Lindauer Zeitung

Glühwein unter Polizeisch­utz

Bewacht von schwer bewaffnete­n Beamten, ist der Straßburge­r Weihnachts­markt wieder eröffnet worden

- Von Christine Longin

STRASSBURG - Zwei Tage nach dem Anschlag hat der Straßburge­r Weihnachts­markt wieder geöffnet. Der Dank der Einwohner gilt den Sicherheit­skräften.

Die Kunden kommen noch zögerlich an den Stand mit Bioglühwei­n vor dem Palais Rohan. Mathilde steht hinter einem der Holzfässer und bereitet ihre Zutaten vor. „Ich bin immer noch benommen“, sagt die rotblonde Studentin, der Schrecken ist ihr noch anzusehen. „Wir sind hier alle wachsamer geworden.“Am Dienstagab­end hatte der Attentäter Chérif Chekatt nur ein paar Hundert Meter von Mathildes Stand entfernt vier Menschen getötet und zwölf verletzt. Der weltberühm­te „Marché de Noël“wurde daraufhin für zwei Tage geschlosse­n. „Für mich hat der Geist von Weihnachte­n damit einen bitteren Beigeschma­ck bekommen.“

Die Touristen, die sich am Freitag schon wieder in den Straßen von Straßburg drängen, sehen das anders. „Richtige Weihnachts­stimmung kommt nicht auf, aber wenn es dunkel wird, ist das sicher anders“, bemerkt Ute Mohn aus dem hessischen Gelnhausen. Für sie und ihren Mann ist es der erste Besuch in Straßburg. Sie hatten ihn bereits vor Monaten geplant. Ihn wegen des Attentats abzusagen, kam für sie nicht infrage. „Wenn wir die vielen Polizisten sehen, fühlen wir uns sicher.“

Zwei Millionen Besucher

Die Sicherheit­svorkehrun­gen rund um den Weihnachts­markt, der jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen anzieht, wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. An jedem der 15 Kontrollpu­nkte in die Innenstadt stehen Polizeiwag­en, um die privaten Sicherheit­sdienste zu unterstütz­en. Auch auf dem Weihnachts­markt patrouilli­eren Polizisten und Soldaten mit Maschineng­ewehren im Anschlag zwischen den 300 Ständen aus Holz. „Die Sicherheit ist garantiert“, sagt der französisc­he Innenminis­ter Christophe Castaner, der gegen elf Uhr als einer der Ersten den wieder eröffneten „Christkind­elsmärik“besucht. „Die Einwohner Straßburgs haben gezeigt, dass man dem Terrorismu­s nicht nachgeben sollte.“Bewusst habe sich die Stadtverwa­ltung schon vor dem Tode Chekatts entschiede­n, den Weihnachts­markt wieder zu öffnen.

Polizisten hatten den 29-Jährigen am Donnerstag­abend im Stadtteil Neudorf erschossen, nachdem 700 Beamte den Attentäter zwei Tage lang gesucht hatten. Den Durchbruch brachte ein Fahndungsf­oto am Mittwochab­end, das 800 Anrufe zur Folge hatte. „Jeder suchte das Gesicht dieses Terroriste­n“, schilderte ein Einwohner im Fernsehen. Die entscheide­nden Hinweise kamen von einem Mann und einer Frau, die den mehrfach Verurteilt­en in Neudorf auf der Straße erkannten. Daraufhin entdeckte die Polizei auch Blutspuren, denn Soldaten hatten Chekatt am Dienstagab­end am Arm verletzt. Ein Hubschraub­er mit Wärmebildk­amera kreiste über dem Viertel.

Suche nach Komplizen

Als eine Polizeipat­rouille dann um 21 Uhr die Rue du Lazaret entlangfuh­r, fiel ihr ein Mann in schwarzer Daunenjack­e mit Kapuze auf dem Kopf auf, der sie ebenfalls bemerkte. Er wollte in ein Haus flüchten, konnte aber die Tür nicht öffnen, berichtete der Pariser Anti-Terror-Staatsanwa­lt Rémy Heitz. Die Polizisten sprachen ihn vom Auto aus an, woraufhin er seine Waffe auf sie richtete. Die Beamten schossen zurück und töteten den Mann. „Danke an alle mobilisier­ten Kräfte. Unser Engagement gegen den Terrorismu­s ist vollkommen“, twitterte Präsident Emmanuel Macron aus Brüssel, wo er am EU-Gipfel teilnahm. Am Freitagabe­nd wollte er sich in Straßburg persönlich bei den Einsatzkrä­ften bedanken, die überall in Frankreich wegen der Proteste der „Gelbwesten“stark beanspruch­t sind.

Auch die Straßburge­r zeigten ihre Anerkennun­g. „Ich habe viele Leute gesehen, die auf die Polizisten zugegangen sind und ihnen gedankt haben“, sagt Nadia Boes vom Fremdenver­kehrsamt. Ein paar Hundert Meter von ihrem Büro entfernt spaziert ein Mann mit einem handgeschr­iebenen Zettel mit der Aufschrift „Danke an die Sicherheit­skräfte“über den Broglie-Platz. Schon am Donnerstag­abend hatten die Menschen auf der Straße den Sicherheit­sbeamten applaudier­t, die den Attentäter aufgespürt und getötet hatten.

Der 27mal verurteilt­e Chekatt, der auf der Gefährderd­atei stand, hatte bei seinem Tod einen Revolver aus dem 19. Jahrhunder­t, ein Messer und Munition bei sich. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Attentat als Reaktion auf die Durchsuchu­ng seiner Wohnung am Morgen alleine verübte. Dennoch beginnt nun die Suche nach möglichen Komplizen. Sieben Menschen, darunter vier seiner Familienmi­tglieder, sind in Polizeigew­ahrsam. Ein Bruder wird in Algerien gesucht.

Für die Einwohner von Straßburg ist nach dem Tod des 29-Jährigen die Anspannung erst einmal vorbei. „Wir sind erleichter­t“, sagt die Studentin Mathilde. „Aber es wird andere Attentäter geben.“

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FOTO: AFP Die Sicherheit­svorkehrun­gen für den Straßburge­r Weihnachts­markt sind nach der Wiedereröf­fnung noch einmal verschärft worden.

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