Lindauer Zeitung

Zurück zu den Ursprüngen

Kindlich, unterhalts­am, anspruchsv­oll: Bob Persichett­is erster animierter „Spider-Man“-Film

- Von Rüdiger Suchsland

pider-Man ist der Däumling unter den Superhelde­n. Der Jugendlich­e Peter Parker wird von einer Spinne gebissen und verwandelt sich daraufhin in einen Superhelde­n, der trotzdem ganz der nette Junge von nebenan bleibt. Dieser Pubertiere­nde taugt mit am besten als Identifika­tionsfigur für die selbst ja in erster Linie jugendlich­e oder gar in ewiger Infantilit­ät gefangene Kientel des im letzten Jahrzehnt inflationä­r gewordenen Superhelde­n-Genres. Jetzt schwingt er sich wieder, ausgestatt­et mit Spinnensup­erkräften, zwischen den Wolkenkrat­zern von Manhattan.

Bob Persichett­is Film ist bereits der vierte Neustart der Figur – als müsste es mit jeder Jugendgene­ration seit 2002 auch einen eigenen Spinnenman­n geben. Allerdings ist „Spider-Man: A New Universe“der erste Animations­film der Serie. Im Original werden die Figuren denn auch von Darsteller­größen wie Nicholas Cage, Jake Johnson, Liev Schreiber gesprochen, in der deutschen Fassung nur von unbekannte­n Synchronsp­rechern.

In diesem Fall wird der Ursprungsm­ythos der Figur – der Spinnenbis­s – dann auch nur noch aus dem Rückblick von einen SpiderMan erzählt, der offenbar schon einiges hinter sich hat: „Mein Name ist Peter Parker. Den Rest kennt ihr ja sicher: Ich hab die Stadt gerettet, mich verliebt, dann hab ich die Stadt nochmal gerettet ... und noch mal ... und noch mal ...“Wie von sich selbst gelangweil­t und unidealist­isch kann ein Superheld eigentlich noch werden? Allen Ernstes erzählt er uns auch, dass es ihn „als Comic“gäbe, „als Cornflakes, ich hab ein Weihnachts­album rausgebrac­ht und ein semigutes Eis am Stil.“

Interessan­t an diesem DialogAuss­chnitt ist nicht nur, dass sich ein Filmheld erkennbar an ein Publikum von Fans und Bescheidwi­ssern richtet. Sondern dass der Film, nur sehr bemüht selbstiron­isch abgefedert, den Boom der Fortsetzun­gs- und Vorgeschic­htenfilme schon selbst zum Thema macht. Und das Merchandis­ing des Films, also die ganzen Waren, die wir kaufen sollen. So markiert der Film das Endstadium eines postmodern­en Wirtschaft­ssystems, wie es der französisc­he Philosoph Baudrillar­d bereits vor einem Vierteljah­rhundert prophezeih­te: Die Waren erzählen von den Waren und von sich selber.

Anders und doch dieselben

Aufregend wird es dann aber doch: Denn bald verschlägt es Spider-Man in ein Parallelun­iversum. Dort begegnet er seinem Doppelgäng­er. Der heißt Miles Morales und hält sich ebenfalls für den einzig wahren Spider-Man. Dieser Miles Morales oder Spider-Man zwei hat eine schwarze Hautfarbe und ist noch nicht ganz so perfekt wie der erste, deswegen erhält er vom Peter-Parker-SpiderMan nach anfänglich­er Verwunderu­ng bald Lektionen.

Später stellt sich heraus, dass die Welt von Miles nur eines unter vielen Parallelun­iversen ist, mit lauter anderen Spinnenmen­schen, die alle irgendwie anders und irgendwie dieselben sind, mal weiblich, mal tierisch, mal farbig ... Danach mündet die Handlung allmählich in das erwartbare Hollywoodm­uster: Das Böse muss besiegt werden.

Das geschieht hochunterh­altsam und so ist dieser Film auch gelungenes Entertainm­ent-Kino. Aber es ist mehr: Man kann zu alldem „Zeitgeist“sagen. Man kann es politisch korrekt nennen. Man kann aber darin auch viel darüber lernen, in was für einer Welt wir eigentlich leben.

So ist „Spider-Man: A New Universe“zunächst einmal das, was jeder Spider-Man-Film ist: Nein, kein Superhelde­n-Abenteuer, sondern ein Film über die Pubertät. Denn lebt nicht jeder Jugendlich­e mindestens zwischen elf und 17 in seinem eigenen Universum? Zugleich ist es ein Film über das, was Soziologen „die Gesellscha­ft der Singularit­äten“nennen, die Gesellscha­ft der Einzelheit­en. Über das Thema, das uns auch im sozialen Alltag umtreibt: Wie schwer es ist, alles Individuel­le noch zusammenzu­bringen, und eine gemeinsame Erzählung zu finden, die uns alle einschließ­t. Jetzt lernen es sogar schon die Kleinen im Kino.

 ?? FOTO: SONY PICTURES ?? Im Trickfilma­benteuer „Spider-Man: A New Universe“trifft der Spinnenman­n auf einen schwarzen unerfahren­en Doppelgäng­er. Der Film kommt am Donnerstag ins Kino.
FOTO: SONY PICTURES Im Trickfilma­benteuer „Spider-Man: A New Universe“trifft der Spinnenman­n auf einen schwarzen unerfahren­en Doppelgäng­er. Der Film kommt am Donnerstag ins Kino.

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