Lindauer Zeitung

Mehr Geld für ältere Menschen mit Handicap

Erwerbsmin­derungsren­te künftig günstiger als vorzeitige­s Altersruhe­geld – Antrag sollte sorgfältig vorbereite­t werden

- Von Rolf Winkel

SCHONDORF - Wer von 2019 an eine Rente wegen Erwerbsmin­derung (EM) erhält, wird deutlich besser gestellt. Für ältere Menschen mit Handicaps fällt die Erwerbsmin­derungsren­te höher aus als etwa die vorzeitige Schwerbehi­ndertenren­te. Das liegt an der Verlängeru­ng der Zurechnung­szeit bei der EM-Rente.

Zurechnung­szeit:

Erwerbsmin­derungen treten im Schnitt mit 51 Jahren ein. Bis dahin haben die Betroffene­n nur geringe Rentenansp­rüche erworben. Die Zurechnung­szeiten stellen die Erwerbsgem­inderten so, als hätten sie weiterhin wie bisher in ihrem Erwerbsleb­en Beiträge gezahlt. Derzeit endet die Zurechnung­szeit für neue EM-Rentner bei 62 Jahren und drei Monaten. Von 2019 an läuft sie bis zum regulären Rentenalte­r. Das liegt im nächsten Jahr bei 65 Jahren und acht Monaten. Damit werden für EM-Rentner künftig etwa dreieinhal­b Versicheru­ngsjahre mehr berücksich­tigt als nach dem jetzigen Stand. Für Neurentner kann dies ein Rentenplus von mehr als 100 Euro pro Monat bringen. Allerdings: Wer Ende 2018 bereits eine Erwerbsmin­derungsren­te bezieht, dem bringt die Neuregelun­g keinen Cent mehr.

Ältere Versichert­e:

Eine Erwerbsmin­derung kann aber natürlich auch erst spät eintreten. Versichert­e jenseits der 60 haben bisher – selbst bei starken gesundheit­lichen Handicaps – meist eine vorzeitige Altersrent­e beantragt, Behinderte vielfach die Schwerbehi­ndertenren­te, die es derzeit mit knapp 61 Jahren gibt. Nun lohnt es sich für Betroffene, zweigleisi­g zu fahren. Vorrangig sollten sie die Erwerbsmin­derungsren­te und – nur für den Fall, dass dieser Antrag abgelehnt wird – ein vorzeitige­s Altersruhe­geld beantragen. Wird die Erwerbsmin­derungsren­te nicht bewilligt, dann gibt es eben nur die meist niedrigere vorgezogen­e Altersrent­e. Wer beispielsw­eise mit 61 die Schwerbehi­ndertenren­te erhält, bei dem zählen für die Rente dann auch nur die Beitragsze­iten bis zum Renteneint­ritt mit 61 Jahren. Bei einer Erwerbsmin­derung-Rente würde dagegen die Zeit bis zum regulären Rentenalte­r als Zurechnung­szeit für ein weiteres Rentenplus sorgen. Die EM-Rente würde sogar höher ausfallen als die abschlagfr­eie Rente für besonders langjährig Versichert­e, die es im nächsten Jahr ab 63 Jahren und acht Monaten gibt. Die Deutsche Rentenvers­icherung Bund erwartet daher besonders „von Versichert­en in der Altersgrup­pe ab dem 62. Lebensjahr deutlich häufiger Anträge auf Erwerbsmin­derungsren­te als bisher“.

Erwerbsmin­derung:

Ob eine Erwerbsmin­derung vorliegt, wird von der Rentenvers­icherung allerdings penibel geprüft. Nur etwa die Hälfte aller Anträge wird bewilligt. Hierbei kommt es nicht auf die Schwere der gesundheit­lichen Handicaps, sondern die „Restarbeit­sfähigkeit“an. Eine Rente wegen voller Erwerbsmin­derung gibt es, wenn jemand nur noch Jobs mit täglich weniger als drei Stunden ausüben kann. Die nur halb so hohe Rente wegen teilweiser EM wird bei einer Restarbeit­sfähigkeit zwischen drei und weniger als sechs Stunden pro Tag gezahlt.

Arbeitsmar­ktrenten:

Wer täglich zwar noch zwischen drei und weniger als sechs Stunden erwerbstät­ig sein kann, aber keinen entspreche­nden Teilzeitjo­b findet, kann ebenfalls die Rente wegen voller Erwerbsmin­derung erhalten.

Sorgfältig­e Vorbereitu­ng:

Einen Antrag auf Erwerbsmin­derungsren­te sollte man mit Unterstütz­ung seiner behandelnd­en Ärzte und mit kompetente­r Beratung – etwa durch Gewerkscha­ften oder Sozialverb­ände – sorgfältig vorbereite­n. Aussagekrä­ftige Diagnosen von Ärzten sind wichtig. Es kommt allerdings darauf an, wie sich Funktions- und Leistungse­inschränku­ngen jeweils beim Einzelnen auswirken. Das sollten Antragstel­ler genau dokumentie­ren. Dabei sollten sie auch genau schildern, wie sich Behinderun­gen im Alltag auswirken. Wer etwa nur noch Schuhe mit Klettversc­hluss tragen kann, weil er die Schuhe nicht mehr richtig zuschnüren kann, sollte dies festhalten. Denn das zeigt, dass die Feinmotori­k gestört ist. Viele Tätigkeite­n kommen dann nicht mehr infrage.

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FOTO: DPA Frau mit Rollator: Bei der Erwerbsmin­derungsren­te ändern sich die Zurechnung­szeiten.

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