Der Traum vom eigenen Lithium
Ein Unternehmen nahe Rottweil bekommt in Bolivien Zugriff auf das „weiße Gold“
BERLIN - Die größten Lithiumvorkommen der Welt – das klingt verheißungsvoll. Schließlich handelt es sich um den Rohstoff, der jetzt schon Handys und Drohnen am Laufen hält, bald auch viele unserer Autos und eines Tages vielleicht sogar Flugtaxis. Im Südwesten Boliviens finden sich große, noch unerschlossene Vorräte an dem Industriemetall. Wenn das südamerikanische Land mit dem Unternehmen aus Zimmern ob Rottweil einen Vertrag über die Erzeugung und Lieferung von Lithium abschließt, finden zunächst einmal Angebot und Nachfrage zusammmen.
Am Mittwoch hat in Berlin der Staatsbetrieb Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) mit großem Pomp einen Vertrag mit der kleinen Firma ACI Systems Alemania (ACISA) geschlossen. Sie gründen dazu ein Gemeinschaftsunternehmern zur Förderung, Aufbereitung und Lieferung des begehrten Metalls.
„Heute ist ein guter Tag für das Gelingen der Energiewende“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier bei der Unterzeichnung. „Die Bundesregierung flankiert solche Projekte“, versprach Altmaier und kündigte eine Milliarde Euro an Förderung für vergleichbare Vorhaben an. Das Ziel sei, den Aufbau einer Fertigung für Batterien in Deutschland schneller voranzutreiben. ACISA will Kapital und Wissen bei der Förderung in Bolivien einbringen. Das Unternehmen aus Zimmern verspricht, vor Ort Anlagen zu errichten und will in dem immer noch sehr armen Land bis zu 1000 qualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Das ist der dortigen Regierung wichtig: Bolivien will nicht reiner Rohstofflieferant sein, sondern die eigene Wirtschaft fördern und dabei etwas lernen. „Das Interesse an den Lithiumvorkommen ist eine Chance, unsere Industrie zu entwickeln“, sagte Boliviens Außenminister Diego Pary.
Rasantes Wachstum wegen E-Autos
Die bolivianische Seite verpflichtet sich derweil, Deutschland zwischen 35 000 und 40 000 Tonnen Lithiumverbindungen im Jahr zu schicken. Diese Zahl entspricht der gesamten Weltproduktion des vergangenen Jahres. Experten erwarten mit dem Durchbruch des Elektroautos ein rasantes Wachstum des Verbrauchs – und die ersten Lieferungen sollen erst in drei Jahren in Deutschland eintreffen. Danach sollen sie für sieben Jahrzehnte weitergehen.
Das Material ist jedoch schon hier und heute hochwillkommen. Altmaier will die Fertigung von Batteriezellen nach Deutschland bringen, um trotz aller Veränderungen die Wertschöpfung im Land zu halten. Bei den Zellen handelt es sich um das chemische Herzstück der Energiespeicher. „Für ein Industrieland wie Deutschland ist die Versorgung mit Lithium daher von ganz großer Bedeutung“, sagt Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. China habe das früh erkannt und sich schon vor über zehn Jahren den Zugriff auf wichtige Vorkommen mit langfristigen Verträgen gesichert. Das Metall sei zwar reichlich vorhanden – doch für wettbewerbsfähige Batterieherstellung muss der Preis stimmen.
Auf diesen Trend will auch der deutsche Vertragspartner ACI Systems Alemania aufspringen. Mit nur wenigen Dutzend Mitarbeitern will es Probleme lösen, an denen andere gescheitert sind. „Durch das Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht heimische Rohstoffe“, sagt Firmenchef Wolfgang Schmutz.
Schmutz sieht sich als Netzwerker. Zusammen mit Partnerfirmen und brandneuer Technik will ACISA den Abbau voranbringen. Was das Unternehmen aus Baden-Württemberg nicht selbst kann, will es dabei anderen überlassen.
Besonders wichtig für das Bolivien-Projekt ist die Firma K-Utec aus Thüringen, ein Spezialist für Salzlösungen. Denn im Hochland von Bolivien kommen die Lithiumverbindungen in einer salzigen Brühe vor. KUtec, heute eine Aktiengesellschaft, knüpft damit an Ursprünge als Bergbaukombinat der DDR an und bringt erhebliches Wissen mit. Das Lithium werde mit einem gemeinsam entwickelten Verfahren aus dem Abfall bisheriger Bergbauaktivitäten gewonnen, sagte Schmutz. Der Wasserverbrauch sei dabei deutlich geringer als bei herkömmlichen Methoden.
Bolivien träumt derweil von einem Glücksfall der Wirtschaftsgeschichte: Ein Mineral, das im Lande in Unmengen vorhanden ist, stellt sich nach einem technischen Wandel als wertvoll heraus. „Lithium ist das neue Erdgas“, lautet die Überzeugung von Präsident Evo Morales. „Wir werden in den kommenden vier bis fünf Jahren ein relevanter Spieler im globalen Lithiummarkt werden“, sagt Juan Carlos Montenegro, Chef von YLB.
Unabhängige Organisationen bestätigen dem Staatsunternehmen gute Absichten und eine grundsätzlich saubere Arbeitsweise. Brot für die Welt befürwortet den Ansatz der Regierung Morales, möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen. Wermutstropfen: Die Lithiumgewinnung gräbt dem Anbau von Getreide wie Quinoa das Wasser ab.