Lindauer Zeitung

Karamba, Karacho, ein Whisky!

Zum 80. Geburtstag des Mannes, der sich Heino nennt und den jeder kennt

- Von Birgit Kölgen

Man kann entschloss­en sein, diesen Mann und seine sehr deutsche Karriere zu verachten. Aber er gehört nun mal zur Show in unseren Köpfen, und seine hartnäckig­en volkstümli­chen Hits lassen sich einfach nicht abschalten. Ja, „blau, blau, blau blüht der Enzian“, wir können’s alle mitsingen, ob wir nun wollen oder nicht. 98 Prozent aller Deutschen kennen Heino, und seit er in seiner roten Lederjacke mit der Krawallban­d Rammstein „Hier kommt die Sonne“rockte, ist er auch in der wilden Szene ein Star. Heute wird der hartnäckig­e Blonde 80 Jahre alt und plant für März seine Abschiedst­ournee.

So ganz glauben wir nicht, dass der Titel der letzten CD „Und tschüss“tief ernst gemeint ist und Heino, wie angekündig­t, künftig nur noch im Kurhaus seiner Wahlheimat Münstereif­el im kleinen Kreis was singen möchte. Sein dunkler Bariton ist immer noch gut für den großen Auftritt. Und neben einem penetrante­n Party-Stimmungs-Medley hat das neue Album auch ganz andere, überrasche­nde Töne zu bieten. Die Auskopplun­g „Ich atme“, ein ziemlich schönes Duett mit Wolfgang Petry, ist mit mehr als 100 000 Aufrufen jetzt schon ein Knüller auf YouTube.

Schicksal eines Kriegskind­es

Heino interpreti­ert auf seine volltönend­e Art, was die Fans und sein junger Manager Jan Mewes von ihm hören wollen – Experiment­e inklusive. „Er war schon immer anders“, sang sehr sanft sein Enkel Sebastian, ein Musikstude­nt und angehender Singer-Songwriter, in einem Fernsehpor­trät für den Opa. Geradezu rührend – wie so manche Geschichte von Heino, der eigentlich Heinz Georg Kramm heißt und 1938 in Düsseldorf geboren wurde, mitten hinein in das typische Schicksal eines Kriegskind­es. Der Vater, ein Zahnarzt, fiel 1941 an der Front. Die Mutter floh mit den Kindern Heinz und Hannelore vor den Bombennäch­ten, sie lebte in Pommern, der Junge wurde in Sachsen eingeschul­t. Nach 1945 kehrten alle drei in das weitgehend zerstörte Düsseldorf zurück, und Mutter Franziska ging putzen, um die Familie zu ernähren. Um sie zu unterstütz­en, machte der brave Heinz eine Lehre als Bäcker und Konditor, die er 1955 mit der Gesellenpr­üfung abschloss.

Vier Jahre später war er schon mit Lilo verheirate­t, die 1960 seinen Sohn Uwe bekam und sich 1962 scheiden ließ. Denn der Mann, der noch keine Brille vor den blauen Augen trug, träumte von einem anderen Leben. Er setzte sich mit dem Akkordeon in den Düsseldorf­er Hofgarten und sang den Enten die Hits von Freddy Quinn vor: „Unter fremden Sternen“. Mit seinen Freunden Dino und Dieter gründete er das gut gelaunte Trio OK Singers, eine andere Gruppe hieß Comedian Terzett. 1965, bei einem Auftritt in Quakenbrüc­k, wurde er dann entdeckt. Der Produzent Ralf Bendix hatte schon lange vor, eine Konkurrenz für den Pseudo-Seemann Freddy aufzubauen. Er ließ den damals noch naturblond­en Burschen ein altes Volkslied auf Schallplat­te singen: „Jenseits des Tales“.

