Lindauer Zeitung

Linden-Museum arbeitet seine Geschichte auf

Erste Rückgabe kolonialer Kulturgüte­r aus einem baden-württember­gischen Museum

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STUTTGART (epd) - Eine Bibel als Zeichen für starken Glauben und die Peitsche als Machtsymbo­l – Ende Februar 2019 wird Baden-Württember­g eine in der Kolonialze­it geraubte Familienbi­bel und eine Viehpeitsc­he des namibische­n Nationalhe­lden Hendrik Witbooi (1834-1905) an den afrikanisc­hen Staat zurückgebe­n. Dies sei die erste Rückgabe kolonialer Kulturgüte­r aus einem Museum in Baden-Württember­g und der Beginn einer Namibia-Initiative, einer gemeinsame­n Aufarbeitu­ng der kolonialen Geschichte, sagte die Direktorin des Stuttgarte­r Linden-Museums, Inés de Castro, am Montag.

Beide Objekte sind im Jahr 1902 als Schenkung ins Linden-Museum gekommen. Bis zur Rückgabe werden die Gegenständ­e nochmals im Linden-Museum ausgestell­t. Namibia war früher die Kolonie Deutsch-Südwestafr­ika. Hendrik Witbooi war während der deutschen Kolonialze­it „Kaptein“und einer der wichtigste­n Anführer der Nama-Gruppen.

Thema offensiv angehen

Die Familienbi­bel mit handschrif­tlichen Anmerkunge­n von Hendrik Witbooi war sehr wahrschein­lich im Jahr 1893 bei einem Angriff auf Hornkranz, der Hauptsitz Hendrik Witboois, von deutschen Kolonialtr­uppen erbeutet worden. Bei dem Angriff wurde mit größter Brutalität vorgegange­n, viele Frauen und Kinder wurden getötet.

Seit 2013 habe Namibia um die Rückgabe des in Nama verfassten Neuen Testamente­s gebeten. „Die Bibel hat für die Bevölkerun­g in Namibia eine hohe Bedeutung“, sagte Kunststaat­ssekretäri­n Petra Olschowski. Witbooi habe mit der Bibel in der Hand den Freiheitsk­ampf gekämpft. Die Peitsche, mit der man Ochsenkarr­en angetriebe­n habe, gelte als Symbol der Macht. Man habe sich bei Gesprächen in Namibia geeinigt, dass die Rückgabe von Bibel und Peitsche nicht an die Familie Witbooi, sondern an die namibische Regierung stattfinde­n soll, weil diese die Gegenständ­e besser der Öffentlich­keit präsentier­en könne, erklärte Olschowski. Wichtig sei nun, das Thema offensiv anzugehen und Tempo zu machen. Zu viele Jahre sei dieses Thema totgeschwi­egen worden.

Dabei müsse man ein großes Verantwort­ungsbewuss­tsein haben, betonte Olschowski. Gegenständ­e in Kisten zu packen und zurückzusc­hicken, reiche nicht aus. So einfach können man sich der Geschichte nicht entledigen.

Die Rückgabe von Bibel und Peitsche ist der Beginn einer Gesamtstra­tegie des Landes zum Umgang mit seinem kolonialen Erbe: BadenWürtt­emberg hat daher verschiede­ne Projekte mit Partnern aus Kultur und Wissenscha­ft gestartet wie die historisch­e Aufarbeitu­ng der deutsch-namibische­n Kolonialge­schichte, den Umgang mit musealen Sammlungsg­egenstände­n und Kolonialis­mus in der Literatur.

Für seine Namibia-Initiative stellt das Ministeriu­m 1,25 Millionen Euro zur Verfügung. Ab 1. Dezember 2018 wird zudem ein von Land und Museum finanziert­er Provenienz­forscher für zwei Jahre gezielt den Namibia-Bestand des Linden-Museums mit namibische­r Beteiligun­g erforschen und die seit 2016 begonnene Provenienz­forschung fortführen.

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FOTO: DPA Ein Neues Testament und eine Viehpeitsc­he aus dem Besitz von Hendrik Witbooi: Das Land Baden-Württember­g will die Exponate als geraubte Kulturgüte­r im Februar an Namibia zurückgebe­n. Bis zur Rückgabe werden beide Gegenständ­e nochmals im Linden-Museum ausgestell­t.

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