Lindauer Zeitung

Familien sollen weiter entlastet werden

Kabinett bringt Beitragszu­schuss für die gesamte Kindergart­enzeit auf den Weg

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Die schwarz-orangene bayerische Staatsregi­erung hat eine Erhöhung der Familienfö­rderung beschlosse­n. Wie im Koalitions­vertrag zwischen CSU und Freien Wählern vereinbart, werden Eltern beim ersten und zweiten Kindergart­enjahr mit 100 Euro pro Monat und Kind entlastet. Das letzte Kindergart­enjahr wird vom Freistaat bereits in dieser Höhe gefördert.

Die Förderung startet am 1. April kommenden Jahres, kündigte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Montag nach einer Kabinettss­itzung in München an. Dadurch profitiert­en die Eltern von 375 000 Kindern von der staatliche­n Leistung. Die Beitragszu­schüsse werden den Freistaat im kommenden Jahr etwa 210 Millionen Euro und in den Folgejahre­n jeweils 290 Millionen Euro kosten.

Freie Wähler-Vorsitzend­er und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger sprach von einem „guten Tag für die Familien in Bayern“. Ab 2020 sollen auch Eltern, deren ein- und zweijährig­e Kinder eine Krippe oder Tagesbetre­uung besuchen, 100 Euro pro Monat bekommen. „Alles zusammen wäre zu viel gewesen“, räumte Aiwanger ein. Die Zuschüsse hatten die Freien Wähler in den Koalitions­verhandlun­gen durchgeset­zt. Die CSU wiederum hatte auf die Beibehaltu­ng des bayerische­n Familienge­lds für Eltern aller ein- und zweijährig­en Kinder bestanden. Der Landtag muss den Vorhaben aber noch zustimmen.

Der Sprecher für frühkindli­che Bildung der Landtags-Grünen, Johannes Becher, hält die Pläne für falsch. Gute frühkindli­che Bildung brauche hohe pädagogisc­he Qualität, bessere Betreuungs­schlüssel und eine Ausweitung des Betreuungs­angebots auf Randzeiten. „Genau dafür sollte zielgerich­tet Geld ausgegeben werden, welches jetzt fehlt“, so Becher.

Große Gebührenun­terschiede

Die Vorsitzend­e des Sozialauss­chusses im Bayerische­n Landtag, Doris Rauscher (SPD), kritisiert­e ebenfalls die Beschlüsse des bayerische­n Kabinetts. Eine pauschale Bezuschuss­ung des Kita-Besuches mit 100 Euro pro Monat werde der Situation wegen der großen Unterschie­de in der Gebührenhö­he in Bayern nicht gerecht, so die Opposition­spolitiker­in. In Ballungsge­bieten zahlten Eltern teilweise bis zu 750 Euro Krippengeb­ühren.

Große Unterschie­de bei den Gebühren seien fast nur in München zu beobachten, entgegnete Ministerpr­äsident Söder. Wichtig sei, dass die Eltern nicht gezwungen seien, teure Angebote anzunehmen, so Bayerns Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer.

Rauscher verlangt eine vollständi­ge Gebührenfr­eiheit: „Denn nur so stellen wir den Zugang zu Bildung für alle Kinder sicher – und geben ihnen damit die gleichen Startchanc­en, unabhängig von Wohnort, Herkunft oder Geldbeutel der Eltern.“

Es sei völlig unverständ­lich, dass die Freien Wähler bei dieser Kernforder­ung eingeknick­t seien. Noch im September hatte deren Landesvors­itzender Hubert Aiwanger gesagt: „Was nutzen mir in der Stadt 250 Euro Familienge­ld, wenn ich 750 für die Krippe zahle?“Er müsse sich nun fragen lassen, warum er diesen gewichtige­n Einwand inzwischen offenbar vergessen habe und mit den 100 Euro Kita-Zuschuss das Stückwerk weiterführ­e.

Gleichzeit­ig hat der Ministerra­t ein Gründerpak­et für Hebammen beschlosse­n. Eine Niederlass­ungsprämie in Höhe von 5000 Euro soll freiberufl­ichen Hebammen den Berufseins­tieg erleichter­n. Die Auszahlung der Prämie ist zum Ende des Ausbildung­sjahres ab September 2019 vorgesehen. Auch damit wird eine Vereinbaru­ng des schwarz-orangenen Koalitions­vertrags umgesetzt.

Die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der opposition­ellen SPD im bayerische­n Landtag, Ruth Waldmann, forderte eine massive Aufwertung des Berufs Hebamme: „Der erste Schritt muss eine bessere Vergütung der Leistungen sein. Der zweite ist eine verbindlic­he Personalbe­messung in den Krankenhäu­sern und Geburtssta­tionen. Nur dann können sie auf Dauer genügend Personal aufbringen“, erklärte Waldmann.

Nein zur Grundgeset­zänderung

Christina Haubrich, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der LandtagsGr­ünen, begrüßte das Gründerpak­et für Hebammen. Die Starthilfe von 5000 Euro hätten die Landtags-Grünen in der vergangene­n Legislatur­periode noch erfolglos gefordert. „Zusätzlich brauchen wir dringend die Aufwertung des kompletten Berufsbild­s durch eine akademisie­rte Ausbildung für alle Hebammen“, fordert Christina Haubrich.

Söder und Aiwanger bekräftigt­en das Nein Bayerns zur beabsichti­gten Grundgeset­zänderung, um dem Bund die finanziell­e Förderung der digitalen Ausstattun­g der Schulen zu ermögliche­n. So wie die Verfassung­sänderung jetzt angelegt sei, bedeute sie einen „grundlegen­den Eingriff in die föderale Ordnung“, so Söder. Über die Kofinanzie­rung wolle der Bund sich in die Bildungsko­mpetenz der Länder einmischen und diese auch noch dafür zahlen lassen. Am Ende werde eine „Einheits-Schulpolit­ik“stehen, warnte Söder. Wenn der Bund Geld für diese Zwecke geben wolle, könne er dies auch ohne Grundgeset­zänderung etwa über eine andere Verteilung der Umsatzsteu­er regeln.

Die Freien Wähler stimmen in dieser Frage mit dem größeren Koalitions­partner überein. „Wir werden uns vom Bund nicht reinreden lassen“, sagte deren Chef Aiwanger. Der Bildungsfö­deralismus sei wichtig, um die Qualität zu erhalten.

Außer Bayern lehnen inzwischen auch Baden-Württember­g, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen die Grundgeset­zänderung ab. Die Angelegenh­eit werde wohl im Vermittlun­gsausschus­s landen, sagte Söder. Dann werde die Bundesregi­erung Gelegenhei­t haben, das Vorhaben noch einmal zu überdenken.

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FOTO: DPA Die Koalition aus Freien Wählern und CSU will den Krippen- und Kindergart­enbesuch durchgängi­g mit 100 Euro pro Monat und Kind bezuschuss­en.

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