Jetzt kann jeder ein Torkelknecht sein
Zwei Schweizer Studenten haben den Nonnenhorner Torkel digitalisiert – die ersten Tester sind begeistert
-● Der Nonnenhorner NONNENHORN Torkel gehört zu den ältesten der Bodenseeregion. Die mehr als 400 Jahre alte, denkmalgeschützte Weinpresse wird zwar nicht mehr benutzt, sie zeigt aber, wie Winzer früher gearbeitet haben. Zwei Studenten einer Schweizer Universität haben den Torkel jetzt erlebbar gemacht. Für ihre Bachelorarbeit übertrugen sie ihn in die virtuelle Realität. Damit kann jeder zu einem Torkelknecht werden.
Dass die Studenten Dominik Traxler und Philippe Croset gerade den Nonnenhorner Torkel ausgesucht haben, geht unter anderem auf die Kappe von Frieder Hartmut Beyer. Er hatte seinem befreundeten Professor Josef Althaus vorgeschlagen, die Digitalisierung des Torkels zum Bachelor-Arbeits-Thema zu machen. Vorgestellt haben die Studenten ihre Arbeit beim Digitaltag in Vaduz.
Frieder Hartmut Beyer aus Hege und Wolfgang Achberger aus Nonnenhorn waren dabei – und die beiden Senioren sind begeistert. „Die Funktion eines Torkels ist äußerst interessant“, sagt Beyer, ehemaliger Geschäftsführer von Liebherr-Aerospace in Lindenberg. Der Diplomingenieur erzählt, dass er vor knapp fünf Jahren einmal eine Führung durch den Nonnenhorner Torkel mitgemacht, die Technik dahinter aber nicht ganz verstanden habe.
Wolfgang Achberger bestätigt: „Es ist sehr schwierig, rüberzubringen, wie ein Torkel funktioniert.“Der fachfremde Besucher könne sich das kaum vorstellen. „Selbst Fachleute verstehen zum Teil nicht, was da für Kräfte auftreten.“
Traxler und Croset, die an der interstaatlichen Hochschule für Technik in Buchs studiert haben, haben genau diese Kräfte ausgemessen. Allerdings nicht am Originaltorkel, sondern am einem Modell, das dem Nonnenhorner Ulrich Höscheler gehört. „Der reale Torkel hat zu viele naturgeformte Flächen, darum wäre es zu aufwendig gewesen, die Berechnungen am realen Torkel durchzuführen“, schreiben die beiden in ihrer Bachelorarbeit. Trotzdem sind sie nach Nonnenhorn gefahren, um sich die 400 Jahre alte Weinpresse anzuschauen. „Wir wollten ein Gefühl für die Mächtigkeit des Torkels bekommen“, sagt Dominik Traxler im Gespräch mit der Lindauer Zeitung.
Aus dem Gefühl heraus viel richtig gemacht
Für Achberger und Beyer ist der Weintorkel ein Faszinosum: „Die Winzer damals haben aus dem Gefühl heraus vieles richtig gemacht“, sagt Beyer. Und das nicht erst vor 400 Jahren. Die älteste Nennung eines Torkels soll schon aus einem Lexikon aus dem Jahre 24 nach Christus stammen.
Die Griechen, die Erfinder des Torkels, bedienten sich eines einfachen Gesetzes, dem Hebelgesetz. Mit den Römern und Kelten kam das Torkeln an den Bodensee. Mehrere große Eichenholzbalken werden auf einer Seite mithilfe einer Spindel nach oben geschraubt. Weil die bis zu 15 Meter langen Balken auf einem sogenannten Esel in der Mitte aufliegen, senken sich die schweren Holzbalken ab. So wird ein Druck mit einer Kraft von bis zu 40 Tonnen auf die Trauben ausgeübt, die in einem rechteckigen Becken liegen.
Etwa acht Stunden dauerte ein Pressvorgang mit einem Torkel, dabei wurden zwei Knechte benötigt, die den Pressbengel bedienten. Wie sich ein Torkelknecht gefühlt haben muss, kann nun jeder erleben, der die virtuelle Weinpresse von Domink Traxler und Philippe Croset ausprobiert. Die beiden Studenten haben Pressbengel und Spindel des Nonnenhorner Torkels nachgebaut. „Er ist bei uns 1,2 Meter lang, in echt ist er zwei Meter lang“, sagt Traxler. Der Bengel ist auf einem Weinfass befestigt, in dem ein Großteil der Technik für das virtuelle Erlebnis steckt.
Wer den Bengel nun bedient und dabei eine sogenannte Virtual-Realitiy-Brille trägt, sieht dieses Fass allerdings nicht. Mit einer speziellen Software haben Traxler und Croset den kompletten Nonnenhorner Torkel samt passender Umgebung – ein mittelalterliches Dorf – nachgebaut. „In Wirklichkeit steht der Torkel nicht unter freiem Himmel“, schreiben die Studenten, „jedoch wird es in einem Unterstand schnell zu dunkel, weshalb darauf verzichtet wurde.“ Während die modernen Torkelknechte die Presse bedienen, können andere den virtuellen Pressvorgang an einem Bildschirm verfolgen.
„Das Ergebnis ist fantastisch geworden“, schwärmt Ingenieur Frieder Hartmut Beyer, der den virtuellen Torkel in Liechtenstein ausprobiert hat. Und Achberger ergänzt: „Der Nonnenhorner Torkel war der Blickfang in Vaduz.“