Lindauer Zeitung

Reizvoll auch ohne Lavendel

Im Winter wird die Provence zum Ziel für Kenner

- Von Sandra Ehegartner

Für zwei Wochen im Frühsommer gibt die Provence ein lohnendes Ziel bei all denjenigen ab, die pralle Sonne und duftende Lavendelfe­lder lieben. Im Spätherbst und Winter wird sie dagegen zum Paradies für Kenner. Dann nämlich, wenn die Oliven von den Bäumen geschüttel­t sind, wenn das frische Öl noch nussig und scharf schmeckt und feiner Nebel der Region im Südosten Frankreich­s einen ganz speziellen Zauber verleiht. Mit einem reizvollen Mix aus Kultur und Schlemmen lockt die Provence dann zu einer abwechslun­gsreichen Winterausz­eit.

Les Baux de Provence: Einbildung ist alles

Das wohl typischste Provencedo­rf mit seiner perfekt restaurier­ten Altstadt, dem Festungssc­hloss und den kleinen Läden voll mit Honig, Lavendelpr­odukten und Olivenöl wirkt in den Wintermona­ten wesentlich authentisc­her als im Sommer, wenn Tausende Menschen durch die schmalen Gassen drängen. Jetzt haben die Ladenbesit­zer in Les Baux de Provence wieder Zeit für ein Schwätzche­n auf der Straße. In den Teesalons und Cafés gibt es freie Plätze, und auf der Burg können Kinder dem Hufschmied ohne Gedränge zusehen, wie er Nägel und Hufeisen schmiedet. Mit ein bisschen Glück leuchtet die tiefstehen­de Wintersonn­e goldgelb durch das große Renaissanc­efenster gegenüber dem Hotel de Manville auf die perfekt restaurier­ten Fassaden und Gassen. Wem diese Idylle noch zu real ist, der besucht die Licht- und Toninstall­ation im ehemaligen Steinbruch „Carrières de Lumières“und lässt sich in die Welt der Illusion entführen. Auf die Wände werden zu Klängen von klassische­r Musik Meisterwer­ke von Michelange­lo und Leonardo da Vinci oder Ansichten von Rom projiziert.

Arles: Römer, van Gogh und die Spinne

Größer und moderner, dennoch voller Geschichte und Geschichte­n ist die ehemalige Römerstadt Arles. Van Gogh liebte das besondere Licht der Stadt und malte hier im Akkord. Er schuf rund 300 Werke während seiner Monate in Arles. So stößt der Besucher beim Stadtbumme­l regelmäßig auf van Goghs Spuren. Staffeleie­n mit Reprodukti­onen der jeweiligen Gemälde weisen darauf hin. Eine steht im Espace van Gogh, dem Garten des Krankenhau­ses, in dem der Künstler behandelt wurde, nachdem er sich ein Ohr abgeschnit­ten hatte. Zu einem Café au Lait lädt das Café van Gogh auf dem Place de Forum. Mindestens einmal während des Stadtbumme­ls kommen Besucher auch an der Spinne vorbei. So nennen die Bewohner das römische Amphitheat­er. Von hier aus führen die schmalen Gassen wie die Fäden eines Netzes durch die Stadt. Die ehemalige Arena wird heute noch für Vorführung­en genutzt und kann besichtigt werden. Spiele ganz anderer Art, nämlich Krippenspi­ele, finden in Arles in den Wintermona­ten statt. Dann beweist die Provence, dass sie Frankreich­s weihnachtl­ichste Region ist. Und so findet in Arles auch jedes Jahr die Internatio­nale Fachmesse der Krippenher­steller statt. Die Santons, handgefert­igte Heiligenfi­guren, spiegeln in ihrer Vielfalt die provenzali­schen Bräuche wider und werden kunstvoll aus verschiede­nsten Materialie­n hergestell­t.

Landgüter der Alpilles: Wein, Käse und Oliven

Zahlreiche Güter in der Region laden dazu ein, frisches Olivenöl zu kosten. Zum Beispiel das Château d’Estoublon in Fontvieill­e. Remis Reboul betreibt hier mit seiner Familie eine vorwiegend organische Olivenölpr­oduktion und lässt sich auch gerne dabei in die Kessel schauen. Im angeschlos­senen Verkaufsla­den hat der Kunde die Qual der Wahl, denn neben verschiede­n gewürzten Öle werden hier auch Brotaufstr­iche, Confits und natürlich Wein angeboten. Dreißig Kilometer weiter östlich, am Beginn der Alpilles, hat sich Winzer Romain Baehni auf der Domaine du Vallon des Glauges mit der Produktion von Weinen seinen Lebenstrau­m verwirklic­ht. Dass aus der bonbonrosa­farbenen, eher milchigen Flüssigkei­t in den großen Stahltanks tatsächlic­h der Exportschl­ager der Region werden soll, ist schwer zu glauben. Aber schon beim übernächst­en, länger gereiften Wein derselben Sorte wird klar, warum die Provence als Hauptprodu­zent von Roséweinen gilt.

Maussane-les-Alpilles: Regionale Köstlichke­iten

Die Region rund um Maussane-lesAlpille­s gilt als Geheimtipp für Liebhaber der herzhaften provenzali­schen Küche. Hier finden sich zahlreiche stimmungsv­olle und landestypi­sche Restaurant­s für Gaumen und Geldbeutel aller Art. Auf Diät sollte allerdings nicht sein, wer sich zum Beispiel von der Wirtin im Restaurant La Fleur de Thym in Maussane-les-Alpilles umsorgen lässt. Die Küche der Region gilt gerade um diese Jahreszeit als besonders herzhaft und deftig, und so steht neben Klassikern wie geschmorte­m Lamm und Hasenkeule vor allem viel frisches Wild auf den Speisekart­en. Wer gehobene, dafür etwas leichtere Küche bevorzugt, der besucht das Restaurant L’Aupiho in der Domaine de Manville und lässt sich vor dem großen Kamin mit neu interpreti­erten Köstlichke­iten der Provence verwöhnen.

 ?? FOTOS: SRT ?? Kaffeepaus­e vor der Arena in Arles.
FOTOS: SRT Kaffeepaus­e vor der Arena in Arles.
 ??  ?? Krippenfig­uren (Santons) sind typische Handwerksa­rbeiten.
Krippenfig­uren (Santons) sind typische Handwerksa­rbeiten.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany