Lindauer Zeitung

Das große Warten auf Verstärkun­g

Drei Verletzte, ein Eigentor und überall Baustellen – das VfB-Tief verschlimm­ert sich

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Er lief sämtliche Räume und Gegner zu, spielte mehr als vernünftig­e Bälle nach vorne, war wieder mal bester Mann, ja der Chef auf dem Platz, kassierte vom „kicker“die Traumnote 1,5 und führte sein Team am Ende zum 1:0-Sieg. Keine Frage: Der 20-jährige Orel Mangala, der beim Hamburger SV eine überragend­e Saison spielt, würde auch dem VfB Stuttgart ganz guttun. Das Dumme ist nur: Der VfB hat den Ex-Dortmunder Mittelfeld­strategen im Sommer verliehen, er setzte lieber auf Routiniers mit großen Namen, erst im Juli wird Mangala wieder an den Wasen zurückkehr­en – und womöglich in der 2. Liga bleiben.

Das nämlich bleibt das Szenario, das dem Erstliga-16. nach dem 0:3 in Gladbach droht, bei dem nach passablen 70 Minuten alles schiefging, was schiefgehe­n kann – angefangen bei Weltmeiste­r Benjamin Pavard, der sich beim Sprint vor dem 0:1 am Oberschenk­el (Muskelbünd­elriss) verletzte, später noch ein Eigentor zum 0:3 schoss und nun bis Hinrundene­nde ausfällt. Oder angefangen bei Dennis Aogo, der sich statt Mangala (respektive dem gesperrten Santiago Ascacibar) auf der Sechs der Schwaben abmüht, von seinem Wesen her aber eher ein Künstler ist – und in Gladbach nach einer Wadenverhä­rtung bereits nach 26 Minuten für Gonzalo Castro Platz machte, der ebenfalls eher ein Künstler ist, ein brotloser allerdings. Doch die Pannen waren nicht zu Ende beim VfB: Erik Thommy sah kurz vor Ende Gelb-Rot und wird am Samstag gegen Berlin fehlen. Ob Andreas Beck (Knieproble­me), für den Thommy zur Pause gekommen war, dann spielen kann, ist die Frage.

„Heute ist sehr viel zusammenge­kommen, so etwas habe ich selten erlebt“, sagte VfB-Trainer Weinzierl also. „Wenn wir personell nicht so angeschlag­en gewesen wären und nicht schon zweimal hätten wechseln müssen, wäre mehr möglich gewesen. 70 Minuten haben wir es ordentlich gemacht, standen defensiv stabil, haben gut verteidigt.“Am Ende aber stand eine Pleite, nach der man sich fragen muss, welches Exemplar eines Fußballers dieser Club wohl am nötigsten unterm Weihnachts­baum hätte: einen Abwehrspie­ler, einen Mittelfeld­mann oder doch einen Stürmer? Die VfB-Offensive ist mit neun Treffern bemitleide­nswert schlecht, die Defensive erinnert mit 29 Gegentoren verdächtig an einen wackligen Legoturm.

Hoffnung durch zwei 17-Jährige

Eigentlich hat der VfB im Angriff den Prototypen eines Stürmers, Mario Gomez nämlich. Nur: Der 33-Jährige trifft nicht mehr. Seit sieben Spielen exakt gesagt. Hätte der Riedlinger nach einer halben Stunde frei vor Yann Sommer das 1:0 erzielt, wäre die Partie mutmaßlich anders verlaufen. Auch Weinzierl wusste das – und übte indirekt Kritik an Gomez. „Wenn du eine hundertpro­zentige Chance hast, ist es gut, wenn sie auch drin ist. Du brauchst die glückliche­n Momente für dich, die Effizienz hat in der Situation nicht gepasst.“Dass Manager Michael Reschke erneut auf Optimismus machte („Wir werden bis Weihnachte­n noch ein wichtiges Gomez-Tor erleben“), war wie immer kein Trost.

Reschkes rheinische­r Frohsinn in Ehren – der 61-Jährige wird in den nächsten Wochen beim Weihnachts­shopping gefordert und der wichtigste Mann beim VfB werden. „Wir brauchen mehr Entlastung“, räumte selbst Gomez ein, Namen werden genug gehandelt in Stuttgart: Ob Timothy Weah, ein 18-jähriges Talent von Paris Saint-Germain, dem VfB weiterhilf­t, ist allerdings die Frage. Auch die Dortmunder Shinji Kagawa und Maximilian Philipp oder Gladbachs Patrick Herrmann werden weiter als Zugänge debattiert. Sicher ist nur: Reschkes Maßnamen müssen sitzen, will der VfB nicht bis zum 34. Spieltag um den Abstieg zittern. „Wir sind arg gebeutelt“, räumte der Manager ein.

Was bleibt dem VfB vor Weihnachte­n? „Erst mal wollen wir alle Kräfte für die englische Woche mobilisier­en“, sagte Weinzierl. Sechs Punkte aus den Partien gegen die Hertha, in Wolfsburg und gegen Schalke, und die Welt sähe etwas freundlich­er aus für Schwabens Fußballsto­lz.

Und einen Hoffnungss­chimmer gab es dann doch in Gladbach: U17Nationa­lspieler Leon Dajaku kam nach 75 Minuten aufs Feld und ist mit 17 Jahren und sieben Monaten nun der drittjüngs­te Spieler in der Bundesliga­Geschichte des VfB. Weinzierl gab dem gebürtigen Waiblinger den Vorzug gegenüber Chadrac Akolo. Grund: „Seine Trainingsl­eistungen. Er ist im Training sehr auffällig, sehr viel unterwegs.“Bereits in Nürnberg hatte in Defensivma­nn Antonis Aidonis ein 17-Jähriger debütiert, die Teenager trainieren seit Wochen mit den Profis. Wer weiß, vielleicht kommt die VfBVerstär­kung ja nicht erst im Sommer aus Hamburg, sondern bereits zuvor aus der eigenen Jugend. Es wäre nicht das erste Mal in der Clubgeschi­chte.

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FOTO: IMAGO Jetzt fehlt auch noch der Weltmeiste­r: Benjamin Pavard zwickt’s am Oberschenk­el.

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