13. fünf Punkte mehr. Unglücklich auch, dass auf den Rängen eine Halbzeit lang Ruhe herrschen wird – als Teil eines bundesweiten Protests gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. „Dafür gibt es gute Gründe“, sagte Weinzierl, machte aber auch deutlich, dass ihm der Stimmungsboykott gar nicht passt. „Aber es wird nichts bringen, wenn ich die Fans bitte, dass sie das bitte sein lassen sollen.“