Bayerische Jugend gesünder als im Bundesschnitt
DAK-Studie legt überraschende Unterschiede zwischen Stadt und Land offen
MÜNCHEN (lby) - Die Kinder und Jugendlichen in Bayern sind gesünder als ihre Altersgenossen im Bundesdurchschnitt. Zwar dominieren dieselben Erkrankungen wie auf Bundesebene. Doch der Anteil der betroffenen Jungen und Mädchen ist vielfach geringer, wie aus einer am Dienstag in München veröffentlichten Studie der Krankenkasse DAK hervorgeht. So haben die bayerischen Kinder und Jugendlichen seltener Infektions- und Atemwegserkrankungen. Auch Fettleibigkeit kommt deutlich seltener vor als im Bundesschnitt. Jedoch gibt es im Freistaat signifikant mehr Kinder mit der „Zappelphilippstörung“ADHS oder einer Brille.
MÜNCHEN - Neurodermitis und Heuschnupfen, Asthma und Entzündungen des Magen-Darm-Traktes: Nach einer repräsentativen Studie der Universität Bielefeld im Auftrag der DAK Krankenkasse ist jedes vierte Kind im Alter bis 17 Jahren körperlich chronisch krank. Ob das früher schon so war, kann nicht beurteilt werden, denn die Studie ist die erste ihrer Art. Für sie wurden die Versichertendaten von mehr als 83000 Kindern im Freistaat aus dem Jahr 2016 verarbeitet.
Noch nie habe eine große Krankenkasse Daten in so einem Umfang ausgewertet, sagte die Leiterin der DAK Bayern Sophie Schwab am Dienstag in München. Überrascht hat dabei nicht nur der hohe Anteil an chronisch kranken Kindern, sondern auch ein deutlicher Unterschied zwischen Stadt und Land. Dabei wurde die „Bauernhof-Hypothese“widerlegt, der zufolge Kinder auf dem Land weniger Allergien entwickelten. Das Gegenteil ist der Fall: Kinder und Jugendliche, die in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern aufwachsen, leiden zu 13 Prozent mehr unter Allergien als ihre Altersgenossen in städtischen Räumen. 18 Prozent mehr Kinder auf dem Land als in der Stadt wurden 2016 wegen einer akuten Bronchitis behandelt.
„Armut macht potenziell krank“
Den erstaunlichsten Befund machten die Studienverfasser mit Blick auf Zahnarztbehandlungen von Stadtund Landkindern. Demnach wurden fast doppelt so viele Stadtkinder (91 Prozent mehr) wegen Karies behandelt als Kinder vom Lande. In der Stadt wurden mehr Kinder wegen Viruserkrankungen (plus 28 Prozent), wegen krankhaftem Übergewicht (plus 25 Prozent) und Depressionen (plus 22 Prozent) behandelt.
Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen Karies und Übergewicht einerseits sowie dem Bildungsniveau der Eltern andererseits. Kinder von Eltern ohne Bildungsabschluss waren fast dreimal so stark von Karies betroffen wie jene aus sogenannten gebildeten Haushalten. Beim Übergewicht waren es zweieinhalbmal so viele. Entwicklungsund Verhaltensstörungen, Allergien und Asthma zeigten sich bei den Kindern aus bildungsschwachen Elternhäusern ebenfalls signifikant. Damit sei erneut belegt, dass „Armut potenziell krank“mache, so die Autoren.
Die Vizevorsitzende des Berufsverbands der bayerischen Kinderund Jugendärzte Brigitte Dietz bestätigt viele Befunde. Nach ihren Beobachtungen erkranken Kinder heute häufiger an Atemwegserkrankungen. Den Grund sieht Dietz in vermehrter Berufstätigkeit junger Mütter, die deshalb ihre Kinder in eine Krippe geben. Dort würden sich die Kleinen häufig anstecken.
Viel Husten und Schnupfen
Acht bis zehn solcher Erkrankungen pro Jahr seien keine Seltenheit, so die Kinderärztin. Das gebe sich freilich meistens zur Einschulung. Kinder, die keine Krippe besuchten, seien meistens völlig frei von Atemwegserkrankungen. Bestätigen könne sie auch den klaren Zusammenhang zwischen Zahnkaries, Fettleibigkeit und dem Elternhaus. Kinder, die privat versichert seien, wiesen meistens überhaupt keine Karies auf, so Dietz.
Gesünder als im Bundesschnitt
Für Überraschung sorgte auch die relativ weite Verbreitung von Rückenschmerzen bereits im Kindesalter. 5,9 Prozent aller Kinder ab zwölf Jahren litten darunter. Das sei alarmierend, weil frühe Muskel-SkelettProbleme im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen könnten, so DAK-Landeschefin Schwab. 2,2 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe wurden wegen einer Depression behandelt. Am meisten betroffen waren Mädchen im Alter von 17 Jahren (sechs Prozent).
Bayerns Kinder und Jugendliche sind aber teilweise immer noch gesünder als dies im Bundesdurchschnitt der Fall ist. Die jungen Bayern weisen um je fünf Prozent weniger Atemwegs- und Infektionserkrankungen und um 17 Prozent weniger krankhaftes Übergewicht auf. Dafür liegt der Anteil der bayerischen Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsydrom ADHS sowie bei Kurzoder Weitsichtigkeit um jeweils 18 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.
Alarmiert von den Ergebnissen der DAK-Studie zeigte sich Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Chronische Erkrankungen könnten das Aufwachsen erheblich belasten, sagte die gelernte Ärztin am Dienstag. Erfreulich sei, dass Atemwegs- und Infektionserkrankungen sowie starkes Übergewicht bei bayerischen Kindern weniger häufig vorkämen als im Bundesdurchschnitt. Dies könne ein Hinweis darauf sein, dass die Präventionsbemühungen griffen, so die Ministerin.