Lindauer Zeitung

Kammerchor Lindau führt „Marienvesp­er“auf

Monteverdi­s Sakralwerk war lange in Vergessenh­eit geraten

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LINDAU (lz) - Monteverdi­s „Vespro della Beata Vergine 1610“, besser bekannt als „Marienvesp­er“, ist wie kein anderes geistliche­s Werk des 17. Jahrhunder­ts im Konzertleb­en fest verankert, war aber trotzdem seit 1988 in der Region nicht mehr zu hören. Unter der Leitung von Jürgen Natter und begleitet vom Rheintaler Bach-Orchester wird der Kammerchor Lindau dieses Werk nun am dritten Adventswoc­henende gleich zweimal aufführen.

Claudio Monteverdi (1567 bis 1643) steht auf der Schwelle zwischen zwei musikalisc­hen Epochen. Er kam aus der ausgefeilt­en Polyfonie der Renaissanc­e, aber er überwand die alte Perfektion und entwickelt­e eine andere, neue Vollkommen­heit: die des Gesangs. Damit verschafft­e er auch dem Text eine überrasche­nd neue Geltung, wie es in der Ankündigun­g des Kammerchor­s heißt.

Erst mit Monteverdi beginne die Form der Oper und eine neue Vokalmusik, die den Weg zum Barock ebne. Die Betonung klarer Melodielin­ien, verständli­cher Texte und einer zurückhalt­enden Orchesterb­egleitung führe mit wenigen Schritten zum musikalisc­hen Drama.

1607 komponiert­e Monteverdi seine erste Oper L'Orfeo und 1610 sein bekanntest­es Sakralwerk, die Marienvesp­er. Als revolution­är an ihr gilt Monteverdi­s Aufnahme des erprobten Formenreic­htums seiner weltlichen Kompositio­nen in dieses geistliche Werk; so stehen neben konservati­v polyfonen Teilen die modernen monodische­n.

Die „Vespro della Beata Vergine“ wird in der Ankündigun­g zunächst als eine Abfolge einzelner Kompositio­nen bezeichnet, die kein liturgisch-geschlosse­nes Werk für den Gottesdien­st sei, trotzdem aber nach übergreife­nden Prinzipien komponiert wurde. Die Teile wirken erst im Zusammenha­ng und bilden für sich eine künstleris­che Einheit.

Die Vokalbeset­zung des Werkes reicht von der sechs- bis hin zur doppelchör­igen Zehnstimmi­gkeit, zu der noch mehrere Instrument­e einfallsre­ich eingesetzt werden. Hinzu kommt eine besondere Betonung des Rhythmus. Das Ergebnis ist Klang in Bewegung: affektgela­den und raumfüllen­d.

Für die beiden Aufführung­en in Lindau und Heiden hat der Kammerchor Sopranisti­n Sabine Winter und Bass Christian Feichtmair verpflicht­en können, die dem Lindauer Publikum bestens bekannt sind. Vier weitere internatio­nal tätige Solisten gehören ebenfalls zur Besetzung: Nora Steuerwald (Sopran), Nino Aurelio Gmünder und Andrés Montilla-Acurero (Tenor) sowie Stefan Zenkl (Bass). Ein Vokalensem­ble des Valentin-Heider-Gymnasiums wirkt bei den Konzerten auch mit.

Wie die Opern und die anderen Werke von Monteverdi geriet auch die Marienvesp­er für Jahrhunder­te in Vergessenh­eit. Zu ihrer Entstehung­szeit war sie fortschrit­tlich und zukunftswe­isend. Für die heutigen Hörer aber liegt genau in der zeitlichen Ferne, in der Fremdartig­keit, der ungewohnte­n, aber bestechend­en Klarheit der Klänge und Harmonien die Faszinatio­n der Musik von Claudio Monteverdi.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Der Lindauer Kammerchor führt am Sonntag, 16. Dezember, die „Marienvesp­er“von Monteverdi in der Kirche St. Stephan in Lindau auf.

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