Debatte über Künstliche Intelligenz
Wirtschaft fordert mehr Engagement – Ethikrat: „Mensch muss im Mittelpunkt stehen“
NÜRNBERG (dpa/KNA) - Künstliche Intelligenz, kurz KI genannt, ist das aktuelle Zauberwort der Digitalisierung und zugleich das wichtigste Thema des zweitägigen Digitalgipfels der Bundesregierung, der heute in Nürnberg fortgesetzt wird. Die Industrie warnt davor, dass Deutschland den Anschluss an die Pioniere aus China und den USA verlieren könnte. Politik und Bürger sorgen sich, welche Auswirkungen selbstfahrende Autos, Roboter in der Altenpflege oder auch „denkende“Computer wie Siri oder Alexa auf Gesellschaft und Mensch haben.
Peter Dabrock, Theologe und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, forderte am Montag, dass alle KI-gesteuerten Systeme immer ethischen Grundsätzen folgen müssen – egal ob beim autonomen Fahren, bei medizinischen Diagnosen oder bei der Mitgestaltung von Versicherungstarifen. „Am Ende muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Roboter oder KI-Maschinen dürfen ihn nicht direkt, aber auch nicht indirekt beherrschen“, erklärte Dabrock.
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warb in Nürnberg für einen verantwortungsvollen Umgang mit KI. Ethische Fragen müssten und würden diskutiert werden. „Beim automatisierten Fahren wird es viele ethische Fragen geben im Konfliktfall“, erklärte Seehofer. Er warnte jedoch vor zu großer Zurückhaltung: „Wir müssen uns zutrauen, dass wir die Dinge beherrschen.“
Seehofer betonte zugleich, dass Offenheit bei der Debatte wichtig sei. „Es hat keinen Sinn, hinter verschlossenen Türen zu diskutieren“, sagte der CSU-Politiker. Schon deshalb sei der Gipfel, der von Teilen der Opposition kritisiert wurde, wichtig. Schwarz-Rot veranstalte Gipfel um Gipfel – „und selten kommt etwas dabei heraus“, sagte etwa der stellvertretende FDP-Fraktionschef Frank Sitta. Die Regierung müsse bei der Digitalisierung endlich Tempo aufnehmen. Drigend nötig seien ein Digitalministerium, ein schnellerer Ausbau des Glasfasernetzes und ein Einwanderungsgesetz für Spezialisten in IT und KI. Ähnlich äußerte sich Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI): „Wir benötigen mehr Experten auf diesem Gebiet. Deshalb müssen wir weltweit auf die Suche gehen“, sagte Kempf.
BERLIN - Arbeitnehmer sollten mehr mit Aktien für ihren Ruhestand vorsorgen – und der Staat soll sie dabei steuerlich unterstützen. Mit seinem Vorstoß hat Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, für Aufsehen gesorgt. Prinzipiell sei das richtig, meinen viele Wirtschaftswissenschaftler. SPD und Gewerkschaften betonen dagegen, nur die gesetzliche Rente sei wichtig und müsse deshalb gestärkt werden.
In Deutschland besitzen nur 15,7 Prozent der Bevölkerung überhaupt Aktien und spätestens seit der Telekom-Aktie, für die sich nach Manfred Krugs Werbung erstmals breite Schichten von Arbeitnehmern begeisterten und anschließend auf die Nase fielen, ist die Skepsis gegenüber Aktien noch größer geworden.
Dabei wird die private Vorsorge angesichts der demografischen Entwicklung wichtiger werden. „Länder können die Gestaltung finanzieller Anreize für das Sparen fürs Alter verbessern“, heißt es im neuen Birgit Homburger, Deutsches Aktieninstitut
OECD-Bericht. Auch heute schon kann man vermögenswirksame Leistungen in Aktienfonds anlegen, und sogar Rürup- und Riester-Renten haben gewissen Anteile an Aktien. Deren Gewinnmarge wird jedoch dadurch geschmälert, dass sie eine Beitragsgarantie abgeben müssen, das heißt, die Anleger müssen mit mindestens Plus-Minus Null herauskommen.
