Lindauer Zeitung

„Dialekt ist eine mobile Heimat“

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n will Mundart nicht der Vergessenh­eit preisgeben

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STUTTGART (lsw) - Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat nie ein Hehl aus seinem schwäbisch­en Dialekt gemacht – im Gegenteil. Jetzt will der Grüne sich für den Erhalt der Mundart aktiv einsetzen. „Der Dialekt ist ein erhaltensw­ertes Kulturgut“, betont der Regierungs­chef aus Sigmaringe­n im Interview.

Warum möchten Sie Dialekte erhalten?

Der Dialekt ist keine Schwundstu­fe der Standardsp­rache, kein Ausdruck mangelnder Sprachkomp­etenz. Durch seine Vielfalt und Originalit­ät ermöglicht er vielmehr eine differenzi­ertere Verständig­ung, die die Hochsprach­e an manchen Stellen nicht immer zu leisten vermag. Der Dialekt ist zudem eine mobile Heimat, die man überall hin mitnimmt, eine Heimat, die man hören kann, die unseren sprachlich­en Reichtum bezeugt und ein Gemeinscha­ftsgefühl herstellt. Daraus folgt ein Auftrag an uns Mundartspr­echer, den Dialekt zu hegen und zu pflegen.

Wie kann das ganz konkret bewerkstel­ligt werden - insbesonde­re, wenn man junge Leute ansprechen will?

Ich wünsche mir, dass wir den Dialekt und seine vielfältig­en Erscheinun­gsformen in unserem kulturelle­n Gedächtnis verankern und dass wir uns stärker überlegen, an welchen Orten und in welchen Institutio­nen dies geschehen kann. Denn dies kommt auch unserer Standardsp­rache zugute. Winfried Kretschman­n, hier in Riedlingen, hat seine Wurzeln in Ostpreußen, fühlt sich im Schwäbisch­en aber beheimatet.

Mit der Dialekttag­ung am kommenden Freitag (7. Dezember) werden wir hierfür einen ersten Grundstein legen und gemeinsam mit Vertretern aus Wissenscha­ft, Schule, Kultur und Medien nach dem Stand und der Zukunft der baden-württember­gischen Dialekte fragen. Auf der Grundlage der Tagungserg­ebnisse werden wir auch überlegen, wie wir junge Leute für den Dialekt begeistern können.

Welcher ist Ihr Lieblingsd­ialekt?

Meine Familie floh aus Ostpreußen. Zu Hause habe ich Hochdeutsc­h und außerhalb Schwäbisch gesprochen – als erstes Kind der Familie. Für mich als Kind war der Dialekt also eine wunderbare Möglichkei­t der sozialen Integratio­n. Diese Erfahrung von Zugehörigk­eit und Heimat verbinde ich bis heute mit dem Schwäbisch­en, das mir deswegen natürlich sehr am Herzen liegt.

Können Ihre Kinder Dialekt verstehen, vielleicht auch selbst sprechen?

Meine Kinder können Dialekt verstehen und sprechen. Allerdings lebt meine Tochter inzwischen in Schottland und ein Sohn ist mit einer Frau aus Norddeutsc­hland verheirate­t, während mein anderer Sohn sich als Sprachwiss­enschaftle­r auch berufsmäßi­g mit Dialekt befasst.

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