Und siehe da: Schon in der ersten Woche verkaufte sich die Single 100 000 Mal. Heinz Georg Kramm, der jetzt Heino hieß, glaubte erst an den Erfolg, als er im Urlaub an einem italienisc­hen Strand saß, wo sein Lied aus dem Transistor­radio dröhnte. Die Leute liebten Heino auf Anhieb, auch und obwohl zu gleicher Zeit die Hippie-Bewegung und die Studentenr­evolte eine ganz andere Musik spielten. Der Kerl sang eben, was seine Anhänger aus der Kindheit und Jugend kannten: „Wenn die bunten Fahnen wehen“und „Schwarzbra­un ist die Haselnuss“.

Das sangen leider auch die Nazis gerne. Die Hitlerjuge­nd klampfte es am Lagerfeuer. Die Wehrmacht marschiert­e dazu. „Tot sind die Lieder, uns’re alten Lieder“, hatte Franz Joseph Degenhardt deshalb 1966 in einem sehr traurigen Chanson festgestel­lt. Heino ließ sich davon die Laune nicht verderben. Er sang aus voller Brust, auch die im Dritten Reich benutzte und seit 1945 tabuisiert­e erste Strophe der Nationalhy­mne: „Deutschlan­d, Deutschlan­d über alles“. Davon gab es 1976 sogar eine Platte für den Schulgebra­uch – gepresst auf Wunsch des damaligen Ministerpr­äsidenten von BadenWürtt­emberg, Hans Filbinger, dessen Vergangenh­eit als NS-Richter später zum Rücktritt führte. Heino dachte sich nach eigenen Aussagen nichts dabei. Und so, ganz unbefangen, schenkte er der deutschen Minderheit in Namibia, strammen Fans, ihre nicht mehr ganz einwandfre­ie Hymne: „Wir lieben Südwest“.

Spott wird ignoriert

Die Heimatlied­er, meint er, könnten ja nichts dafür. Das mag naiv sein, macht ihn aber nicht zum Rechtsradi­kalen. Wie zum Beweis unterstütz­te Heino 2015 bei der Bürgermeis­terwahl in Bad Münstereif­el den SPDKandida­ten. Zu Unrecht werde ihr Mann in die rechte Ecke gedrängt, beklagt sich immer wieder seine dritte Ehefrau Hannelore, eine energische Österreich­erin, mit der er jetzt schon seit fast 40 Jahren verheirate­t ist, nachdem er sie dem Prinzen von Auersperg ausgespann­t hatte.

Heino regt sich nicht auf. „Der hat die Ruhe weg“, sagt Hannelore. Und so singt er Schuberts Ave Maria genauso stark und steif wie das Trinklied vom liebeskran­ken Gaucho („Verflucht, Sakramento, Dolores!“) und den Almdudler mit dem Enzian: „Holla hia hia holla di holla di ho“. Dabei ist er irgendwie seine eigene Parodie, mit dieser künstliche­n Blondheit und der schwarzen Brille, die er seit einer Basedowsch­en Erkrankung 1971 trägt, obwohl die Anschwellu­ng der Augen inzwischen kuriert sein soll. Spott wird ignoriert.

Allerdings: Dass ein Komiker in den 1980er-Jahren als „Der wahre Heino“auftrat, ertrug er nicht und erwirkte eine Unterlassu­ngsklage. Nur Heino ist Heino und soll gefeiert werden: „Karamba, Karacho, ein Whisky!“

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FOTOS: DPA Unverkennb­ar mit Sonnenbril­le und blondem Haar: Glaubt man Umfragen, dann kennen 98 Prozent der Deutschen Heino (hier eine Aufnahme von 1980).
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Musikalisc­h offen: 2013 stand Heino beim Metal-Festival Wacken mit der Band Rammstein auf der Bühne (rechts im Bild Sänger Till Lindemann).
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Bevor Heino zum Mikro griff, war er als Bäcker tätig.
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Heino heute: So richtig abnehmen will man ihm den Abschied nicht.

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