409 Wohnungen scheitern an der Ampel
Knappe Ratsmehrheit verhindert den Start für Verfahren zur neuen Siedlung.
LINDAU - Vorerst wird das nichts mit mehr als 400 Wohnungen direkt neben dem Lindaupark: Mit 16:15 Stimmen hat der Stadtrat es am späten Mittwochabend abgelehnt, das Genehmigungsverfahren für das neue Wohngebiet zu starten. Einige Räte stören sich an einer Ampel.
Normalerweise ist der Beschluss zum Aufstellen eines Bebauungsplans im Lindauer Stadtrat Formsache. Manchmal gibt es ein paar Räte, die grundsätzlich gegen das Vorhaben sind. So warnten auch diesmal Hermann Kreitmeir (BU), Alexander Kiss und Matthias Kaiser (BL) davor, Gewerbeflächen zum Wohngebiet zu machen. Besser wäre es, auf dem Grundstück neue Firmen anzusiedeln oder Lindauer Betrieben die Möglichkeit zu geben, sich dort zu vergrößern.
Die meisten Räte jedoch halten ein Wohngebiet in dieser zentralen Lage von Reutin für genau richtig. Die künftigen Bewohner können den Lindaupark ebenso zu Fuß erreichen wie den neuen Reutiner Bahnhof, der noch vor dem sogenannten Vier-Linden-Quartier fertig werden soll. Deshalb ist das Wohngebiet auch komplett autofrei. Autos sollen in einer riesigen Tiefgarage unter den Häusern stehen.
Das traf im Stadtrat auch bei allen Rednern auf Zustimmung. Ebenso das Vorhaben, großzügige Wege für Fußgänger und Radfahrer zu planen. Dennoch brachte die Verkehrsplanung das Projekt vorerst zum Scheitern. Denn quer durch viele Fraktionen störten sich Räte daran, dass die neue Zufahrt zum Lindaupark von der Kemptener Straße aus mittels Ampel geregelt werden soll. Karl Schober (CSU), Uwe Birk (SPD), Günther Brombeiß (FB), Matthias Hotz (JA), Jürgen Müller (LI), Ulrich Jöckel (FDP) und andere erklärten, dass sie dort einen Kreisverkehr wollen.
Räte fordern einen Kreisverkehr statt der geplanten Ampel
Er wolle Ampeln abbauen und keine neuen errichten, erklärte Schober. Deshalb werde er der vorgeschlagenen Lösung nicht zustimmen, sondern lieber das ganze Vorhaben ablehnen. Die Gegner verbanden die Kreuzung mit dem Berliner Platz, für den der Stadtrat bisher nur eine Übergangslösung beschlossen hat. Wie Lindau den Verkehr dort auf Dauer so regeln will, dass es nicht mehr zu Staus kommt, ist noch offen.
Angesichts des neuen Wohngebiets, des vergrößerten Lindauparks und des neuen Bahnhofs drohe mit der Ampel auf Höhe der Post ein Verkehrskollaps, fürchten die Gegner. Da sei ein Kreisverkehr besser, der zudem Autofahrern eine schnelle Wendemöglichkeit böte, die künftig aus der Rickenbacher Straße nicht mehr in den Berliner Platz einfahren, sondern nur noch nach rechts in die Kemptener Straße abbiegen dürfen.
Mehrfach wiederholte der Verkehrsplaner Gerhard Engstler vom Fachbüro Besch aus Vorarlberg, dass er im Vorfeld genau untersucht habe, ob dort ein Kreisverkehr möglich ist. Er warnte aber davor, weil der Kreisel möglicherweise kleine Vorteile für Autofahrer brächte, aber auf jeden Fall schwerwiegende Nachteile für Fußgänger und Radfahrer zur Folge hätte. Zudem scheitert ein Kreisel schlicht an der Tatsache, dass der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht. Vor diesem Hintergrund habe das Staatliche Bauamt Kempten die Pläne geprüft und sei einverstanden.
Stadträte glauben nicht, was Fachleute oft geprüft haben
Dass Engstler damit zum selben Ergebnis kommt wie zuvor das Darmstädter Verkehrsplanungsbüro R+T und dass Beteiligte wie Stadtrat Wilhelm Böhm (CSU) die Ratskollegen beschwor, man habe alles geprüft und die Ampel sei die einzige Möglichkeit, die zudem sehr gut funktionieren werde, half nicht. Das gilt auch für das Werben von Andreas Reich (FW) und Angelika Rundel (SPD), die dem Urteil der Fachleute vertrauen. Uli Kaiser (BL) warf den Gegnern gar „Heuchelei“vor, denn wer Angst vor Stau habe, müsse neue Wohngebiete und vergrößerte Einkaufszentren grundsätzlich ablehnen.
Die Gegner bestanden trotzdem darauf, sie würden nur zustimmen, wenn der Beschluss die Zusage enthielte, statt der Ampelkreuzung einen Kreisverkehr zu planen. Weil die Planer das nicht für möglich halten, gingen die Räte schließlich zur Beratung in eine Pause. Doch auch nach den Gesprächen und kurzer Erholung bei belegten Semmeln und einem Glas Schorle hatte sich am Meinungsbild nichts geändert, sodass die Räte mit 16:15 Stimmen den Start des Genehmigungsverfahrens verhinderten.
Mit dem Beschluss stockt auch die Erweiterung des Lindauparks
Betroffen ist nicht nur der Bauträger I+R, der die Siedlung planen, bauen und die Wohnungen verkaufen will, sondern auch der Lindaupark, der auf einem Teil des Grundstücks einen Neubau für ein Parkhaus plant, in dem zudem Sozialwohnungen entstehen sollen. Insgesamt planen I+R sowie Feneberg als Eigentümer des Einkaufszentrums in dem Gebiet 409 Wohnungen mit einem bis vier Zimmern. Davon sollen 134 wegen der sogenannten Sobon-Regeln der Stadt Lindau als Sozialwohnungen hergerichtet werden.
In dem Gebiet ist ein Kindergarten geplant. Im Gebäude an der Kemptener Straße soll es im Erdgeschoss Läden geben, in Obergeschossen neben Wohnungen auch Büros. Unter dem ganzen Gebiet entsteht eine große Tiefgarage mit insgesamt 520 Stellplätzen. Zusätzlich wird es neben dem Lindaupark-Parkhaus einen Parkplatz mit 36 Stellplätzen für Besucher und solche Eltern geben, die ihre Kinder aus anderen Wohngebieten in den Kindergarten bringen. Vor dem Haus an der Kemptener Straße sind sechs Längsparkplätze für Kunden vorgesehen. In dem Gebiet soll es mehrere kleine Spielecken sowie einen großen Spielplatz geben.
Wie es weitergehen kann, ist noch völlig offen
Doch vorerst ist nicht klar, ob die Planung so bleiben kann oder I+R das komplett überarbeiten muss. Zurück blieb bei den Beteiligten nach dem Beschluss vor allem Ratlosigkeit. Wie es weitergehen soll, war am Donnerstag völlig offen. Oberbürgermeister, Stadtverwaltung, Bauträger I+R sowie Thomas Feneberg als Eigentümer des Lindauparks waren in regem Gesprächskontakt. Ergebnisse gab es aber vorerst noch nicht.