Ein verstörend-faszinierendes Schauspiel
„Antigone.Stimmen“– Martina Roth spielt Antigone „dreifach“
Antigone tritt auf, beginnt zu sprechen. Eine zweite Antigone, hinter ihr im Filmausschnitt, antwortet. Es entsteht ein Dialog zwischen den beiden Frauen.
Das Leben und Sterben des Vaters Ödipus. Der geliebte und durch Bruderhand gestorbene Bruder Polyneikes, Vaterlandsverräter und Kämpfer um den eigenen Thron.
Unehrenhaft geschändet durch Kreon, ihren Onkel, Herrscher über Theben. Entgegen des Verbots von Kreon begräbt Antigone ihren Bruder Polyneikes.
Der Zwiespalt der Thematik zwischen Widerstand, Grundprinzipien und Menschlichkeit. All das findet in Antigones Kopf statt. Sie kämpft mit sich, erinnert sich, verflucht, hadert, zerbricht. Martina Roth ist dreimal Antigone, es gibt drei Versionen von ihr. Die reale auf der Bühne, die kämpft und mit sich hadert, die entschlossen ist, aber abwägt und schweren Herzens den Tod in Kauf nimmt. Die zweite Antigone auf der Leinwand hinter ihr, die bewertet, kritisiert und sie in Frage stellt. Eine hervorragende Inszenierung, mit der es gelingt, in fließend ineinander übergehenden Dialogen den inneren Zwiespalt darzustellen.
Bleibt noch die Dritte, die Archaische, Wilde und Verrückte, die fast nackt, Steine aneinander klopfend und wie irre zuckend, Worte mit Bedeutung von sich gibt.
Mit der geballten Faust die Arme in den Himmel gestreckt, gegen den tyrannischen König. Das nachdenkliche Abwägen, ob sie ihrem Bruder Eteokles gegenüber etwas schuldig bleibt, ihn gar verrät. Martina Roth versteht es, behutsam zu spielen und doch äußerst überzeugend große, äußere Konflikte darzustellen. Sie flüstert, sie fleht, sie zürnt, sie verurteilt, sie zweifelt.
Die Zusammenarbeit zwischen Regisseur Johannes Conen und Martina Roth sowie der Einsatz von einer unglaublich wirkungsvollen Videotechnik vermischt reales und virtuelles Geschehen und fasziniert durch den schnellen Wechsel der nahtlos ineinander fließenden Sequenzen, um so mit modernen Mitteln zum Kern der Tragödie vorzudringen.
Menschsein, das ist nichts als ein Fluch, so wird sie es am Ende zusammenfassen. Oder war es ihr Alter Ego, die Frau auf der Leinwand?