Geplatzter letzter Traum
Die Hockeymänner müssen in den WM-Halbfinals vor Ort zuschauen
BHUBANESWAR (dpa) - Für Deutschlands Hockeyspieler ist Frustschieben angesagt – und das ausgerechnet an der Stätte der WM-Enttäuschung. Bis zur Rückreise am Montagmorgen bleibt Kapitän Martin Häner & Co. nichts anderes übrig, als die Entscheidung im Kampf um die WeltmeisterKrone in Indien tatenlos von der Tribüne aus zu verfolgen. Vorher führt für sie kein Weg zurück in die Heimat.
Mit Rang fünf in Bhubaneswar unterstrich die DHB-Auswahl zwar ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze. Doch insgeheim hatten die erfolgsverwöhnten Asse um Häner und den 2013erWelthockeyspieler Tobias Hauke mit mehr – sogar mit dem Titel – geliebäugelt. Der 4:1-Vorrundensieg gegen Top-Favorit Niederlande nährte die Hoffnungen noch, doch die 1:2-Niederlage im Viertelfinale gegen den Olympia-Zweiten Belgien brachte alle Träume jäh zum Platzen. Es war erst das dritte Verpassen eines WM-Halbfinals nach 1971 und 2014.
„Wir müssen mit etwas Abstand nach der WM genau analysieren, was dafür ausschlaggebend war, dass wir in dem K.o.-Spiel nicht unsere TopLeistung abgerufen haben“, erklärte Bundestrainer Stefan Kermas. DHBPräsident Wolfgang Hillmann sprach dem 39-Jährigen das Vertrauen aus: „Wir müssen unsere Performance in den K. o.-Spielen verbessern. Aber das ist etwas, das wir mit den handelnden Personen erreichen können“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“.
Gibt es Konsequenzen? Denkbar ist, dass einige der Routiniers, die seit Jahren Beruf und Leistungssport miteinander verknüpft haben, ihre internationale Karriere beenden. Das gilt vor allem für die letzten Vertreter der „Goldenen Generation“: Tobias Hauke und Martin Häner. Doppel-Olympiasieger Hauke (2008/2012) und Häner (Gold 2012) hatten schon nach dem Bronze-Platz 2016 bei Olympia in Rio beim DHB eine Auszeit genommen. 2017 kehrten sie zurück mit dem Fernziel, den noch fehlenden WM-Titel in Indien zu holen.
„Unser großes Ziel ist die WM“, sagte Kapitän Häner bei der EM 2017 in Amsterdam. Der Abwehrchef ist der Vorzeige-Profi für eine duale Karriere, denn das erfolgreiche HockeyAss hat quasi nebenbei sein Medizinstudium abgeschlossen. Das bedeutete einen Riesenaufwand für den an einem Berliner Krankenhaus tätigen Assistenzarzt. Ob sich der 30-Jährige noch einmal zum nächsten großen Ziel, Olympia 2020 in Tokio, für das vorher noch die Qualifikation ansteht, aufrafft, ist offen. Allerdings hat der Berliner Glück, denn er hat einen sportaffinen Chef, sodass auch ein Weitermachen möglich ist.
Der Hamburger Hauke war mit 31 Jahren der dienstälteste und mit 301 Länderspielen erfahrenste Deutsche in Indien. Der Routinier ist noch beim Fußball-Zweitligisten HSV angestellt und wurde für die WM abgestellt. Alle anderen Spieler aus dem Bhubaneswar-Kader sind im besten Hockey-Alter. Darauf lässt sich aufbauen.
So zeigte Tobias Walter (28) in Indien, dass er zu einem der weltbesten Torhüter gereift ist. Lukas Windfeder ist erst 23. Und in Christopher Rühr (24), Marco Miltkau (28), Niklas Wellen (23) und Timm Herzbruch (21) hat Kermas eine Offensive zur Verfügung, die schon als weltbeste Angriffsreihe geadelt wurde.