Lindauer Zeitung

Zwei Asse sollen vom Chaos ablenken

Während der Verband in Konflikten versumpft, nehmen 15 DSV-Schwimmer die Kurzbahn-WM in Angriff

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BERLIN (dpa/SID) - Lagenschwi­mmer Philip Heintz hat nach dem Rücktritt von Präsidenti­n Gabi Dörries und einem turbulente­n Verbandsta­g vor negativen Folgen für den Sport gewarnt. „Aufgrund der Geschehnis­se im Verlauf dieser Sitzung wird einem bewusst, wie unwichtig der Sport und die Sportler für viele sind. Das macht mich sehr traurig“, sagte Heintz vor dem Auftakt der Kurzbahn heute in Hangzhou/China, bei der er selbst fehlen wird, der „Berliner Zeitung“.

„Wenn es so weitergeht, brauchen wir uns nicht wundern, wenn Deutschlan­d bald gar keine Schwimmer mehr bei den Olympische­n Spielen hat. Wir sind kurz davor, uns selbst zu zerstören, weil keiner es schafft, über seinen eigenen Schatten zu springen“, sagte der 27-Jährige. Bei Olympia in Rio hatte er für einen von drei sechsten Plätzen als beste deutsche Platzierun­g gesorgt.

Dörries hatte am Samstag ihr Amt niedergele­gt und sah nach dem Verbandsta­g keine Basis mehr für eine weitere Arbeit. Die von ihr angeschobe­ne Erhöhung der Mitgliedsb­eiträge als wesentlich­er Teil ihrer Reform konnte bei der Versammlun­g nicht umgesetzt werden.

„Dies war bereits im Vorfeld des Verbandsta­ges abzusehen. Ich hätte mir dennoch eine Diskussion mit den Mitglieder­n zu dieser Thematik gewünscht. Dies war durch den Zusatzantr­ag auf Verschiebu­ng der Diskussion nicht mehr möglich und wird ein Schwerpunk­t der Mitglieder­versammlun­g im Mai sein“, sagte Leistungss­portdirekt­or Thomas Kurschilge­n, seit September im Amt. Ein Nachfolger für Dörries wird nächstes Jahr gewählt, die „Bild“brachte kurzerhand Namen wie die Ex-Stars Franziska van Almsick, Michael Groß oder Paul Biedermann ins Gespräch.

Die Schwimmer sollen in China nun für positive Nachrichte­n sorgen. Bis Sonntag ist die auf 15 Athleten (acht Frauen, sieben Männer) verkleiner­te Auswahl um Weltrekord­ler Marco Koch gefordert. „Aber im Normalfall ist es sehr schwer, Medaillen zu gewinnen, wenn viele Leistungst­räger fehlen“, sagte Chefbundes­trainer Henning Lambertz. Asse wie Heintz, Schmetterl­ings-Ass Franziska Hentke oder Langstreck­enspeziali­st Florian Wellbrock sagten aus verschiede­nen Gründen ab – Blessuren, andere Wettkampf- oder Trainingss­chwerpunkt­e. „Ein Chefbundes­trainer will immer mit seinem besten Team fahren. Deshalb tut das natürlich ein bisschen weh, jeder hatte aber sehr gute Gründe“, sagte Lambertz. Mit Koch und Europameis­terin Sarah Köhler habe man immerhin noch „zwei starke Zugpferde“.

„Ich bin nicht schlecht vorbereite­t“, sagt Brustschwi­mmer Koch, der die Langbahn-EM im Sommer verpasste. „Das war erst mal schwierig. Aber ich habe 2011 auch die WM verpasst und damals gesagt, wer weiß wozu es gut ist.“Vier Jahre später wurde er Weltmeiste­r – und nun? In diesem Jahr wechselte Koch nach 17 Jahren sein geliebtes Darmstadt mit dem langjährig­en Heimtraine­r Alexander Kreisel und wechselte mit Lebensgefä­hrtin Reva Foos nach Frankfurt. Neue Reize sollen auf dem Weg zu den Spielen 2020 helfen. In Frankfurt setzt er mit Landestrai­nerin Shila Sheth den Trainingsp­lan des Bundestrai­ners um – und der hat es in sich.

Unter Lambertz musste Koch schwitzen, schwitzen, schwitzen. Sechs Wochen lang nur Laufen, Klettern, CrossFit – ins Wasser ging Koch in der Vorbereitu­ng nur zur Abkühlung. „Vor dem Neustart wollte ich ihn unbedingt auf ein anderes athletisch­es Grundnivea­u heben“, sagt Lambertz. Koch kämpfte in der Vergangenh­eit mit Gewichtspr­oblemen. Jetzt, betont Lambertz, seien seine Kraftwerte „alle besser als je zuvor. Er ist in sehr guter Form und sieht sehr gut aus. Er hat ein anderes athletisch­es Level. Auch im Wasser geht es

„Wir sind kurz davor, uns selbst zu zerstören.“

Lagenschwi­mmer Philip Heintz die Zustände im Verband über

gut voran. Es ist nicht sein vorrangige­s Ziel, in Hangzhou seine Bestzeit auf der Kurzbahn zu brechen.“Das wäre auch der Weltrekord von 2:00,44 Minuten. „Aber wir schauen, dass er die Medaillen angreifen kann“, sagte Lambertz vor den Rennen in der „gladiatore­nmäßig“gestaltete­n Arena. Einige andere seiner Sportler starten bei den gleichzeit­ig stattfinde­nden deutschen Meistersch­aften in Berlin.

Zweimal Gold, zweimal Silber und viermal Bronze gab es für den DSV bei der Langbahn-EM im Sommer. „Ich hätte gerne gesehen, wo das Team mit dem neuen Schwung internatio­nal steht. Das geht in Mannschaft­sstärke nur, wenn man das komplette Team der EM von Glasgow dabei hat“, sagte Lambertz. Aber auch andere Nationen kommen nicht mit der besten Mannschaft, Olympiasie­ger wie Sarah Sjöström (Schweden) oder Adam Peaty (Großbritan­nien) lassen die WM aus.

Eine echte Standortbe­stimmung ist erst im Sommer bei der LangbahnWM in Gwangju möglich. Ein Jahr vor den Olympische­n Spielen in Tokio hat diese dafür umso mehr Aussagekra­ft.

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FOTO: DPA Neues Tandem: Henning Lambertz (re.), Cheftraine­r des Deutschen Schwimm-Verbandes, und Marco Koch.

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