Friedrich Merz schlägt vor, dass die Politik Aktienprodukte durch steuerliche Anreize fördern solle. „Denkbar wäre ein jährlicher Freibetrag, unter dem man einen auf Aktien basierenden Spar- oder Vorsorgeplan aufbaut. Dieser dürfte im Alter nicht mehr nachversteuert werden“, so Merz. Zentral sei, dass dieses Aktienpaket ausschließlich der Alterssicherung diene und erst dann abschlagsfrei aufgemacht werden dürfte, wenn die gesetzliche Altersgrenze erreicht sei.
Merz hält das für machbar, schließlich gebe der Bundeshaushalt jedes Jahr 100 Milliarden Euro aus, um die Rentenversicherung zu stabilisieren. „Da müsste ein kleiner einstelliger Milliardenbetrag, der zusätzlich anfällt, wenn entsprechende Freibeträge eingeführt werden, zu verkraften sein.“Die SPD reagiert empört: „Jetzt lässt Merz die Masken fallen. Was er vorschlägt, ist ein riesiger Schritt in die Privatisierung der Rente. Das ist ein milliardenschwerer Gefallen für Reiche und vor allem für seine Kollegen bei Blackrock. Wir sind gerade dabei, die gesetzliche Rente zu stärken. Das hilft der großen Mehrheit. Das ist der richtige Weg“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Auch der DGB wirft Merz vor, kein Gefühl mehr für die Realitäten des Arbeitslebens zu haben. „Gut 40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben am Ende des Monats keinen Cent übrig, erst recht nicht für Aktiengeschäfte. Sie kommen mit ihrem – oft sogar über mehrere Jobs – erzielten Einkommen gerade so über die Runden“, sagt Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied. „Von Merz’ Vorschlag würden nur diejenigen profitieren, die eh schon genug oder mehr als genug haben.“
Tatsächlich liegen die Gefahren auf der Hand. Wenn die Aktien wie derzeit einbrechen, kann es kurzfristig zu Verlusten kommen. Doch je länger man spart, desto mehr lohnen sich Aktien. Die schlechteste historische Rendite von Sparplänen pro Jahr im Dax 30 lag bei 15 Jahren bei -0,4 Prozent. Spart man über 20 Jahre, lag die schlechteste Rendite bei plus 2,7 Prozent. Das heißt, je länger man spart, desto größer die Chancen, sein Kapital zu vermehren.
„Aktien in der Altersvorsorge zahlen sich gerade für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen aus.“
Rendite von 9,7 Prozent
„Breit anlegen, lange halten, dann hat man im Schnitt eine Rendite im Dax von 9,7 Prozent, berechnet für 30Jahres-Sparpläne im Zeitraum 1967 bis 2015,“sagt Birgit Homburger. Die frühere FDP-Politikern ist Leiterin des Hauptstadtbüros des Deutschen Aktieninstituts. Schon mit kleinen Beträgen lasse sich viel erreichen, wenn man jung anlege, so Homburger. Dabei komme es darauf an, nicht nur auf eine oder wenige Aktien zu setzen, sondern breit zu streuen. Außerdem sollte nie das gesamte Vermögen in Aktien oder Aktienfonds investiert werden.
Deka, das Wertpapierhaus der Sparkassen, wirbt gerade massiv für die Privatrenten. In einer neuen Studie spricht die Deka davon, dass dem durchschnittlichen Rentner 769 Euro fehlen, um den Lebensstandard zu halten. In Baden-Württemberg seien es sogar 899 Euro. Die Deka rechnet allerdings mit 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens als Bedarf, um den Lebensstandard zu sichern. Geläufiger ist die Rechnung mit 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens.
Für den CDU-Rentenexperten Peter Weiß können bei kapitalgedeckten Zusatzsystemen wie Betriebsrenten oder Riester-Renten mehr Investitionen in Aktien Sinn machen, so Peter Weiß im „Tagesspiegel“. Hans-Werner Sinn, Ex-Chef des Ifo-Instituts, hält Merz’ Vorstoß für eine „richtige und wichtige“Idee. Nur durch Sparen könne die absehbare Altersarmut gemildert werden. Und auch Ifo-Chef Clemens Fuest befürwortet prinzipiell Merz’ Pläne.