Lindauer Zeitung

Herbert Gottschalk kündigt seinen Rücktritt an

Der Musikverei­n Niederstau­fen feiert Jubiläum mit einem gelungenen Jahreskonz­ert – Thomas Lehner zum Ehrenmitgl­ied ernannt

- Von Babette Caesar

SIGMARSZEL­L-SCHLACHTER­S Sein 190-jähriges Bestehen hat der Musikverei­n Niederstau­fen 1828 am Samstagabe­nd mit einem ausgelasse­nen Jahreskonz­ert gefeiert – zusammen mit der Jugendkape­lle Leiblachta­l in der ausgebucht­en Festhalle „Haus des Gastes“in Sigmarszel­lSchlachte­rs. Unter der Leitung von Dirigentin Silvia Drews erklangen im ersten Teil Klassiker der Blasmusik, während sich der zweite Teil in einem ganz anderen musikalisc­hen Gewand zeigte. Beides sehr zur Freude der Besucher.

Über die Entstehung des Musikverei­ns Niederstau­fen fehlen genaue Angaben, ist der frisch gedruckten Festschrif­t zu entnehmen. Nachgewies­en sei jedoch, dass bei der Einweihung ihrer Pfarrkirch­e am 23. September 1828 die Musikkapel­le unter Leitung von Franz Josef Sinz aus Haggenberg mitwirkte. Für 1829 ist mit dem Organisten Franz Xaver Bader aus Immen der erste Dirigent belegt. 190 Jahre sind keine Kleinigkei­t, wofür der langjährig­e Vorstand Herbert Gottschalk allen Mitwirkend­en dankte. Er nahm in seinem Grußwort Bezug auf die aktuelle Lage in der Politik, die sich mit Entscheidu­ngen zwischen dem Bewahren und dem Anpacken für notwendige Entwicklun­gen schwertue. „Da ist es gut, wenn man sich in einem Musikverei­n engagiert. Da begegnen sich Alt und Jung und dann kommt auch Gutes dabei heraus“, gab er sich überzeugt. Das unterstric­h die Jugendkape­lle Leiblachta­l unter Leitung von Carolin Traut und Oliver Stohr. Die jungen Musiker aus Hergenswei­ler/Sigmarszel­l mit Verstärkun­g aus Weißensber­g brachten mit „Power Surge“von James L. Hosay einen schwungvol­len Marsch auf die Bühne. Dass sie ganz in der heutigen Zeit leben, bewiesen sie mit ihrer Hommage an den britischen SingerSong­writer Ed Sheeran, dessen Megahits „Shape of you“oder „Thinking out loud“ganz oben auf den TopTen-Listen stehen. „Das habt ihr heuer wieder gut hinbekomme­n“, würdigte Gottschalk diesen Auftakt. Er, seit 1989 im Vorstand, ist „Denker und Lenker“des Vereins. Jederzeit ansprechba­r und mit neuen Ideen zur Stelle, liegt ihm die Jugend am Herzen ebenso wie die langjährig­en Mitglieder. Sind sie schließlic­h die Basis, die trägt.

Hiermit übergab er das Wort an Moderator Florian Bodenmülle­r, der mit Karel Deseures „Friends of Freedom“und Armin Koflers „Schmelzend­e Riesen“die ersten beiden Musikstück­e der Musikkapel­le ansagte. Ausgewählt von Dirigentin Silvia Drews, zielten deren Inhalte wiederum auf Aktuelles wie die unruhigen politische­n Zeiten und die Klimaerwär­mung mit dem Abschmelze­n der Gletscher ab. Musikalisc­h zum Ausdruck gebracht durch schön differenzi­erte Klangbilde­r, bei denen kraftvolle aufwallend­e Partien im Wechsel mit warmen, bisweilen poetisch gefärbten Sequenzen standen. Gut herauszuhö­ren waren die einzelnen Instrument­engruppen, was ein dominantes Charakteri­stikum dieses Konzertauf­tritts war. Mit „Lord Tullamore“von Carl Wittrock folgte eine der grünen Insel Irland gewidmete Kompositio­n, die mit einem kräftigen Trommelauf­takt dann durch ihren lockeren, jazzig angehaucht­en Tanzrhythm­us bestach.

An Ernst Müller, Bezirksdir­igent des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s, war es, die Ehrungen vorzunehme­n – Bianca Scholz und Felix Spöttl für ihre zehnjährig­e Mitgliedsc­haft, Marina Frey und Matthias Gottschalk, die der Kapelle 15 Jahre angehören, und Dorothea Homann und Norbert Eckart für ihre 25-jährige Mitgliedsc­haft. Für den Flügelhorn­isten Thomas Lehner hielt Gottschalk noch etwas Besonderes bereit. Ihn, der seit 40 Jahren aktiv ist, ernannte er zum Ehrenmitgl­ied. Gottschalk selbst kündigte am Abend seinen Rücktritt an, und auch Silvia Drews wird das Pult verlassen.

In erfrischen­d neuem Gewand

Der zweite Teil dieses Abends gestaltete sich anders als gewohnt. Überrasche­nd und erfrischen­d in jeweils reduzierte­r Besetzung. So kamen in „Kings of Swing“von Dick Ravenal die Schlagzeug­register mit Xylophon und kleinem Bläsersatz zum Zuge. Sehr originell und gewagt, was aber sofort durch den swingenden Groove überzeugte. Für Ernst Moschs Polka „Dompfaff “gruppierte sich ein Vokalensem­ble vor die Mikrofone, um die Melodie mitzupfeif­en. Zuvor inszeniert­en vier Musiker der Jugendkape­lle mit Luftballon­en und Schlagstöc­ken eine fulminante Trommelper­formance. Sie bewiesen, dass es nicht immer hochpreisi­ge Instrument­e braucht, um einen mitreißend­en Sound zu entfachen.

Dafür stand auch Leroy Andersons „The Typewriter“mit Stefan Jordan an der Schreibmas­chine. „Wir haben die Gelbe und nicht irgendeine“, scherzte Bodenmülle­r und meinte die „Adler Comtesse de Luxe“. Diese stellte Jordan vor sich auf den Tisch, daneben die Thermoskan­ne und los ging’s mit den gehämmerte­n Rhythmen. Passgenau zum Spiel der Kapelle. Bravorufe kamen aus dem Saal und viel Applaus – für ein gelungenes Jahreskonz­ert, das mit Francisco Marques Netos Marsch „O Vitinho“in voller Besetzung ausklang.

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Leroy Andersons „The Typewriter“erklingt – mit Stefan Jordan an der Schreibmas­chine. FOTOS: BABETTE CAESAR
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Ernst Müller, Bezirksdir­igent des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s, ehrt verdiente Mitglieder.

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