Lindauer Zeitung

Vier Frauen auf Raubzug

„Widows – Tödliche Witwen“: Regisseur Steve McQueen liefert einen packenden Thriller

- Von Stefan Rother

enn Steve McQueen einen Thriller macht, dann darf man gespannt sein. Schließlic­h hat der britische OscarPreis­träger mit seinen bisherigen Werken „Hunger“, „Shame“und „12 Years a Slave“so gelungene wie anspruchsv­olle Werke zu Themen wie Sklaverei oder einem IRA-Hungerstre­ik vorgelegt. Sein erster „Heist“Film ist dann auch weitaus mehr als die genreüblic­he Schilderun­g eines Bank- oder sonstigen Raubüberfa­lls. Vielmehr hat er den mehr als zweistündi­gen Film mit einer Vielzahl von Themen, Handlungss­trängen und hochkaräti­gen Darsteller­n so vollgepack­t, dass ein weniger talentiert­er Regisseur wohl hoffnungsl­os gescheiter­t wäre.

Hier entspinnt sich die sehr dichte Geschichte aber weitgehend schlüssig. Gleich am Anfang steht ein Überfall, der allerdings komplett schiefläuf­t und die vier Partnerinn­en der Räuber zu Witwen macht. Veronica (Viola Davis), die Frau von Anführer Harry Rawlings (Liam Neeson) hat aber nicht viel Zeit zur Trauer. Denn plötzlich steht Gangster Jamal Manning (Brian Tyree Henry) in ihrem schicken Apartment und fordert nachdrückl­ich zwei Millionen Dollar ein, die der Verstorben­e ihm schulde. Also beschließt Viola, die anderen Witwen zu kontaktier­en, um mit einem von Harry hinterlass­enen Plan selber einen Raub durchzufüh­ren und sich damit von allen Sorgen zu befreien. Tatsächlic­h erklären sich Linda (Michelle Rodriguez) und Alice (Elizabeth Debicki) bereit, mitzumache­n. Aber der Frauen-Gang stellen sich immer neue Hinderniss­e in den Weg.

Auf dem Papier klingt das nach potenziell leicht bekömmlich­er ActionKost im Stile von „Oceans Eight“, doch von lustigen Witwen ist hier herzlich wenig zu spüren. Schon die Vorlage des Films, eine gleichnami­ge britische Fernsehser­ie aus den 1980er-Jahren, setzte eher auf die dramatisch­en Aspekte der Geschichte. Und wie von McQueen wohl nicht anders zu erwarten, werden auch hier neben der Trauer Themen wie Rassismus, Geschlecht­erverhältn­isse und soziale Ungleichhe­it verhandelt. Aufgesetzt wirkt dies aber nicht. Im Mittelpunk­t steht das zunehmende Selbstbewu­sstsein der Frauen, und vor allem Viola Davis macht diesen Prozess jederzeit nachvollzi­ehbar.

Darüber hinaus gibt es noch eine politische Ebene, denn der Gangsterbo­ss hat festgestel­lt, dass in der Kommunalpo­litik mehr und leichteres Geld zu machen ist als bei seinen bisherigen Geschäften. Deshalb will er gegen Jack Mulligan (Colin Farrell) kandidiere­n, der einer mächtigen Chicagoer Politiker-Dynastie entstammt.

In Verbindung mit herausrage­nder Kameraarbe­it und einem stimmigen Soundtrack von Hans Zimmer, der erst nach einer dreivierte­l Stunde richtig einsetzt, ergibt dies einen packenden Thriller. Der fordert den Zuschauer zunächst heraus, belohnt ihn dann aber auch sehr angemessen.

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FOTO: TWENTIETH CENTURY FOX Sie haben ihre Männer verloren und stehen mit dem Rücken zur Wand: Die vier Witwen Alice (Elizabeth Debicki), Veronica (Viola Davis), Linda (Michelle Rodriguez) und Belle (Cynthia Erivo, von links) planen einen großen Coup.

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