Lindauer Zeitung

Aufstieg der Ultrarecht­en in Andalusien alarmiert Spanien

- Von Ralph Schulze, Madrid

Der Aufstieg der Rechtspopu­listen in Spanien war zwar vorausgesa­gt worden, er ging aber steiler vonstatten als erwartet: Bei den Regionalwa­hlen in Andalusien, Spaniens bevölkerun­gsreichste­r und ärmster Region, eroberte die neue rechtspopu­listische Partei Vox am Sonntag knapp elf Prozent der Stimmen. Damit holten die Rechtspopu­listen zwölf der 109 Abgeordnet­enmandate und zogen erstmals in der demokratis­chen Geschichte des südeuropäi­schen EU-Staates in ein spanisches Parlament ein.

Der Wahlausgan­g alarmiert Spanien, denn der Urnengang in Andalusien galt als Stimmungst­est für Spaniens kommendes Superwahlj­ahr: Im Mai stehen Kommunal- und Europawahl­en an. Auch in etlichen Regionen wird dann gewählt. Zudem muss Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez voraussich­tlich nationale Neuwahlen ansetzen. Der massive Auftrieb für die Rechtsauße­npartei, die in ihrem Wahlkampf Stimmung gegen Migranten, Muslime und Europa machte, ist ein klarer Beleg dafür, dass auch Spanien nicht länger immun ist gegen rechtspopu­listische Strömungen. Vox unterhält Kontakte zur deutschen AfD und Frankreich­s Rassemblem­ent National (früher Front National). Marine Le Pen, Vorsitzend­e der Rassemblem­ent National, sandte in der Wahlnacht denn auch prompt „herzliche Glückwünsc­he an unsere Freunde von Vox“.

Derweil erlitten die seit nahezu 40 Jahren in Andalusien regierende­n Sozialiste­n (PSOE) mit ihrer bisherigen Spitzenkan­didatin und regionalen Ministerpr­äsidentin Susana Díaz die bitterste Wahlschlap­pe ihrer Geschichte. Die Sozialiste­n wurden zwar immer noch stärkste Partei, sackten jedoch auf 27,9 Prozent (2015: 35,4). Die landwirtsc­haftlich geprägte Region Andalusien war bisher die wichtigste Bastion der sozialdemo­kratisch orientiert­en Sozialiste­n in Spanien. Damit dürfte die jahrzehnte­lange Vorherrsch­aft der Sozialiste­n in Südspanien zu Ende gehen und eine konservati­ve Koalitions­regierung in der Region näher rücken.

Konservati­ve Koalition möglich

Spaniens konservati­ve Volksparte­i (PP) verlor zwar ebenfalls erheblich an Unterstütz­ung und stürzte auf 20,8 Prozent (2015: 26,8). Doch die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Cs) gewann kräftig und holte 18,3 Prozent (2015: 9,3). Eine Koalitions­regierung aus diesen beiden konservati­ven Parteien gilt nun als wahrschein­lich. Zusammen mit der rechtspopu­listischen Partei Vox hätte diese konservati­ve Koalition die absolute Mehrheit der Parlaments­sitze in Andalusien.

Die linksalter­native Protestbew­egung Podemos, die in Andalusien unter dem Namen Adelante Andalucía (AA) antrat, kam nur noch auf 16,2 Prozent. In der letzten Wahl waren die Linksalter­nativen noch mit zwei verschiede­nen Listen angetreten und hatten zusammenge­rechnet 21,7 Prozent errungen.

Die Andalusien-Wahl galt als Testwahl für Spaniens sozialisti­schen Regierungs­chef Sánchez. Der Sozialist ist erst seit sechs Monaten im Amt, wackelt aber schon wieder. Da er mit seiner Minderheit­sregierung keine Mehrheit für den kommenden Staatshaus­halt zusammenbe­kommt, rückt eine Neuwahl näher.

Sánchez liegt in den nationalen Wahlumfrag­en zwar in der Wählerguns­t noch vorne, kann aber derzeit kaum mit mehr als 30 Prozent der Stimmen rechnen. Eine solide Ausgangsla­ge für eine neue Regierungs­bildung ist dies nicht. Zumal alles darauf hindeutet, dass die Rechtspopu­listen auch in Spaniens nationaler Parteienla­ndschaft bald eine größere Rolle spielen könnten.

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