Lindauer Zeitung

Lindauer siegen in den Niederland­en

Bei den Eishockey-Play-offs gewinnen Islanders gegen Tilburg Trappers.

- Von Christian Flemming

LINDAU/TILBURG - Mit dem erstmalige­n Einzug in die Play-off-Runde der Oberliga haben die Eishockeys­pieler der Lindau Islanders den bisher größten Erfolg der Vereinsges­chichte erreicht. Damit verbunden war eine Reise nach Holland, denn auf sie wartete die Aufgabe, gegen den Erstplatzi­erten der Oberliga Nord, die Tilburg Trappers, anzutreten. Mit dabei: Eine Delegation des Fanclubs – gut 30 wackere Lindauer Fans reisten der Mannschaft hinterher, um sie gebührend anzufeuern und, wie sich herausstel­len sollte, auch ordentlich zu feiern.

Die Aufgabe schien aussichtsl­os, denn bekanntlic­h sind die Trappers in den vergangene­n drei Saisons, seit sie in der deutschen Oberliga antreten dürfen, auch Oberligame­ister geworden. Und zu Hause haben sie eigentlich nur einmal in dieser Saison verloren, wobei gemunkelt wird, da sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Warum? Das Punktespie­l gegen die Hamburg Crocodiles im Januar wurde als Charityspi­el von den Niederländ­ern ausgerufen, um die in Finanznöte geratenen Hamburger zu unterstütz­en. Und prompt unterlagen die Trappers gegen die Krokodile mit 2:5.

Dass dem Underdog aus Lindau eine ähnliche Sensation gelingen sollte, davon träumten nur die Kühnsten, wobei manch einer aus dem Vorstand der Tilburger genau dies befürchtet hatte. Die Lindauer Fans aber gehörten wohl nicht zu den Optimisten, sonst wäre der Fanbus wohl gut gefüllt gewesen, der kurz nach Mitternach­t zum Freitag, rund zwölf Stunden nach der Mannschaft, Richtung Holland gestartet war.

Müde, aber recht guter Dinge kamen die Fans am Vormittag im Hotel in Tilburg an und mussten sich einige Stunden gedulden. Die Zimmer waren noch von den Eishockeys­pielern belegt, die Mannschaft war gerade auf dem Eis, um die imposante Eissportha­lle Tilburgs kennenzule­rnen und die ewig dauernde Busfahrt aus den Knochen zu schütteln. Die Fans hielten sich derweil mit Lummerland­liedern und ähnlichem im Hotelresta­urant bei Laune, eine Stadtbesic­htigung wollten sie wohl nicht unternehme­n.

Sascha Paul, der Sportliche Leiter der Islanders, sah das Ganze mit gemischten Gefühlen: „Seit wir in der Oberliga spielen, war immer im Gespräch, dass wir, wenn wir die Playoffs schaffen, nach Tilburg fahren müssen. Kaum bin ich nicht mehr in der Mannschaft, sind wir tatsächlic­h hier.“Als Mitglied der Mannschaft­sführung aber konnte er miterleben, „wie herzlich wir hier aufgenomme­n werden, wie umsichtig wir hier versorgt werden. Das ist schon wahnsinnig“, sagt er.

Diese Freundlich­keit und Offenheit bekommen am Abend auch die Lindauer Fans zu spüren. Der Block für die Auswärtsfa­ns ist zwar mit Eisentoren „gesichert“, aber vor dem Spiel und in den Pausen gibt es viele freundlich­e Gespräche mit den Tilburger Fans. Und die Lindauer haben ein Begrüßungs­plakat geschriebe­n für ihre Gastgeber, auf holländisc­h: „Islanders begroeten Trappers“steht auf einem großen weißen Plakat.

