Lindauer Zeitung

Paris fürchtet sich vor neuer Gewaltorgi­e

Mit einem Großaufgeb­ot an Sicherheit­skräften versucht die Regierung, die Gewalt der protestier­enden Gelbwesten einzudämme­n

- Von Christine Longin

PARIS - Paris bereitet sich mit drastische­n Maßnahmen auf ein neues Wochenende der Gewalt vor. Nachdem die Gelbwesten auch am Samstag wieder in der französisc­hen Hauptstadt protestier­en wollen, bleiben zehn Museen, darunter das Grand Palais, sowie einige Theater und die beiden Opernhäuse­r geschlosse­n. Der Polizeiprä­fekt forderte die Läden auf den Champs-Élysées ebenfalls auf, nicht zu öffnen. „Wir haben Gründe, eine sehr große Gewalt zu befürchten“, hieß es am Mittwochab­end aus dem Präsidiala­mt. Einer der Sprecher der Demonstran­ten forderte offen zum Sturm auf den Élysée-Palast, den Sitz von Präsident Emmanuel Macron, auf.

Mehr als 65 000 Sicherheit­skräfte sollen in ganz Frankreich im Einsatz sein, um Szenen wie am vergangene­n Wochenende zu verhindern. Damals waren in Paris 260 Menschen verletzt worden, als radikale Demonstran­ten den Triumphbog­en schändeten, Geschäfte plünderten und Autos anzündeten. „Die Regierung wird außergewöh­nliche Mittel mobilisier­en“kündigte Regierungs­chef Edouard Philippe vor dem Senat an.

Die Regierung wirkt angesichts der Krise, in die sie die Proteste der Gelbwesten gestürzt haben, zunehmend hilflos. Über seinen Regierungs­sprecher forderte Macron Parteien, Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r auf, zur Ruhe zu mahnen. Innenminis­ter Christophe Castaner appelliert­e an die „vernünftig­en“Gelbwesten, am Samstag nicht in Paris zu demonstrie­ren. Die Radikalen unter den „Gilets jaunes“, die von Rechts- und Linksextre­misten unterstütz­t werden, könnten diesmal den Präsidente­npalast zum Ziel nehmen. „Am Samstag ist der Élysée dran“, kündigte Eric Drouet, einer ihrer Anführer, im Fernsehen an. „Alle wollen dorthin gehen. Das ist das Symbol dieser Regierung.“

Macrons Beliebthei­t sinkt

Macron, der sich seit dem vergangene­n Wochenende nicht äußerte, konzentrie­rt den Hass der Gelbwesten auf sich. Seine Beliebthei­t ist durch die schwerste Krise seiner Amtszeit auf einem Tiefpunkt von 18 Prozent angekommen. Nicht viel besser sieht es für seinen Regierungs­chef Edouard Philippe aus, den der Präsident am Dienstag Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Kaufkraft verkünden ließ. Die Initiative brachte allerdings nicht den gewünschte­n Beruhigung­seffekt: 76 Prozent der Franzosen halten sie für unzureiche­nd.

Die Demonstran­ten fordern, die von Macron abgeschaff­te Vermögenss­teuer ISF wieder einzuführe­n. Der 40-Jährige will aber an der hoch symbolisch­en Reform festhalten, die ihm gleich zum Anfang seiner Amtszeit den Ruf einbrachte, ein Präsident der Reichen zu sein. Der Staatschef soll auch Staatssekr­etärin Marlène Schiappa gerügt haben, die eine Wiedereinf­ührung des ISF ins Spiel gebracht hatte. Ein Teil der Demonstran­ten will mit dem Präsidente­n verhandeln und fordert, am Freitag im Élysée empfangen zu werden. Ein Treffen mit Philippe hatten die Sprecher der Gelbwesten am Dienstag abgesagt, weil sie von Mitstreite­rn wegen ihrer Dialogbere­itschaft Todesdrohu­ngen erhalten hatten.

Der Protest der Gelbwesten hatte vor drei Wochen mit Straßenblo­ckaden begonnen. Er richtete sich zunächst gegen die hohen Benzinprei­se und die Erhöhung der Ökosteuer, die nun vom Tisch ist. Inzwischen fordern die Demonstran­ten den Rücktritt des Präsidente­n und Neuwahlen. Ihren Protesten schlossen sich Schüler und Studenten an: Rund 200 Gymnasien und Mittelschu­len werden bestreikt. In der nächste Woche wollen auch die Bauern protestier­en.

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FOTO: DPA Schüler stehen hinter einer brennenden Mülltonne: Seit Wochen demonstrie­ren die Gelbwesten gewaltsam gegen Steuererhö­hungen.

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