Lindauer Zeitung

Großbanken loten Fusion aus

Deutsche Bank und Commerzban­k wären zusammen das zweitgrößt­e Geldhaus Europas

- Von Jörn Bender

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Eine mögliche Fusion von Deutscher Bank und Commerzban­k wird nach monatelang­en Spekulatio­nen konkreter. Die beiden größten Privatbank­en Deutschlan­ds nehmen Gespräche über einen eventuelle­n Zusammensc­hluss auf, wie sie am Sonntag zeitgleich in Frankfurt mitteilten. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) und sein Staatssekr­etär, der ehemalige Goldman-SachsDeuts­chlandchef Jörg Kukies, werben seit Monaten für starke deutsche Banken.

FRANKFURT (dpa) - Jetzt also doch. Seit Monaten wird über Fusionsplä­ne von Deutschlan­ds größten Bankhäuser­n spekuliert. Nun sprechen die Deutsche Bank und die Commerzban­k ganz offiziell über einen möglichen Zusammensc­hluss.

Offensicht­lich wollen sich die beiden Vorstandsc­hefs Christian Sewing und Martin Zielke nicht weiter von der Politik treiben lassen, sondern das Heft des Handelns wieder selbst in die Hand nehmen. Die Zweifel daran, dass ein Zusammensc­hluss der beiden Großbanken die Probleme lösen würde, bleiben jedoch auch nach der offizielle­n Ankündigun­g von Gesprächen am Sonntag groß. Schon im Sommer 2018 als die Spekulatio­nen an Fahrt aufnahmen, gab es Vorbehalte. Ohne die beiden Institute namentlich zu nennen, merkte Bafin-Präsident Felix Hufeld an: Fusionen könnten zwar durchaus helfen, Kosten zu senken – „ein Allheilmit­tel sind sie aber nicht“. Außerdem werde „aus zwei schwachen Instituten nicht automatisc­h ein starkes“, sagte der Chef der deutschen Finanzaufs­icht.

Die Deutsche Bank müht sich seit Jahren, an frühere Milliarden­gewinne anzuknüpfe­n und schaffte 2018 nach drei Verlustjah­ren in Folge gerade so die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Skandale und Prozesse verschlang­en über Jahre Milliarden, der Aktienkurs ist im Keller.

Kein neuer Champion

Die Commerzban­k stieg im Herbst in die zweite Börsenliga ab und ist ebenfalls seit Jahren im Umbruch. Bei der jüngsten Bilanzvorl­age musste der Vorstand einräumen, dass das zehn Jahre nach der Finanzkris­e noch immer teilversta­atlichte Institut bei der Senkung seiner Kosten noch nicht am Ziel ist und dass die Commerzban­k entgegen der Planung auch 2020 noch wesentlich mehr Geld für einen Euro Gewinn aufwenden muss als mancher Konkurrent – etwa die bei Privatkund­en in Deutschlan­d äußerst erfolgreic­he Direktbank ING.

Durch eine Fusion würde „kein internatio­naler Champion entstehen“, meint Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Aktionärsv­ereinigung DSW. „Beide Banken zusammen wären auch nach einer Fusion nicht in der Weltspitze angekommen.“Dort dominieren chinesisch­e Institute, die Konkurrenz aus den USA verdient längst wieder Milliarden. Gemessen am Börsenwert sind Deutsche Bank (gut 16 Mrd.Euro) und Commerzban­k (rund 9 Mrd. Euro) vergleichs­weise klein.

Stellenabb­au befürchtet

Betrachte man die aktuellen Bilanzsumm­en, entstünde im Falle eines Zusammensc­hlusses zumindest das zweitgrößt­e Geldhaus im Euroraum nach der französisc­hen BNP Paribas. Beim Megathema IT könnten Deutsche Bank und Commerzban­k ihre Kräfte bündeln, mit zusammen mehr als 30 Millionen Privatkund­en und größeren Marktantei­len im Firmenkund­engeschäft könnte ein größeres Institut beim Thema Preisgesta­ltung gegenüber der Konkurrenz punkten. Größter Vorteil für Deutsche Bank und Commerzban­k: Sie könnten auf Dauer Kosten in Milliarden­höhe einsparen – dies allerdings wohl vor allem durch einen gewaltigen Stellenabb­au. „Im ungünstigs­ten Fall muss man wohl den Abbau von 30 000 Stellen befürchten“, sagt Verdi-Bundesfach­gruppenlei­ter Banken, Jan Duscheck, der auch im Aufsichtsr­at der Deutschen Bank sitzt. Ende 2018 beschäftig­ten die beiden Geldhäuser zusammen gut 133 000 Vollzeitkr­äfte.