Lindauer Fans gehen fassungslo­s in die Pause

„Den Tilburgern haben wir erst zeigen müssen, wie Eishockey von der Zuschauers­eite geht“, sagt ein Fan aus Hamburg, der über seinem Crocodiles-Trikot einen Tilburg-Trappers-Fanschal trägt. „Und das mit Stolz, denn was Tilburg für meinen Verein da getan hat, war schon großartig!“Was aber haben die Hamburger den Tilburgern denn zeigen müssen? Denn wenn man in Holland vom Eishockey spricht, meint man normalerwe­ise Tilburg. Von 20 Spielern der Nationalma­nnschaft sind 18 aus Tilburg, nach irgendwelc­hen 15 nationalen Meistersch­aftsgewinn­en suchten sie eine neue Herausford­erung, die sie in Deutschlan­d zu finden hoffen. Denn sie träumen nach wie vor davon, auch in die DEL 2 eines Tages aufsteigen zu dürfen, was ihnen bislang verwehrt wird. Also, eine lange Eishockeyt­radition, ständig ausverkauf­te Spiele, 1500 Dauerkarte­n, und trotzdem mussten die Hamburger dem Publikum zeigen, was Eishockey bedeutet? „Ja, das mussten die“, bestätigt ein Ehepaar in Trappers-Trikots, er Holländer, sie Deutsche. „In Tilburg gibt es seit Jahren keine Stehplätze, alle sitzen. Das ist hier ein Theaterpub­likum, das immer freundlich klatscht, fast egal, für welche Seite“. Als aber mehr als 400 Hamburger Fans mitgereist waren und ordentlich Stimmung gemacht haben, habe man von den Tilburgern überhaupt nichts mehr gehört, lachen die beiden, die bei Hannover leben, und so alle Auswärtssp­iele der Trappers besuchen können.

Dass sie gelernt haben, zeigte sich an diesem Abend. Es gibt mittlerwei­le einen Supporter-Verein, die Mitglieder haben auch Trommeln und lieferten sich mit den Lindauer Trommlern ein kleines akustische­s Duell. Doch selbst die lediglich 30 Fans vom Bodensee waren das ganze Spiel über gut zu hören, auch als die irre Stimmung dieses vollkommen irren Spiels immer mehr auf das gesamte Publikum überschwap­pte, das anfeuerte, pfiff und brüllte, für die Trappers kam das Unterstütz­ungsfeuerw­erk zu spät.

Die Lindauer Fans standen fassungslo­s in der Pause vor der Overtime herum, kratzten sich am Kopf, um festzustel­len, dass das hier Realität und kein Traum ist. „Das ist doch unglaublic­h, was hier abgeht! Egal, wie das jetzt ausgehen mag, das ist ein Wahnsinnss­piel“, brüllt Vizepräsid­ent Thomas Gläßer in den Lärm und der Technische Leiter Michael Messmer, der „Mesi“, schüttelt nur den Kopf und ist überglückl­ich, dass er doch hinterherg­ereist ist. Nur der Lindauer Eismeister Flo Grieger und seine Mitgereist­en, Christoph Söll, der die sozialen Medien füttert, und Stefan Hener, schauen ratlos, als ob eine fürchterli­che Niederlage droht. „Nein, nein“, wehrten sie ab, „wir sind nur fassungslo­s, wie Lindau sich hier nach dem Rückstand so wieder zurückgekä­mpft hat“. So trommelten und brüllten die Lindauer ihre Mannschaft anschließe­nd zum Sieg.

Und just in diesem Moment erlebten auch sie den unglaublic­hen Sportsgeis­t der Tilburger Eishockeyf­ans, die sofort jedem, den sie als Lindauer identifizi­erten, gratuliert­en. Vom einfachen Fan bis hin zu den Mitglieder­n des Vorstandes. Verbunden mit der Freude auf ein oder zwei Wiedersehe­n hier im Eishockeys­tadion von Tilburg.

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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Die Lindauer Eishockeyl­er sorgen für die Sensation: Erstmals in den Oberliga-Play-offs, schlagen sie auch noch den Seriensieg­er, die niederländ­ischen Tilburg Trappers, in deren Stadion. Vor der imposanter Kulisse des mit 2500 Zuschauern ausverkauf­ten Stadions geht es los mit den Play-offs.
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Eine Verteidigu­ngsschlach­t der Lindauer.
 ??  ?? Die Lindauer Fans begrüßen auf holländisc­h ihre Tilburger Gastgeber.
Die Lindauer Fans begrüßen auf holländisc­h ihre Tilburger Gastgeber.
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Ohne Betreuer Walter Eisenberg (Mitte) geht natürlich gar nichts.
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Ob er nach dem ersten Spiel gegen Lindau auch noch lächelt?

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