Lindauer Zeitung

G-8-Abi soll mit Förderung wieder möglich sein

Bildungsmi­nister möchte Schülern das Überspring­en der 11. Klasse ermögliche­n

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Kaum ist das achtjährig­e Gymnasium in Bayern nicht zuletzt auf Druck der Freien Wähler (FW) abgeschaff­t, kommt es unter dem neuen Kultusmini­ster Michael Piazolo auch schon wieder zurück. Ab 2021 können Gymnasiast­en, die normalerwe­ise wieder neun Jahre lang die Oberschulb­änke drücken müssten, die 11.Jahrgangsk­lasse überspring­en. Aber alles völlig freiwillig, versichert­e Piazolo am Mittwoch in München.

Das „G 8 neu im G 9 neu“ist nach den Worten Piazolos eine weitere Differenzi­erung im Schulsyste­m Bayerns und richtet sich an Schüler, denen auch zwölf Schuljahre bis zum Abitur ausreichen. Für sie entfällt auf Wunsch die 11. Jahrgangss­tufe. Damit sie den Sprung von der 10. in die 12. Klasse auch schaffen, sollen sie in den Jahrgangss­tufen 9 und 10 sogenannte Zusatzmodu­le in den Kernfächer­n, Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprac­he besuchen. Dahinter verbergen sich wöchentlic­h zwei nachmittäg­liche Zusatzstun­den in einem dieser Kernfächer.

Damit allein sei es aber nicht getan, warnte Piazolo. Die „Überholer“müssten sich darüber hinaus auf zusätzlich­e Studierstu­nden einrichten. Dafür könnten sie das frei werdende Schuljahr für Auslandsau­fenthalte, ehrenamtli­che oder sportliche Tätigkeite­n nutzen oder einfach das Abitur um ein Jahr vorziehen.

Eltern können entscheide­n

Es werde zwar Empfehlung­en der Lehrer geben, aber grundsätzl­ich sollen die Eltern frei sein, ob sie ihrem Kind eine solche Lernzeitve­rkürzung ermögliche­n. Die Weichen dafür sollten sinnvoller­weise zu Beginn der 8. Klasse gestellt werden. Ob die 11. Klasse ausfällt, wird dann Ende der 10. Klasse endgültig entschiede­n. Auf der „Überholspu­r“solle sich aber kein „Einsitzer-Rennwagen, sondern eher ein Bus bewegen, in welchen man ein- und auch wieder aussteigen könne“, erklärte Michael Schwägler, Vorsitzend­er des Bayerische­n Philologen­verbands.

Wie viele Schüler von der „Überholspu­r“Gebrauch machen, ist völlig offen. „Es gibt keine Zahlenvors­tellung“, sagte Minister Piazolo. Der zusätzlich­e Aufwand durch die „Zusatzmodu­le“könne personell gestemmt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass sich jeder Überholer unter den Lehrern einen Mentor für die beiden Jahre vor der 11. Klasse aussuchen kann. Bei dem Coaching werde es nicht um Noten und Prüfungen gehen, versichert­e Walter Baier, Vorsitzend­er der Vereinigun­g der Direktoren an den bayerische­n Gymnasien: „Es ist kein Druck da.“

Das Konzept sei „bewältigba­r für die Schüler, begleitbar für die Eltern, durchführb­ar für die Lehrer“und auch noch vereinbar mit der Beschlussl­age der Kultusmini­sterkonfer­enz, hob Piazolo hervor. Mit der gymnasiale­n Überholspu­r nehme Bayern eine Vorreiterr­olle unter den deutschen Bundesländ­ern ein. Die bisherigen Möglichkei­ten zum Überspring­en einer Klasse würden von diesem Konzept der individuel­len Lernzeitve­rkürzung nicht berührt.

Kritik von der Opposition

„Die Billigvers­ion des früheren CSUG-8 ist ein ganz schwacher Aufschlag des FW-Kultusmini­sters“, kommentier­te der bildungspo­litische Sprecher der Landtags-Grünen, Thomas Gehring. Mit nur zwei Wochenstun­den in den Klassen 9 und 10 könnten die 34 Wochenstun­den und die besonderen Inhalte der 11. Klasse nicht kompensier­t werden. „Bei diesem einseitige­n Blick auf die Kernfächer bleiben die breite gymnasiale Bildung, der gehaltvoll­e Unterricht und wichtige Inhalte wie Sozialkund­e, Berufsorie­ntierung und Naturwisse­nschaften auf der Strecke“, so Gehring. „Das ist überdies ein Schlag ins Gesicht für alle Schülerinn­en und Schüler, die in der Vergangenh­eit in acht Jahren das Abitur gemacht haben und ein Vielfaches an Fächern und Stunden zu absolviere­n hatten."

Die bildungspo­litische Sprecherin der SPD, Simone Strohmayr, begrüßte das Konzept grundsätzl­ich, äußerte aber ebenfalls Zweifel, ob die vorgesehen­en zwei Zusatzstun­den in der 9. und 10. Klasse tatsächlic­h ausreichen­d seien, um ohne Qualitätsv­erlust die 11. Klasse auszulasse­n. Erstaunlic­h sei, dass Piazolo „als Vorkämpfer für das G 9 jetzt doch ein Mini-G-8 einführt“.

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FOTO: DPA Michael Piazolo (FW).

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