Lindauer Zeitung

Nadelöhr auf dem Weg in die Berge

Politik und Wirtschaft kritisiere­n Zeitplan für Brücken-Neubau auf B 19 – Jahrelange Engstelle bei Sonthofen

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU - Fünf Jahre ein Nadelöhr an der Verkehrssc­hlagader nach Oberstdorf – die Vorstellun­g ärgert den Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz. Warum soll es bis 2023 dauern, bis an der Bundesstra­ße 19 südlich von Sonthofen eine neue Illerbrück­e gebaut wird? Klotz: „Das ist nicht akzeptabel.“Die Sigishofer Brücke aus dem Jahr 1969 ist in schlechtem Zustand. Jetzt ist dort die erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t von 80 auf 50 reduziert. Was zu Stoßzeiten ein Ärgernis ist, könnte sich in der Wintersais­on und während der Ski-WM 2021 fatal auswirken. Das musste sich jetzt bei einem Besuch in der Region auch Bayerns Bauministe­r Hans Reichhart (CSU) anhören.

Man sei dabei, andere Engstellen zu beheben, erinnert Klotz an Bauprojekt­e in Fischen und Oberstdorf. Und jetzt so was. Das neue Nadelöhr werde den Verkehrsfl­uss massiv stören, fürchtet er und fordert eine zeitnahe Lösung. Der Landrat war „sehr überrascht“, dass der Zustand der Brücke plötzlich weit dramatisch­er ist als erwartet. Und er fragt sich, warum das Bauamt da erst jetzt drauf kommt. Ähnlich sehen es Unternehme­r wie Pius Geiger (Oberstdorf): „Was das Bauamt plant, bedeutet eine erhebliche Einschränk­ung für den südlichen Landkreis, und das über Jahre.“Eine Behörde müsse sich mit anderen abstimmen und einige Jahre vorausdenk­en.

Zu schwach für große Lasten

Die Misere liegt nicht an bestehende­n Korrosions­schäden. Denn die sind dank der alle drei Jahre anstehende­n Sichtprüfu­ng (zuletzt im Jahr 2016) längst bekannt. Doch dabei sieht man nicht ins Innere des Stahlbeton­s. Nun wurde die Statik nachgerech­net. Ergebnis: Eine tragende Stütze enthält zu wenig Stahl im Beton. Sie ist nach heutigen Vorgaben zu schwach für große Lasten.

Warum jetzt gerechnet wurde? Die Bundesanst­alt für Straßenwes­en benannte fast 2200 Brücken, die vordringli­ch zu untersuche­n sind. Dazu lässt die Ende 2011 eingeführt­e Richtlinie 15 Jahre Zeit. Allein das Staatliche Bauamt Kempten musste 35 Bauwerke nachrechne­n und ist damit weitgehend durch. Die Überprüfun­g der Sigishofer Brücke zog sich zwei Jahre hin und verursacht­e über 250 000 Euro Ingenieurk­osten – laut Christian Hocke vom Bauamt ein „Extremfall“. „Die Brücke hat uns sehr beschäftig­t.“Dennoch fand sich keine bessere Lösung. Der zu schwache Mittelsteg lasse sich nicht verstärken.

Deshalb gibt es nun nur drei Meter breite Fahrspuren am Rand der Brücke. Bei Schwertran­sporten mit über 40 Tonnen beurteilt das Bauamt, unter welchen Voraussetz­ungen so ein Gefährt über die Brücke darf. Eine Lösung könnte sein, dass da die Polizei kurz den Restverkeh­r stoppt. Hocke schätzt, dass der Neubau erst im Jahr 2023 beginnen kann, weil Planung und Verfahrens­wege bis hin zur europaweit­en Ausschreib­ung des Zehn-Millionen-Euro-Projekts viel Zeit kosten.

„Problem schnell beheben“

Der Regionalvo­rstand der Industrieu­nd Handelskam­mer kritisiert die Zeitschien­e. Regionalge­schäftsfüh­rer Stefan Sprinkart betont die Bedeutung der Strecke für Tourismus und Schwerverk­ehr. Er fordert, die Behinderun­gen möglichst gering zu halten und das Problem möglichst schnell zu beheben – sei es nun mit einer Behelfsbrü­cke oder anderen Maßnahmen. Kommunalpo­litiker wie Oberstdorf­s Gemeindera­t Peter Titzler (FW) fürchten eine Überlastun­g der Nebenstrec­ken: „Wenn die B 19 Husten hat, haben die umliegende­n Dörfer eine Lungenentz­ündung.“Und was sagt Minister Reichhart? „Ich habe mir am Donnerstag ein umfassende­s Bild vor Ort gemacht und mit Betroffene­n gesprochen. Mir ist sehr daran gelegen, dass es schnell Verbesseru­ngen für diese wichtige Lebensader im Allgäu gibt. Wir suchen nun mit Hochdruck Lösungen, die sich zeitnah realisiere­n lassen.“

Doch bis das Projekt eingetütet ist, ist laut Bauamt noch viel zu überprüfen, auch die Umleitung während der Bauphase. Laut Hocke ist es keine Lösung, den gesamten B 19Verkehr auf die nahe Kreisstraß­enBrücke in Sonthofen zu leiten. Die Strecke wäre laut Gutachten den vielen Fahrzeugen nicht gewachsen. Denkbar könnte sein, die eine Hälfte des Verkehrs über die Iller zu führen und den Rest über eine Behelfsbrü­cke. Aber auch dazu sind noch Gutachten nötig.

Schlachtha­us steht im Weg

Weiteres Thema: Mit der Sigishofer Brücke sind zwei kleine Brücken davor und dahinter zu erneuern. Auch die Einfädelsp­uren der Anschlusss­telle Sonthofen-Süd sind zu verlängern. Da steht aber das Schlachtha­us Sonthofen im Weg.

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FOTO: RALF LIENERT Bundesstra­ßen-Brücke als Nadelöhr: Südlich von Sonthofen ist an diesem Abschnitt auf freier Strecke nur noch Tempo 50 erlaubt. Alle müssen ganz am Rand fahren, weil die Brücke in der Mitte zu schwach konstruier­t ist.

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