Streiks haben in Lindau Tradition
Rückblick auf Schülerstreiks, Demonstrationen und Straßenblockaden
LINDAU - Der Klimaschutzstreik Lindauer Schüler samt Demonstration zum Thema „Fridays for Future“vom 15. März steht in einer kleinen örtlichen Tradition des Widerstands. Dabei waren die Themen der früheren Schülerrebellionen allerdings nicht so grundlegend wie das derzeitige.
Am 10. Oktober 1980 bestreikten zwischen 120 und 150 häufig bereits volljährige Schüler und vereinzelte Schülerinnen der Oberstufe hauptsächlich des Bodenseegymnasiums (Bogy) zwei Stunden lang den Unterricht. Sie zogen zunächst mobilisierend gemeinsam durch die Flure des Schulhauses. Danach trafen sie sich vor dessen Haupteingang. Da BogyDirektor Georg Schmidl eine erneute Diskussion zum Thema „neue Anwesenheitsordnung“verweigerte, zogen die „Kollegiaten“gemeinsam demonstrierend und mit vereinzelter weiblicher Unterstützung aus dem Mädchengymnasium, heute das Lindauer Valentin-Heider-Gymnasium, die Reutiner und die Ludwig-KickStraße entlang zum Mädchengymnasium. Lärmend besetzten sie dort vorübergehend das Erdgeschoss des Schulhauses.
Ihr Anliegen hatten sie am Vortag unter anderem mithilfe eines Flugblattes erklärt, worin stand: „Diese Regelung untergräbt die – bis jetzt als einen Sinn der Kollegstufe erachtete – Selbstverantwortlichkeit der Kollegiaten für die Leistungserbringung…“.
Im Mädchengymnasium hatte Direktor Rudolf Winkler kurzfristig eine Diskussion mit den rund 30 Oberstufen-Kollegiatinnen angesetzt, bis einige von diesen das Schulhaus verließen und sich dem Bogy-Streik sowie der Demonstration anschlossen.
Die Direktoren Schmidl und Winkler reagierten drastisch und umgehend auf diese Widerstand ihrer ältesten Schülerinnen und Schüler. Schmidl verhängte gegen rund zwei Drittel der Bogy-Kollegiaten einen „verschärften Verweis“, Winkler gegen sieben Mädchen des „MäGy“.
Deutlich weniger dramatisch verliefen die Demonstration auf der Reutiner Straße zur Reutiner Köchlin-Kreuzung sowie die Blockade ihrer südlichen Ausfahrt durch Schülerinnen und Schüler beider Lindauer Gymnasien, unterstützt von einigen Lehrkräften, am 9. Januar 2004. Ihr Protest richtete sich gegen die von der damaligen bayerischen Kultusministerin, Monika Hohlmeier (CSU) geplanten und durchgesetzten Einführung des nur noch achtjährigen Gymnasiums in Bayern, das schulische „G 8“.
Hatten die letzten beiden Schulstunden an diesem Tag häufig dazu gedient, noch schnell fantasievolle Transparente und Plakate für den Protest anzufertigen, begann die Demonstration der rund 700 Teilnehmenden unmittelbar nach Unterrichtsende.
Doch der bayernweite Protest hatte 2004 noch keinen Erfolg. Erst nach jahrelanger Kritik am „G 8“aus der Schülerschaft, der Mehrheit der Elternschaft, der Bildungsgewerkschaften sowie aus der Wissenschaft erlaubte sich die bayerische Staatsregierung im Jahre 2018 einen Gesinnungswandel. Sie führte die in der Regel neunjährige Schuldauer in bayerischen Gymnasien wieder ein.