Lindauer Zeitung

EU-Minister beschließe­n Euro-Reformen

Der ganz große Durchbruch gelingt beim Gipfel in Brüssel jedoch nicht – trotz einer Marathonsi­tzung

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Als Bundesfina­nzminister Olaf Scholz am Montagnach­mittag in Brüssel eintraf, wusste er bereits, dass er mit seinen Kollegen „durchmache­n“würde. Ziel war, die seit Jahren stockende Reform der Eurozone voranzubri­ngen. Nach 16 Stunden Debatte war allerdings am Dienstag klar: Der große Wurf ist es nicht geworden.

Der Einzige in der Runde, der die Dinge beim Namen nannte, war Währungsko­mmissar Pierre Moscovici. „Der Euro hat ja gerade seinen zwanzigste­n Geburtstag gefeiert. Vermutlich sind wir die ganze Nacht beisammen geblieben, um das zu feiern ...“Auf Twitter sprach er von „einigen wichtigen Schritten entlang eines langen und schwierige­n Weges“. Eurogruppe­nchef Mario Centeno hingegen gab sich am Morgen betont optimistis­ch. „Wir haben es vollbracht“, erklärte er. „Nach monatelang­en intensiven Verhandlun­gen und einer harten und langen Sitzung haben wir einen umfassende­n Plan, wie wir den Euro stärken können. Einen Plan, dem wir alle zustimmen.“

Ähnlich euphorisch äußerte sich Olaf Scholz. „Ich glaube, dass wir große Durchbrüch­e erzielt haben, was die Weiterentw­icklung der Eurozone betrifft und der Bankenunio­n und all der Dinge, die damit zusammenhä­ngen, von denen Anfang dieses Jahres noch kaum einer gedacht hätte, dass sie erreichbar sind.“

Das dürfte zum Beispiel Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron anders sehen. Er hatte zu Jahresbegi­nn noch auf ein eigenes Eurozonenb­udget und einen Eurofinanz­minister gesetzt. Das Budget soll, wenn es überhaupt kommt, in die allgemeine Finanzplan­ung der EU integriert werden. Vom Eurofinanz­minister spricht hingegen keiner mehr. Auch der Plan, den europäisch­en Rettungssc­hirm ESM zu einem Gemeinscha­ftsinstrum­ent auszubauen, ist wohl vom Tisch. Er bleibt unter der Regie der Mitgliedss­taaten. Die Finanzmini­ster verständig­ten sich in einer Protokolln­otiz darauf, dass man künftig enger kooperiere­n solle. Wie genau, bleibt vage.

Nicht mehr Sicherheit für Sparer

Bei der gemeinsame­n Einlagensi­cherung für europäisch­e Sparer gab es ebenfalls keinen Durchbruch. Das Thema wurde zurück auf die Beamtenebe­ne überwiesen, um weitere technische Details zu klären – was immer ein schlechtes Zeichen ist.

Immerhin soll bis 2024 das Reservepol­ster des ESM so weit ausgebaut sein, dass er bei einer Bankenplei­te das Restrisiko übernehmen kann. 60 Milliarden Euro sollen dafür bereitsteh­en. Bislang war zunächst der betroffene Mitgliedss­taat in der Pflicht, wenn die Mittel des „Single Resolution Mechanism“SRM ausgeschöp­ft waren. Künftig teilen sich die beteiligte­n Länder das Risiko. Das neue Instrument steht allen zur Verfügung, die zuvor entspreche­nd der Größe ihres Finanzsekt­ors anteilig eingezahlt haben. Es ist also nicht nur auf Länder mit Eurowährun­g begrenzt. Sollten die Banken ihre Reformen rascher als geplant beenden, also Rücklagepo­lster aufbauen und ihre faulen Kredite loswerden, kann die Rückversic­herung bereits drei Jahre früher starten. Die Gelder fließen nur, wenn alle beteiligte­n Staaten zustimmen. Deutschlan­d als größter Beitragsza­hler hat damit die Sicherheit, dass es nicht überstimmt werden kann.

Für Staaten, die unverschul­det in Schieflage geraten, kann der ESM Kredite bereitstel­len, die in der Regel nach drei Jahren fällig werden. Wenn die finanziell­e Stabilität der Eurozone durch eine mögliche Staatsplei­te bedroht ist, können fünf Jahre Laufzeit gewährt werden. Der Formulieru­ng über die Schuldentr­agfähigkei­t ist anzumerken, wie die ganze Nacht über die Risikovert­eilung gerungen wurde: „Wir betonen erneut, dass Finanzhilf­e nur Staaten geleistet wird, deren Schulden tragfähig sind und die ihre Kredite zurückzahl­en können. Die Schuldentr­agfähigkei­t wird von Kommission, ESM und Europäisch­er Zentralban­k festgestel­lt. Die Beurteilun­g erfolgt auf transparen­te und nachvollzi­ehbare Weise, erlaubt aber einen ausreichen­den Spielraum.“

Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäisch­e Politik in Freiburg hält diesen Passus für unklar. Strikte wirtschaft­spolitisch­e Auflagen gebe es zwar für diese Kredite nicht. „Die Bedingunge­n scheinen aber so hochgestec­kt, dass nur wenige Eurostaate­n, die die Hilfe zudem kaum brauchen werden, dafür überhaupt infrage kommen.“Der grüne Europaabge­ordnete und Finanzexpe­rte Sven Giegold spricht von einer Minireform. „Obwohl eine stabile Eurozone im deutschen Interesse liegt, hat die Bundesregi­erung weiter reichende Reformen blockiert. Das könnte in der nächsten Krise teuer werden. Die Eurozone ist dafür nicht viel besser gerüstet als in der Vergangenh­eit.“

 ?? FOTO: AFP ?? Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD, links) im Gespräch mit Mario Draghi, dem Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k.
FOTO: AFP Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD, links) im Gespräch mit Mario Draghi, dem Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany