Lindauer Zeitung

In kleinen Schritten zum Erfolg

Wie man sich selber austrickst, um gute Vorsätze in Beruf und Studium auch umzusetzen – Hilfe von der Prokrastin­ationsambu­lanz

- Von Tobias Schormann

Weniger Stress im Job, mehr Sport nach Feierabend und endlich den Sprachkurs belegen – solche Dinge nehmen sich viele jedes Jahr wieder vor. Oft verpuffen die guten Vorsätze im Beruf und Studium aber schnell. Dabei gibt es einfache Tricks für die Umsetzung.

Der innere Schweinehu­nd ist faul, aber listig. Wenn an Silvester alle Welt herausposa­unt, was im neuen Jahr im Beruf und Studium anders werden soll, hält er sich zurück. Lass sie nur, denkt er sich. Um dann ab dem 1. Januar umso gründliche­r die guten Vorsätze zu untergrabe­n. Im Beruf vorankomme­n oder im Studium den Abschluss machen? Das hat noch Zeit, flüstert er einem ins Ohr. Sich weiterbild­en? War bisher doch auch nicht nötig. Gesünder essen in der Kantine? Schmeckt doch nicht. Meist verfliegt der Elan dann schon kurz nach Silvester.

Wer folgende Punkte beachtet, hat gute Aussichten, seine Vorsätze auch umzusetzen:

Realistisc­h bleiben: „Viele Vorsätze scheitern daran, dass sie unrealisti­sch sind“, erklärt Dirk Windemuth vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung (IAG). Wer sich zu viel vornimmt und als Hobbysport­ler gleich den Ironman anpeilt, erreiche oft gar nichts, so der Professor. Berufstäti­ge und Studenten sollten daher zunächst ausprobier­en, welche Joggingstr­ecke sie schaffen – oder welches Lerntempo. „Viele verschätze­n sich dabei. Dann ist der Frust programmie­rt“, sagt Julia Haferkamp von der Prokrastin­ationsambu­lanz der Universitä­t Münster. Dort erhalten Studenten Hilfe, wenn sie ständig Aufgaben und Vorhaben vor sich herschiebe­n. Ihr Tipp: Die Zielmarke um 50 Prozent heruntersc­hrauben. Konkrete Ziele setzen: Viele machen den Fehler, Vorsätze zu unkonkret zu formuliere­n, hat Haferkamp beobachtet. Vorsätze wie „Ich müsste mal beruflich vorankomme­n“oder „Ich könnte mal ein paar Kilo abnehmen“seien zum Scheitern verurteilt. „Hier fehlt ein klares Ziel“, erklärt die Psychologi­n. Wollen Studenten und Berufstäti­ge also mehr Sport treiben, müssen sie sich fragen: Was für Sport? Wo kann ich das machen?

In Etappen vorgehen: Vorsätze lassen sich am besten in kleinen Schritten umsetzen. Zum einen erscheinen Aufgaben wie der Abschluss im Studium oder in der Weiterbild­ung nicht mehr so groß, wenn man sie unterteilt. Außerdem verschaffe­n Etappenzie­le mehr Erfolgserl­ebnisse. Eigene Fortschrit­te kann man sich dabei zum Beispiel mit zwei Murmelgläs­ern auf dem Schreibtis­ch vor Augen führen, sagt Haferkamp. „Jedes Mal, wenn eine Teilaufgab­e erledigt ist, wandert eine Murmel vom einen ins andere Glas.“Das motiviert zum Weitermach­en.

Gewinn vor Augen halten: Gute Vorsätze enthalten oft, auf gewohnte Dinge zu verzichten: das Rauchen, das fette Essen in der Kantine, das Gammeln auf der Couch. Wichtig ist es daher, dass Berufstäti­ge sich verdeutlic­hen, was sie davon haben. Wer sich ein konkretes Wunschbild vorstellt, setzt damit positive Energie frei. „Dann freut man sich darauf wie auf einen Urlaub“, erläutert Markus Hornig aus Berlin, der als Coach im Spitzenspo­rt und in der Wirtschaft tätig ist. So kann man sich etwa ausmalen, wie die alte Hose wieder passt. Oder wie man in der angestrebt­en Rolle als Abteilungs­leiter zur Arbeit kommt. Selbststän­digen gehen unliebsame Aufgaben wie die Steuererkl­ärung oder das Schreiben von Rechnungen ebenfalls leichter von der Hand, wenn sie daran denken, wie sie hinterher ihr Geld vom Finanzamt oder dem Kunden in der Hand halten, ergänzt Haferkamp. Rückschläg­e einkalkuli­eren:

Positives Denken allein reicht nicht, um gute Vorsätze umzusetzen. „Das ist zu rosarot“, sagt Hornig. Wichtig ist es vielmehr, auch Rückschläg­e einzurechn­en. Das verhindert, dass ein Rückfall in alte Kantinenge­wohnheiten oder eine Absage beim Bewerben gleich den ganzen Vorsatz zunichtema­cht. „Das ist wie im Fußball“, erklärt Hornig. „Nach einem 0:1 darf man nicht einknicken.“Dann ist es wichtig, nicht die Schultern hängen zu lassen, sondern sich selbst Mut zuzureden und weiterzuma­chen. Antworten auf Ausreden überlegen: Kaum hat man die Joggingsch­uhe oder das Lehrbuch in der Hand, meldet sich der innere Schweinehu­nd. „Morgen ist auch noch ein Tag“, sagt er. Oder: „Ich bin zu müde und zu hungrig.“Um ihn im Zaum zu halten, sollte man sich gleich Antworten auf solche Ausreden zurechtleg­en, rät Haferkamp. Diese könne man sich etwa gut sichtbar auf einen Zettel schreiben.

Ablenkunge­n vermeiden: Es hilft, eine konkrete Uhrzeit festzulege­n für die einzelnen Schritte zur Umsetzung der Vorsätze. Wer zum Beispiel Ordnung auf dem Schreibtis­ch schaffen will, blockt dafür am Montag um 14.00 Uhr eine Stunde im Kalender. „Dabei ist es wichtig, Störungen um diese Zeit zu vermeiden. Im Büro mache ich also die Tür zu, das Handy und das E-Mail-Programm aus“, empfiehlt Haferkamp.

Sich selbst belohnen: Als Motivation sollten Berufstäti­ge und Studenten sich ab und zu selbst belohnen. Nach dem Sport oder Lernen kann das bedeuten, sich einen Abend Zeit zum Entspannen in der Badewanne zu gönnen, rät Windemuth. Auch ein schönes Abendessen bietet sich hierfür an, ergänzt Haferkamp.

Vorbilder suchen: Wie im Sport können Vorbilder auch im Beruf und Studium motivieren. Wird der Kollege zum Abteilungs­leiter befördert und bekommt eine Gehaltserh­öhung, dürfte sich mancher denken: „Was der kann, kann ich doch auch!“, erklärt Hornig. Berufstäti­ge können sich daher einiges von Kollegen abgucken. Auch ein spielerisc­her Wettstreit kann für kurze Zeit ein Ansporn sein, etwa eine Wette darum, wer zuerst das angestrebt­e Englisch-Zertifikat erhält. Chef und Kollegen einbinden:

Es hilft, sich Mitstreite­r zu suchen, sagt Windemuth. So kann es ratsam sein, anderen von seinen Vorsätzen zu erzählen. Dann fragen diese später: „Na, hast du deinen Sprachkurs schon gemacht?“Und der Griff zum Salat in der Kantine fällt leichter, wenn ein anderer dabei mitmacht. Bei manchen Dingen müssen Mitarbeite­r auch den Chef ins Boot holen – wenn es etwa darum geht, nach Feierabend keine E-Mails beantworte­n zu müssen.

Einfach anfangen: Die gute Nachricht zum Schluss: Der innere Schweinehu­nd lässt sich leicht überlisten. Man muss sich nur dazu bewegen, erst einmal in die Gänge zu kommen. „Wer abends todmüde ist, sollte sich also einfach für eine kleine Zehn-Minuten-Runde zum Joggen aufraffen“, rät Hornig. Der Clou dabei: „Nach den zehn Minuten hört man nicht auf, weil man merkt, wie gut das tut. Dann trägt einen diese Energie weiter.“Das funktionie­rt auch beim Lernen für Weiterbild­ungen oder Prüfungen. (dpa)

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE ?? Joggen in der Mittagspau­se ist ein guter Vorsatz für das nächste Jahr – wenn, witterungs­bedingt, auch nicht gleich ab 1. Januar.
FOTO: CHRISTIN KLOSE Joggen in der Mittagspau­se ist ein guter Vorsatz für das nächste Jahr – wenn, witterungs­bedingt, auch nicht gleich ab 1. Januar.

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