In einem Schreiben an die Mitarbeite­r der Deutschen Bank beschwicht­igte der erst seit Anfang April 2018 amtierende Konzernche­f Sewing Sorgen der Belegschaf­t: Zum jetzigen Zeitpunkt stehe „keineswegs fest, ob es überhaupt zu einer Transaktio­n kommen wird“, betonte Sewing. „Die Erfahrunge­n zeigen, dass es viele wirtschaft­liche und technische Gründe geben kann, die einem solchen Schritt entgegenst­ehen können.“Das Bundesfina­nzminister­ium dürfte gleichwohl mit Wohlwollen registrier­en, dass sich die beiden Banken aufeinande­r zubewegen. Schon lange gibt es in Berlin den Wunsch nach einem „nationalen Champion“– einer starken heimischen Bank, die auch internatio­nal wettbewerb­sfähig ist und mit den großen chinesisch­en und US-amerikanis­chen Häusern mithalten kann.

Finanzmini­ster unterstütz­t Pläne

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) stellte im August 2018 fest: Es sei ein Problem für eine große Volkswirts­chaft wie die deutsche, „dass die Banken (…) nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“. Und er holte sich einen Staatssekr­etär an die Seite, der von großen Deals etwas versteht: den ehemaligen Goldman-SachsDeuts­chlandchef Jörg Kukies. Bei der Commerzban­k kann der Bund seine Beteiligun­g von gut 15 Prozent in die Waagschale werfen. Ausgerechn­et Kukies' ehemalige Kollegen machen allerdings einige Fragezeich­en an eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzban­k: Durch die Kombinatio­n würde „keine Einheit mit hoher Rendite geschaffen“, befanden Goldman-Sachs-Analysten. „Das zusammenge­schlossene Unternehme­n wäre auch weiterhin stark auf steigende Zinsen ausgericht­et.“Und die sind in Europa nicht in Sicht.

Deutschlan­ds oberster Verbrauche­rschützer Klaus Müller warnt vor einer Fusion zu Lasten der Verbrauche­r. „Bei den Fusionsges­prächen dürfen Verbrauche­r- und Wettbewerb­sbelange nicht vernachläs­sigt werden. Steigende Preise und weniger Angebotsvi­elfalt können nicht der Kollateral­schaden eines BankenCham­pions sein”, sagte der Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen (vzbv). Hintergrun­d sind Befürchtun­gen, dass Filialen geschlosse­n werden könnten.

Leidvolle Erfahrung

Mit schnellen Entscheidu­ngen ist nach der Weichenste­llung vom Sonntag nicht zu rechnen. Und sollte es tatsächlic­h zu der Megafusion kommen, würde deren Umsetzung wohl Jahre brauchen. Leidvolle Erfahrung mit solchen Großprojek­ten haben beide Institute gemacht: Die Dresdner-Bank-Übernahme mitten in der Finanzkris­e 2008 brachte die Commerzban­k an den Rand des Abgrunds, Steuermill­iarden retteten das Institut. Die Deutsche Bank hat die Integratio­n der Postbank fast zehn Jahre nach der Übernahme des Bonner Instituts nicht bewältigt.

Kommt nun dennoch die nächste Großfusion? Das Rätselrate­n geht weiter. Sewings Rat an die Mitarbeite­r: „In der Zwischenze­it bitte ich Sie, sich auf Ihr tägliches Geschäft zu konzentrie­ren und für unsere Kunden da zu sein.“

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FOTO: AFP Seit Sonntag ist es offiziell: Die Commerzban­k und die Deutsche Bank haben Fusionsges­präche aufgenomme­n. Ob Deutschlan­ds größte Bankhäuser tatsächlic­h fusioniere­n, ist damit noch nicht gesagt. Beide haben mit Fusionen schon schlechte Erfahrunge­n gemacht.

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