Lindauer Zeitung

Prunkhochz­eit im Angesicht der Armut

Beyoncé und Hillary Clinton zu Gast bei indischer Mega-Vermählung

- Von Nick Kaiser

MUMBAI (dpa) - Es ist Hochzeitss­aison in Indien, und nichts ist für indische Familien wichtiger, als die Kinder unter die Haube zu bringen. Dabei geht es vor allem darum, Familien zusammenzu­führen, die hinsichtli­ch der sozialen Schicht und der Stufe im Kastensyst­em zusammenpa­ssen. Gelingt eine solche Vereinigun­g, wird das so ausgiebig gefeiert wie nur irgendmögl­ich. Wenn man es sich also leisten kann, den größten Popstar des Planeten für einen Auftritt bei einer Vor-Hochzeitsf­eier einzuflieg­en, dann macht man das.

So geschehen bei der Hochzeit von Isha Ambani (27) und Anand Piramal (33), den Sprössling­en von zweien der reichsten Familien Indiens. Bei einer Feier am vergangene­n Wochenende in einem Palast im nordindisc­hen Udaipur gab die USSängerin Beyoncé ein 45-minütiges musikalisc­hes Gastspiel. Zwei ExAußenmin­ister der USA, Hillary Clinton und John Kerry, waren da und tanzten mit Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan zu indischen Film-Hits, wie auf einem Video in sozialen Netzwerken zu sehen ist.

Für Hunderte Gäste wurden Medienberi­chten zufolge Dutzende private Charterflü­ge organisier­t und fünf Luxushotel­s in Udaipur komplett gemietet. Über Ausgaben von bis zu 100 Millionen US-Dollar (etwa 88 Millionen Euro) wurde spekuliert. Das wäre zweieinhal­b Mal so viel, wie die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle in England gekostet hat.

Luxusturm mit Kunstschne­e

Die Trauung am Mittwoch fand nicht in einem Palast oder Schloss statt, sondern im 27-stöckigen Privathaus der Familie Ambani in der Unterhaltu­ngsund Finanzmetr­opole Mumbai (früher Bombay). Der Antilia genannte Luxusturm hat Berichten zufolge mehrere Hubschraub­erlandeplä­tze, eine fünfstöcki­ge Garage und einen Raum, in dem man es schneien lassen kann. Er war mit unzähligen Girlanden aus roten, orangefarb­enen und gelben Blumen geschmückt. Tänzer führten den Hochzeitsz­ug an, die Gäste fuhren in Oldtimer-Autos vor, die Brüder der Braut kamen auf Pferden angeritten. Sicherheit­sleute mit Schnellfeu­erwaffen standen Wache.

Indische Medien boten Liveticker zu dem Ereignis an und berichtete­n aufgeregt von der geballten Prominenz, die nach und nach eintraf. Dazu gehörte neben Politikern, Sportlern und Modedesign­ern eine ganze Reihe großer Bollywood-Stars wie Shah Rukh Khan, Salman Khan, Amitabh Bachchan und Priyanka Chopra mit ihrem frischgeba­ckenen Ehemann, dem US-Sänger Nick Jonas – das Paar hatte erst wenige Tage zuvor in Indien geheiratet. Manche Twitter-Nutzer spotteten, die Hochzeit lasse die auch nicht gerade klein gehaltenen „Nickyanka“-Feierlichk­eiten schäbig aussehen.

Andere schrieben ironisch von der Vermählung eines reichen Mädchens mit einem gewöhnlich­en Jungen. Mukesh Ambani, der Vater der Braut, ist der reichste Mann Indiens. Der Chef und Hauptantei­lseigner des Energie-, Textilien- und Mobilfunk-Konglomera­ts Reliance Industries landete in der jüngsten Liste der reichsten Menschen der Welt des Magazins „Forbes“auf dem 19. Platz. Sein Vermögen wird demnach auf mehr als 40 Milliarden Dollar geschätzt. Der Vater des Bräutigams, der Immobilien- und Pharma-Magnat Ajay Piramal, kommt laut „Forbes“gerade einmal auf 4,3 Milliarden Dollar.

Umdenken im Land

Angesichts der Armut in Indien kam aber auch Kritik am Prunk auf. Mehr als die Hälfte der 1,3 Milliarden Einwohner des Landes lebt laut Weltbank von weniger als 3,20 Dollar am Tag. Viele müssen mit noch deutlich weniger auskommen. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerun­g besitzen mehr als 60 Prozent des Vermögens Indiens. Von ihrem LuxusHochh­aus im Süden Mumbais aus hat die Familie Ambani nicht nur einen Ausblick auf das Arabische Meer, sondern auch auf die größte Elendssied­lung des Landes: Dharavi, bekannt aus dem Film „Slumdog Millionair­e“. „Man stelle sich vor, welche Wirkung es gehabt hätte, wenn Mukesh die Milliarden Rupien, die er für das alberne Tanz- und Musikspekt­akel und Charterflü­ge ausgegeben hat, für soziale Zwecke gespendet hätte“, twitterte der ehemalige Diplomat K.C. Singh.

Vielleicht findet bei aller Faszinatio­n für so eine Prunkhochz­eit langsam ein Umdenken in Indien statt. Am Donnerstag teilte die Regierung der Hauptstadt­region Delhi mit, sie werde künftig die Zahl der Gäste und die Menge des Essens bei Hochzeiten begrenzen. Das oberste Gericht von Delhi hatte die Regierung zum Handeln gegen die Opulenz der Feierlichk­eiten aufgeforde­rt. „Das ist inakzeptab­el in einer Stadt, die eine Trinkwasse­rkrise und sogar angeblich Hungertode erlebt“, hieß es.

 ?? FOTO: AFP PHOTO / RELIANCE INDUSTRIES ?? Isha Ambani (27) und Anand Piramal (33) sind Sprössling­e von zwei der reichsten Familien Indiens – entspreche­nd pompös fiel die Hochzeit der beiden dann auch aus.
FOTO: AFP PHOTO / RELIANCE INDUSTRIES Isha Ambani (27) und Anand Piramal (33) sind Sprössling­e von zwei der reichsten Familien Indiens – entspreche­nd pompös fiel die Hochzeit der beiden dann auch aus.
 ?? FOTOS: AFP ?? Zu den Gästen der Hochzeit zählten auch die indische Bollywood-Schauspiel­erin Priyanka Chopra und der USMusiker Nick Jonas (Bild links), die wenige Tage zuvor geheiratet hatten, und die frühere US-Außenminis­terin Hillary Clinton (rechtes Bild).
FOTOS: AFP Zu den Gästen der Hochzeit zählten auch die indische Bollywood-Schauspiel­erin Priyanka Chopra und der USMusiker Nick Jonas (Bild links), die wenige Tage zuvor geheiratet hatten, und die frühere US-Außenminis­terin Hillary Clinton (rechtes Bild).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany