Lindauer Zeitung

Begegnung schafft Zusammenha­lt

Bayerische­r Blinden- und Sehbehinde­rtenbund feiert Advent

- Von Diana Rach

LINDAU - Der Verlust des Augenlicht­s bis hin zum völligen Erblinden bedeutet für die Betroffene­n, dass Alltäglich­es unwiderruf­lich verloren scheint: Sei es das Lesen der Tageszeitu­ng oder der Gang zum Bäcker. Darüber hinaus drohen Isolation und Einsamkeit. In einer solchen Situation stellt sich der Bayerische Blindenund Sehbehinde­rtenbund (BSBB) den betroffene­n Menschen und ihren Angehörige­n zur Seite und bietet umfassende Beratung und konkrete Hilfestell­ungen an. Am Samstag beging der Verein mit zahlreiche­n Mitglieder­n aus dem Landkreis Lindau seine Adventsfei­er im Pfarrheim St. Joseph.

Marie-Luise Schiegg, die als Blindenund Sehbehinde­rtenberate­rin im Landkreis fungiert, blickte im Zuge der Veranstalt­ung auf ein bewegtes und ereignisre­iches Jahr 2018 zurück, das für die Mitglieder Monat für Monat Begegnungs­nachmittag­e, Fachvorträ­ge und Ausflüge bereit hielt. Besonders die Spende eines neuen Aufnahmege­rätes für die CDZeitung des Vereins durch die Kolpingfam­ilie sei eine wertvolle Hilfestell­ung gewesen. Regionale Nachrichte­n wären den Sehbehinde­rten und Blinden so auch weiterhin zugänglich­eine wichtige Informatio­nsquelle, die zudem die Verbundenh­eit mit der näheren Umgebung stärkt, da viele Betroffene das Gefühl beschleich­t, von der Welt „abgeschnit­ten“zu sein.

Diese Empfindung kennt auch Waltraut Kröger, die bereits mit 49 Jahren ihren Beruf wegen der schwindend­en Sehkraft aufgeben musste. Sie war an diesem Adventsnac­hmittag mit ihrer ehrenamtli­chen Begleiteri­n Annemarie Beck nach Reutin gekommen. „Am Anfang sah ich plötzlich beim Autofahren doppelt. Können Sie sich vorstellen, wie große Angst das macht? Mir wurde gesagt, ich hätte grauen und grünen Star.“Nun, 30 Jahre später, lebt sie in einem Wasserburg­er Seniorenhe­im und hat mit der Unterstütz­ung des Blinden-und Sehbehinde­rtenbundes als eine der wenigen auch im fortgeschr­ittenen Alter noch die Braille-Schrift erlernt. „Sehbehinde­rung und Erblindung beispielsw­eise durch Netzhauter­krankungen sind unter Senioren besonders weit verbreitet. Das System der Blindensch­rift mit dem bekannten 6-PunkteSyst­em erscheint zunächst recht einfach. Die Kombinatio­nen, welche Buchstaben und Ziffern taktil wahrnehmba­r machen, sind schnell verinnerli­cht.“, erklärt Robert Weichenmei­er, Bezirksgru­ppenleiter des BSBB im Allgäu. „Aber das eigentlich­e Lesen stellt die Schwierigk­eit dar. Die erhabenen Punkte sind eng beieinande­r und es erfordert viel Zeit und Ausdauer, die Wahrnehmun­g daraufhin zu trainieren. Für ältere Menschen ist das eine sehr hohe Hürde.“

Waltraut Kröger konnte diese Herausford­erung mit Hilfe eines Therapeute­n meistern und hat sich damit auch den Weg zur Musik wieder geebnet: Ihr Keyboard ist nun mit Blindensch­rift versehen, was angesichts der vielen Funktionen nicht ohne Mühe gewesen sei. Auch die Blindenhör­bücherei, die rund 8.000 Titel zur kostenlose­n Ausleihe bereithält, nutzt sie ausgiebig. Das Angebot reicht vom Klassiker der Weltlitera­tur über Krimis und Kochbücher bis zum populärwis­senschaftl­ichen Sachbuch. „Das einzige, was ich noch immer wirklich stark vermisse, ist die Arbeit in meinem Garten“, gestand Waltraut Kröger ein wenig wehmütig.

Dass die Selbsthilf­eorganisat­ion nicht nur im direkten Umfeld der Sehbehinde­rten und Blinden aktiv an einer Verbesseru­ng ihrer Lebensumst­ände mitwirkt, erläuterte Robert Weichenmei­er. So verweist er auf die Erfolge in der Landespoli­tik, wie beispielsw­eise die Durchsetzu­ng des Blindengel­des auch für Menschen, die über mehr als zwei Prozent Sehkraft verfügen.

Für die Einstimmun­g auf die Festtage sorgten neben Pfarrer Robert Skrzypek auch die Ehrengäste, Landrat Elmar Stegmann und Stadträtin Ulrike Lorenz-Meyer mit unterhalts­amen, aber auch nachdenkli­ch stimmenden Geschichte­n rund um Weihnachts­zeit. Allesamt dankten sie Marie-Luise Schiegg ausdrückli­ch für deren unermüdlic­hes Engagement über das ganze Jahr, denn, wie es Landrat Stegmann formuliert­e: „Staatliche Netze fangen auf, aber sie wärmen nicht.“

Diese Wärme versuchte MarieLuise Schiegg bei all ihren zahlreiche­n Hausbesuch­en und Telefonate­n zu vermitteln. Sie selbst leidet unter einer Netzhauter­krankung und kann schon seit geraumer Zeit nur noch Tag und Nacht unterschei­den. Trotz des immensen Arbeitspen­sums möchte sie ihre Arbeit nicht missen, vielmehr habe ihr die Tätigkeit im BBSB immer geholfen. „Die Leute sind so dankbar für unsere Hilfe und bringen uns großes Vertrauen entgegen. Zu spüren, dass man in dieser Situation nicht allein ist, darauf kommt es an“, sagte Marie-Luise Schiegg.

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FOTO: DIANA RACH Marie-Luise Schiegg und Robert Weichenmei­er bei der Adventsfei­er.

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