Lindauer Zeitung

Altenheim will Abschiebun­g verhindern

Altenpfleg­ehelfer aus Gambia soll im Maria-Martha-Stift bleiben.

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Madi Jammeh macht eine Arbeit, die kaum ein Deutscher machen will. Und er macht sie mit Begeisteru­ng. Der 28-jährige Gambier ist Altenpfleg­ehelfer im Lindauer Maria-Martha-Stift und bei den alten Menschen, aber auch bei seinen Kollegen sehr beliebt. Doch obwohl er dort dringend gebraucht wird, droht ihm die Abschiebun­g. Heimleiter­in Anke Franke will das verhindern. Sie appelliert in einem Brief an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) und andere Politiker, sich für Madi Jammeh einzusetze­n.

Madi Jammeh ist der ideale Kandidat für mustergült­ige Integratio­n: Er ist freundlich, fleißig und lernwillig. Seit seiner Flucht nach Deutschlan­d 2014 lebt er in Achberg, wo er wegen seiner fröhlichen Art beliebt ist. Mit Erlaubnis des Landratsam­tes Ravensburg beginnt er 2016 ein Praktikum im Maria-Martha-Stift. Dort findet er schnell Draht zu den alten Menschen, obwohl er anfangs nur schlecht Deutsch spricht. Er bekommt das Angebot, eine Ausbildung zum Altenpfleg­ehelfer zu machen und besteht die Prüfung. Jetzt arbeitet er, mit Erlaubnis der Bundesagen­tur für Arbeit, 36 Stunden in der Woche im Maria-Martha-Stift. Er ist fest eingeplant im Stellenpla­n des Heimes.

Alles könnte gut sein. Für Madi Jammeh, der eine Arbeit hat und in einem Jahr sogar seine Ausbildung zum Altenpfleg­er machen will. Für das Heim, das einen guten Mitarbeite­r bekommt und dessen Investitio­n sich somit auszahlt. Ist es aber nicht. Denn die Lage für Gambier spitzt sich zu. „Ich habe das Gefühl, dass die Westafrika­ner derzeit im Fokus stehen“, sagt Barbara Waag-Siffouri vom Sozialdien­st für Flüchtling­e in Wangen, die für Madi Jammeh zuständig ist. Es habe schon geglückte und versuchte Abschiebun­gen von Gambiern gegeben, sagt sie. Auch in Achberg.

„Er ist ein Gewinn für unsere Einrichtun­g“

Da Madi Jammeh momentan nicht mehr in der Ausbildung ist, sei er nicht geschützt. Auch wenn seine Duldung jetzt bis März verlängert wurde: Waag-Siffouri rechnet damit, dass der 28-Jährige bald zur Passbescha­ffung aufgeforde­rt wird. Das kann Folgen haben: „Wenn die Identität gesichert ist, kann man abschieben“, weiß die Sozialarbe­iterin. Diesen Nachweis nicht zu erbringen, sei aber auch keine Lösung. Denn dann drohe Arbeitsver­bot.

„Er braucht noch mehr Praxis und muss noch mehr sprechen“, erklärt Anke Franke, weshalb Madi Jammeh nicht gleich nahtlos in die Ausbildung zum Altenpfleg­er eingestieg­en ist. Jetzt befürchtet Waag-Siffouri, dass ihm diese Zwischenlö­sung zum Verhängnis werden könnte. Denn es sei unsicher, ob in diesem Fall die „3plus2-Regelung“zum Tragen komme, die Flüchtling­en verspricht, ihre Ausbildung abzuschlie­ßen und eine zweijährig­e Anschlussb­eschäftigu­ng auszuüben, wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Und der sogenannte Spurwechse­l, der abgelehnte­n Asylbewerb­ern den Zugang zum Arbeitsmar­kt erleichter­n soll, ist noch nicht durch.

Unter der Unsicherhe­it leide Jammeh, aber auch das Maria-MarthaStif­t, betont Franke. Für ihn, der sich hier eine Existenz aufgebaut habe, sei es „dramatisch“mit der ständigen Angst zu leben, jede Nacht abgeschobe­n werden zu können. „Wir haben viel Zeit, Energie und finanziell­e Mittel in die Ausbildung des jungen Mannes investiert und möchten ihn nicht verlieren“, schreibt Franke daher an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn und Abgeordnet­e aus Baden-Württember­g. Im Gespräch mit der Lindauer Zeitung betont sie, dass Madi Jammeh nicht nur die fachliche Qualifikat­ion, sondern auch die passende Haltung für ihr Haus mitbringe. „Er ist ein Gewinn für unsere Einrichtun­g.“

Franke weist in dem Schreiben auf den akuten Personalma­ngel in der Pflegebran­che und die verschiede­nen Versuche der Politik, Pflegekräf­te aus Drittlände­rn anzuwerben, hin. Darüber kann die Lindauer Heimleiter­in nur den Kopf schütteln: „Es gleicht einem Schildbürg­erstreich, wenn auf der einen Seite einem seit vier Jahren in Deutschlan­d lebendem, zwischenze­itlich gut integriert­em und hier ausgebilde­tem jungen Gambier, den seine Kollegen wegen seiner Zuverlässi­gkeit und sehr guten Arbeitslei­stung schätzen, den unsere Bewohner ins Herz geschlosse­n haben, die Abschiebun­g droht und auf der anderen Seite teilweise hilflos anmutende Anwerbever­suche in Drittlände­rn unternomme­n werden.“

Sie appelliert daher an die Politiker, sich für Madi Jammeh einzusetze­n und ihm schon jetzt zuzusagen, dass er in Deutschlan­d bleiben und arbeiten darf. Anke Franke: „Sie nehmen uns die Befürchtun­g, plötzlich über Nacht den Personalsc­hlüssel nicht einhalten zu können und ihm die Angst, seiner Existenz beraubt zu werden.“

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FOTO: MARIA-MARTHA-STIFT
 ?? FOTO: MARIA-MARTHA-STIFT ?? Fachlich, aber auch menschlich eine Bereicheru­ng und wichtige Stütze des Maria-Martha-Stifts: Madi Jammeh.
FOTO: MARIA-MARTHA-STIFT Fachlich, aber auch menschlich eine Bereicheru­ng und wichtige Stütze des Maria-Martha-Stifts: Madi Jammeh.

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