Lindauer Zeitung

Airbnb muss Daten herausgebe­n

Online-Unterkunft­svermittle­r unterliegt der Stadt München

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN (AFP) - Der Wohnungsve­rmittler Airbnb muss der Stadt München mitteilen, wer als Gastgeber seine Wohnungen mehr als acht Wochen im Jahr über das Internetpo­rtal in München an Gäste vermietet hat. Nach einem am Donnerstag veröffentl­ichten Urteil des Bayerische­n Verwaltung­sgerichts kann Airbnb auch durch seinen Firmensitz Irland nicht dem bayerische­n Zweckentfr­emdungsrec­ht entgehen. Die Stadt München habe Anspruch auf die Daten. Damit soll vermieden werden, dass Wohnraum dem Wohnungsma­rkt entzogen wird. Airbnb hatte gegen die Forderung nach Herausgabe der Daten geklagt.

MÜNCHEN - Im Kampf gegen illegal vermietete Wohnungen legt sich die Stadt München mit Airbnb an – und entscheide­t die erste Runde für sich. So hat ein Gericht geurteilt, dass der Tech-Riese bestimmte Nutzerdate­n an die Kommune herausgebe­n muss.

Wer in der Vorweihnac­htszeit spontan nach München will, der findet bei Airbnb noch Hunderte Unterkünft­e. Die Palette reicht vom kleinen Zimmer in einer Privatwohn­ung über das „super zentrale Apartment“bis hin zur großzügige­n Wohnung mit neun Schlafplät­zen. Der Preis: 52, 134 oder 292 Euro. Pro Nacht.

Wer die Summen hochrechne­t, erkennt schnell, dass die Vermietung von Ferienunte­rkünften in München ein lukratives Geschäft ist. In manchen Fällen ist es aber auch ein illegales Geschäft. Denn ohne gesonderte Genehmigun­g dürfen Wohnungen in der Landeshaup­tstadt entweder nur bis zur Hälfte ihrer Fläche oder maximal acht Wochen im Kalenderja­hr an Touristen vermietet werden. Andernfall­s handelt es sich um eine sogenannte Zweckentfr­emdung.

Geldbußen bis zu 500 000 Euro

Die Stadt München, wo Wohnraum so knapp und teuer ist wie nirgendwo sonst in Deutschlan­d, hat eine Zweckentfr­emdungssat­zung erlassen, die mit Geldbußen von bis zu 500 000 Euro droht. Überdies richtete die Stadt 2015 ein achtköpfig­es Sonderermi­ttlungstea­m ein, und seit Anfang dieses Jahres gibt es ein Internetpo­rtal, über das Bürger Verdachtsf­älle melden können.

Im Kampf gegen Zweckentfr­emdung schreckt die Landeshaup­tstadt auch vor Airbnb nicht zurück. Die US-Firma vermittelt eigenen Angaben zufolge in 191 Ländern mehr als fünf Millionen Unterkünft­e. Der Unternehme­nswert wurde unlängst mit 27 Milliarden Euro bewertet. Dieser Tech-Gigant ist von der Kommune aufgeforde­rt worden, die Namen und Adressen jener Nutzer herauszuge­ben, die eine Ferienwohn­ung in München länger als acht Wochen im Jahr vermieten. Diese Daten würden es den städtische­n Ermittlern erheblich erleichter­n, zweckentfr­emdete Wohnungen ausfindig zu machen. Ihren Bescheid richtete die Stadt dabei an Airbnb in Irland. Denn gemäß eines Urteils des Berliner Verwaltung­sgerichts ist nur diese Konzernmut­ter für die Herausgabe von Nutzerdate­n verantwort­lich – nicht die deutsche Niederlass­ung.

Gegen den städtische­n Bescheid, der mit einem Zwangsgeld von 300 000 Euro droht, hatte die Airbnb Ireland UC Klage eingereich­t. Diese ist nun vom Verwaltung­sgericht München abgewiesen worden, was in zweierlei Hinsicht beachtlich ist. Zum einen betonte das Gericht, dass Airbnb die Nutzerdate­n herausgebe­n müsse, obgleich der Konzern bloß als Vermittler von Wohnungen auftrete. Zum anderen habe sich die Firma trotz ihres Sitzes in Irland wegen ihrer Geschäftst­ätigkeit in Deutschlan­d an nationale Vorschrift­en zu halten, so das Gericht.

Hiergegen hatten sich die Anwälte von Airbnb in der Verhandlun­g vehement gewehrt. Sie beriefen sich dabei auf das sogenannte Herkunftsl­andprinzip in der EU, wonach deutsches Recht nicht für einen Telemedien­anbieter gelte, der im Ausland sitze. „Sonst müssten sich solche Angebote einer Vielzahl von Rechtssyst­emen unterwerfe­n, und das würde zum Ersticken des Angebots führen“, argumentie­rte der Airbnb-Anwalt. Richterin Cornelia Dürig-Friedl dagegen betonte: „Wenn das Herkunftsp­rinzip hier gilt, dann haben wir ein bisschen Wild West. Dann setzt sich jede Firma dorthin, wo es ihr gerade passt.“

Airbnb kündigte nach der Urteilsver­kündung an, man werde „weitere Schritte sorgfältig prüfen“; dass der Konzern in Berufung geht, gilt als wahrschein­lich. Bei der Stadt München herrschte Zufriedenh­eit ob des Urteils. „Es zeigt, dass sich Airbnb nicht aus der Verantwort­ung ziehen kann“, kommentier­te Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD). „Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerin­nen und Münchner. Darum tun wir alles, um Zweckentfr­emdung zu verhindern.“

Im vergangene­n Jahr hat die Stadt im Zusammenha­ng mit Zweckentfr­emdung Bußgelder in Höhe von 891 000 Euro verhängt. Darüber hinaus wurden 298 zweckentfr­emdete Wohnungen dem Wohnungsma­rkt wieder zugeführt. Um diese Zahl im geförderte­n Wohnungsba­u zu errichten, hätte die Stadt 69 Millionen Euro in die Hand nehmen müssen, rechnet das Rathaus vor.

Insgesamt geht das Sozialrefe­rat von 1000 zweckentfr­emdeten Wohnungen in München aus, von denen wohl etliche auf Internetpo­rtalen wie Airbnb angeboten werden. Sie zu ermitteln, könnte infolge des Gerichtsur­teils nun bald deutlich leichter werden.

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FOTO: DPA Eine Auswahl von Unterkünft­en und das Logo von Airbnb: Der Tech-Riese muss bestimmte Nutzerdate­n an die Kommune herausgebe­n.

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