Von der Alb zur Adria
BSH Hausgeräte in Giengen verlagert Verkehr von der Straße auf die Schiene
GIENGEN AN DER BRENZ - Eigentlich klingt alles sehr schön, gäbe es nicht eine veraltete Lokalbahn-Strecke. Bei dieser Geschichte geht es um das Unternehmen BSH Hausgeräte GmbH. Es hat sich an eine neue Logistik-Struktur herangewagt. Vom Standort Giengen an der Brenz rollen Güter und Fertigungsteile per Bahn direkt bis zum italienischen Adria-Hafen Triest. Ebenso kommt von dort Transportgut bis auf die östliche Schwäbische Alb.
BSH-Standortleiter Gerd Ocker bezeichnet dies während eines Pressegesprächs am Montag in Giengen als gelungenes Beispiel „einer Güterverlagerung von der Straße auf die Schiene“. Er braucht dazu aber die Brenztalbahn bis Ulm. „Sie ist ein Problem“, meint Michaela Eberle, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostwürttemberg. Es geht darum, dass die am Betriebsgelände vorbeiführende Bahnlinie von Aalen über Giengen nach Ulm nur eingleisig ist – und dass noch mit Diesel gefahren werden muss. Strom hätte den Vorteil, bis zur Adria ohne ein Umspannen der Loks auskommen zu können.
Drastischer scheint aber die Eingleisigkeit der Strecke zu sein. „Es steht im Raum, dass der Takt im öffentlichen Nahverkehr verdichtet wird“, sagt Otto Sälzle, Eberles Kollege von der IHK Ulm. Die Rede ist von einem halbstündigen Verkehr. Für die BSH wäre es dann schwer, einen Güterzug verlässlich auf die Strecke zu bringen. Der öffentliche Nahverkehr hat Vorfahrt. Nächtliche Güterfahrten fallen weg. Sie sind auf der Brenztalbahn nicht erlaubt. Sälzle folgert deshalb: „Wir brauchen einen Ausbau dieser Strecke.“
Wann es so weit sein kann, ist offen. Bis auf Weiteres bleibt der BSH nur übrig, die bestehende Infrastruk- tur zu nutzen. Wobei die Südrichtung offenbar anziehend ist. BSHStandortleiter nennt sie „ausbaufähig und zukunftsträchtig“.
Dies ist eine durchaus noch junge Entwicklung. Bisher ist die Benutzung norditalienischer Tiefseehäfen im Vergleich zur Konkurrenz an der Nordsee eher bescheiden. Lange war die Infrastruktur nicht entsprechend ausgebaut gewesen. Doch inzwischen wurde unter anderem in Triest investiert. Bei BSH betrachtet man deshalb die Südroute als Alternative für den ansonsten traditionellen Transport zu den Nordseehäfen. In diese Richtung seien vielfach die Kapazitätsgrenzen erreicht, heißt es aus dem Unternehmen.
Gegenwärtig wird pro Woche im Containerterminal des Unternehmens ein Güterzug für Triest zusam- mengestellt. Bis zu dem Adria-Hafen braucht er rund 20 Stunden. „Von den Umschlagszahlen her könnten auch zwei Züge pro Woche fahren“, sagt Frank Ratter, stellvertretender Standortleiter. Dies sei das Ziel. Dann stellt das Werk seinen angegliederte Logistikbereich auch für andere Firmen zur Verfügung.
„Es gibt unter anderem saisonale Schwankungen“, erklärt Andreas Tonke vom Transportmanagement der Mediterranean Shipping Company (MSC) in Deutschland. „Wir brauchen deshalb Drittmengen und müssen schauen, dass das Ganze wirtschaftlich ist.
Die MSC fungiert als Partner der BSH. Ihr Hauptsitz ist Genf. Nach der dänischen Maersk-Line gilt sie weltweit als größte Containerreederei. Die MSC hat nicht nur eine Niederlassung in Triest, sondern soll laut Insiderangaben auch Anteile an der Hafengesellschaft haben. Gegenwärtig wird das wichtigste Terminal weiter ausgebaut. Im Hinterland investiert die italienische Regierung über eine halbe Milliarde Euro, um das Bahn- und Straßennetz als Hafenzubringer zu verbessern.
Nun ist es nicht so, dass die BSH nur auf Triest schielen würde. Das Unternehmen hat nach den jüngsten vorliegenden Zahlen im Geschäftsjahr 2017 einen Umsatz von 13,8 Milliarden Euro gemacht. Es gehört zu den führenden Herstellern von Hausgeräten und agiert global. So bringt BSH pro Woche auch bis zu sechs Züge in Richtung Nordseehäfen auf die Strecke. Triest hat aber für den Giengener Betrieb einen besonderen Charme. Zum einen ist von dort aus der Weg zu den östlichen Märkten spürbar kürzer. Zudem betreibt die BSH ein Werk bei Istanbul. Zwischen dem schwäbischen und dem türkischen Standort gibt es einen regen Austausch von Fertigteilen und Waren.
Die direkte Güterzugsverbindung an die Adria steht seit November. Wobei die BSH schon seit 2008 den Hafen nutzt. Bis 2013 geschah dies über das Containerterminal Dornstadt bei Ulm. Das heißt, die Fracht musste erst dorthin gebracht werden. Kapazitätsengpässe in Dornstadt machten aber andere Überlegungen nötig. Es kam zu folgender Lösung: Lkw fuhren mit der Ladung bis München. Von Bayerns Hauptstadt ging es dann per Zug weiter.
180 Lkw-Fahrten fallen weg
Bei der BSH wurde aber der Transport auf der Straße laut Betriebsleitung zunehmend als unwirtschaftlich und umweltschädlich betrachtet. Insgesamt seien pro Woche 180 Lkw-Fahrten zwischen Giengen und München zusammengekommen. Sie fallen nun erst einmal weg.
Ob dies auch künftig so bleibt, hängt mit der Brenztalbahn zusammen. An ihrer Zukunft könnte sich übrigens auch das Schicksal des schon lange bestehenden Güterverkehrs nach Norden entscheiden. „Wäre er nicht mehr machbar, käme dies einem GAU gleich“, munkelt ein BSH-Mitarbeiter am Rande des Pressegesprächs.