Lindauer Zeitung

Macron muss den Graben zuschütten

- Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Emmanuel Macron ist in einem Wettlauf gegen die Zeit. Nur bis Samstag hat der Präsident Gelegenhei­t, die Gelbwesten so weit zu beruhigen, dass sie nicht noch einmal in Paris wüten. Denn Bilder wie zuletzt, als rund um den Triumphbog­en der Bürgerkrie­g herrschte, kann sich der Staatschef nicht noch einmal leisten. Er muss nun zeigen, dass er die Lage noch in Griff hat.

Die Bewegung der Gelbwesten scheint wie der Geist, der aus der Flasche entwichen ist. Selbst die Zusage, die umstritten­e Ökosteuer zu verschiebe­n, kann die Proteste nicht stoppen. Diejenigen, die alles kaputt schlagen wollen, sind stärker als die, die für mehr Kaufkraft kämpfen. Mit Demokratie hat die Bewegung kaum noch etwas zu tun. Wie könnte sonst einer ihrer Anführer fordern, dass ein General den Premiermin­ister ersetzen soll? Spätestens bei diesem Szenario müsste jedem klar werden, dass man auf Parteien und Gewerkscha­ften angewiesen ist, um wichtige Forderunge­n durchzuset­zen.

Doch auch die Parteien scheinen vom gelben Fieber angesteckt. Die Liste derer, die auf der Suche nach Wählerstim­men noch Öl ins Feuer gießen, reicht von den Konservati­ven bis zum früheren Front National. Er profitiert als Einziger von der Krise. Marine Le Pen, nach ihrer Niederlage gegen Macron schon abgeschrie­ben, erlebt mit den Protesten ihre politische Wiederaufe­rstehung. Die Forderunge­n, die die Demonstran­ten erheben, sind so konfus und inkohärent wie die Chefin des früheren Front National selbst.

Vor anderthalb Jahren war es Macron selbst, der in einer einzigen Fernsehdeb­atte Le Pens wirre Rhetorik entlarvte. Nun ist der Staatschef wieder gefragt – mit einer sozialpoli­tischen Wende. Denn nur mehr Gleichheit kann die Proteste auf Dauer beenden und den Populisten das Wasser abgraben. Um Maßnahmen wie eine Erhöhung des Mindestloh­ns kommt er wohl nicht herum, auch die Abschaffun­g der Vermögenst­euer gehört auf den Prüfstand. Macron hat den Graben zwischen Arm und Reich in den vergangene­n 18 Monaten vertieft. Nun muss er ihn wieder zuschütten.

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