Lindauer Zeitung

Der richtige Kandidat für die Schwester

Die Wahl des neuen CDU-Parteichef­s entscheide­t auch über das Verhältnis zur CSU

- Von Marco Hadem und Christoph Trost

MÜNCHEN/BERLIN (dpa) - Mit den angekündig­ten Rücktritte­n von CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer steht die Union vor einer Zeitenwend­e. Während bei den Christsozi­alen der Nachfolger mit Ministerpr­äsident Markus Söder schon mangels Konkurrenz faktisch gesetzt ist, buhlen bei den Christdemo­kraten am heutigen Freitag gleich mehrere Kandidaten um das wichtige Amt. Doch welcher der drei wohl aussichtsr­eichsten Bewerber Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbaue­r – kurz AKK – passt am besten zur bayerische­n Schwesterp­artei?

Keine Frage, das Verhältnis zwischen weiten Teilen der CSU und Merkel ist seit Jahren nicht das beste. Noch immer werfen ihr – vornehmlic­h Vertreter des rechtskons­ervativen CSU-Flügels – Fehlentsch­eidungen zulasten Bayerns bei der Flüchtling­skrise 2015 vor. Gern ist in dem Kontext dann an Stammtisch­en und darüber hinaus von einer „Ursünde“die Rede, die das Vertrauen irreparabe­l beschädigt hat. Da wundert es nicht, dass schon Merkels angekündig­ter Verzicht für die Neuwahl des CDU-Chefposten­s in der CSU für Erleichter­ung gesorgt hat. „Damit hat sie wie in der CDU auch bei uns viel Druck vom Kessel genommen“, sagt ein Parteivors­tand. Die Hoffnung sei groß, dass mit einem personelle­n Wechsel das strapazier­te Grundvertr­auen unter den Unionsschw­estern wieder besser wird. „Da ist in den vergangene­n Jahren zu viel passiert, all das Negative hat sich mit dem Namen Merkel ins Gedächtnis der Partei gebrannt.“

Wie in der CDU gibt es auch in der CSU nicht „den“einen Wunschkand­idaten für die Merkel-Nachfolge. Jeder Bewerber – Spahn, AKK und Merz – stößt auch bei der bayerische­n Schwester auf Befürworte­r wie Kritiker. Zur Wahrheit gehört auch, dass niemand so recht an einen Sieg des 38-jährigen Bundesgesu­ndheitsmin­isters glauben mag, auch wenn er seit Jahren eine Freundscha­ft zu Söder und eine Nähe zur CSU pflegt. „Für ihn kommt das jetzt noch zu früh, aber ihm gehört die Zukunft“, sagt ein hoher Funktionär.

Ob jetzt Merz oder doch AKK Parteichef würden, sei nur zweitrangi­g. „Jeder hat für uns Vor- und Nachteile“, sagt ein CSU-Funktionär, der alle Bewerber gut kennt. Entscheide­nder sei, dass sich die CDU nach 18 Jahren Merkel neu aufstelle und so die seit Jahren festgefahr­ene Machtarchi­tektur neu justiert werde. Dies gelte mit Blick auf die Stabilität der aktuellen Bundesregi­erung. Denn künftig dürften hier mit Merz oder AKK sowie Söder gleich zwei neue Parteichef­s im Koalitions­ausschuss Platz nehmen, die weder Mitglieder des Kabinetts noch des Bundestage­s sind. In der CSU wird dies als strategisc­her Vorteil angesehen, da es ein Kräfteverh­ältnis auf Augenhöhe bedeute.

Hoffen auf ein konservati­ves Profil

Darüber hinaus, so die Erwartunge­n in der CSU, werde sich die CDU mit Merz wie mit AKK wieder auf ein konservati­veres Profil besinnen. „Beide orientiere­n sich mehr an den Werten, die auch die CSU hochhält“, heißt es aus der CSU-Spitze. Dadurch werde es – anders als bei Merkel und Seehofer – mehr inhaltlich­e Übereinsti­mmung geben, ohne dass es wie in der Asylpoliti­k immer einen großen Streit gebe, der in den letzten Jahren auch durch persönlich­e Eitelkeite­n bestimmt wurde. Für Merz spreche inhaltlich und persönlich, dass er sicher in der Innen- und Asylpoliti­k noch näher am Kurs der CSU anzusiedel­n sei, heißt es in der CSU. Gegen ihn spreche seine Fokussieru­ng auf die Interessen des Wirtschaft­sflügels und sein Verständni­s der „alten Unionsidee“. Mit KrampKarre­nbauer an der Spitze hätte die Union den Vorteil, wie bei Merkel, dass sie gesellscha­ftlich ein breiteres Publikum anspreche, skeptisch stimme die Konservati­ven dagegen die Nähe der Saarländer­in zu Merkels Asylpoliti­k.

Für die Zukunft von CDU und CSU in der Unionsfami­lie ist aber nicht nur entscheide­nd, wer CDUChef und damit wohl logischerw­eise auch nächster Kanzlerkan­didat wird. Umgekehrt – heißt es aus der CDU – sei auch entscheide­nd, wie sich der Seehofer-Nachfolger Söder in Berlin verhalte. Seine Ankündigun­g, „die gemeinsame Substanz mit der CDU“stärker betonen zu wollen, wurde in der CDU zwar wohlwollen­d wahrgenomm­en. „Bis da aber wieder ein Vertrauen entsteht, wird es noch dauern“, sagt ein CDU-Präsidiums­mitglied. Damit ist klar: Die gegenseiti­ge Skepsis abzubauen wird für beide Chefs beider Schwestern eine der größten Herausford­erungen.

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