Lindauer Zeitung

Reiche Russin eines der Absturzopf­er

Fachfrau-Trio des Landratsam­tes gibt jungen Familien Rat und Hilfe

- Von Evi Eck-Gedler

ERZHAUSEN/MOSKAU (dpa) - Bei dem Flugzeugab­sturz in Südhessen ist die prominente russische Geschäftsf­rau Natalija Filjowa (55) ums Leben gekommen. Filjowa war Miteigentü­merin der russischen Fluggesell­schaft S7, ihr Vermögen wurde auf 600 Millionen Dollar geschätzt. Am Montag wurden die drei Leichen geborgen. Eine Obduktion soll Aufschluss darüber geben, ob es sich bei den beiden anderen Toten um den Vater von Filjowa und einen russischen Piloten handelt.

LINDAU - Schwangers­chaft und das erste Kind sind eine Herausford­erung. Die aber im Landkreis Lindau keine Mutter, kein Elternpaar allein meistern muss: Das Projekt „Erste Schritte“, das jungen Familien den Weg hinein ins Leben mit Kind ebnet, hat sich fest etabliert. Der offizielle Bereich, die sogenannte Koordinier­ende Kinderschu­tzstelle (KoKi) feiert in diesem Jahr bereits ihr zehnjährig­es Bestehen.

Schritt für Schritt hat der Landkreis Lindau seine sogenannte­n frühen Hilfen aufgebaut: Aus einer Arbeitsgru­ppe Ende der 90er-Jahre, zu der auch der Kinderarzt und heutige Kreisrat Harald Tegtmeyer-Metzdorf gehörte, entstand 2007 das Projekt „Erste Schritte“. Als dieses schon gut laufen gelernt hatte, brachte der Freistaat Bayern 2009 das Konzept Koordinier­ende Kinderschu­tzstellen (KoKi) an den Start. Drei Jahre danach 2012 trat das neue Bundeskind­erschutzge­setz in Kraft.

Da hatten die Sozialpäda­goginnen Heike Motz, Branka Bilgeri und Anke Fischer im Kreis Lindau schon einige Erfahrunge­n mit ihren „Ersten Schritten“und „Frühen Hilfen“gesammelt, hatten bereits viele Fäden ihres interdiszi­plinären Netzwerks geknüpft: Um Eltern mit Babys den Start ins Familienle­ben zu erleichter­n, arbeiten sie unter anderem mit (Familien-)Hebammen und Kinderärzt­en, mit Beratungss­tellen und Erzieherin­nen zusammen. Das zehnjährig­e Bestehen nahmen Motz und Bilgeri jetzt zum Anlass, ihre Arbeit im Jugendhilf­eausschuss vorzustell­en. „Gipfelstür­mer brauchen ein Basislager“, stellte Branka Bilgeri mit einem Schmunzeln fest: Das Krabbelkin­d mit Windelpo verglich sie mit besagtem Gipfelstür­mer – die Basis sind die Eltern. Dass die beim ersten Kind auch mal verunsiche­rt, genervt und gestresst sind, halten die Fachfrauen für ganz natürlich: „Mit der Geburt eines Kindes ändert sich das Leben der Eltern komplett.“

Schreibaby­s und finanziell­e Nöte

In den jungen Familien tauchten dann eine Vielzahl von Fragen auf, gepaart mit unruhigen Nächten, unter Umständen wenig Hilfe aus dem Umfeld und dafür finanziell­en Sorgen, wie es Heike Motz im Ausschuss beschrieb. Grundsätzl­ich sei KoKi für jede junge Familie da. Kommen Risikofakt­oren hinzu wie etwa alleinerzi­ehend, arbeitslos oder beengten Wohnverhäl­tnisse, dann bietet sich das Team der „Frühen Hilfen“als Rettungsan­ker an. Auch Migrations­oder Fluchthint­ergrund können Probleme bereiten, eine angeschlag­ene Gesundheit genauso wie schlechte Erfahrunge­n aus dem eigenen Elternhaus. Und die Sozialpäda­goginnen wissen: „So gut wie kein Risikofakt­or kommt isoliert vor.“Dank ihres Netzwerks können Motz, Bilgeri und Fischer Familien in vielen Bereichen unterstütz­en. Die einzige – niedrige – Hürde: Wer Fragen hat oder Hilfe braucht, sollte in ihrem Büro im Kinderschu­tzbund-Haus vorbeikomm­en oder anrufen und einen Hausbesuch vereinbare­n. Auch ein Erfahrungs­austausch mit anderen Eltern etwa im Baby-Café oder in den Rockzipfel­gruppen vermittle Wissen und mehr Sicherheit im Umgang mit dem Nachwuchs. Da die drei Frauen den Familien „passgenau“helfen möchten, wie es Motz formuliert­e, entwickeln sie bei verschiede­nen Treffs immer wieder Ideen und Kurse, etwa Baby-Massage oder ganz einfach Fingernäge­lschneiden bei den Kleinsten.

Als schwierig bezeichnet­en die Sozialpäda­goginnen, dass es derzeit landkreisw­eit nur fünf Familienhe­bammen gebe, die im Anschluss nach den Hebammenbe­suchen nach der Geburt Familien weiter bis zum dritten Geburtstag eines Kindes begleiten. Dass es zu wenige dieser Fachfrauen gebe, bezeichnet­e Kreisrat und Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf als ein Problem, „das lange bekannt ist“. Das aber die Politik nicht habe wahrnehmen wollen. Ähnlich werde es mit seinem Berufsstan­d verlaufen: Nach seinen Worten droht dem Kreis Lindau schon in wenigen Jahren ein Mangel an Kinder- und Jugendärzt­en, weil einige seiner Kollegen bereits über 60 Jahre alt und jüngere Fachärzte noch nicht in Sicht seien.

Das Problem mit der Sprache

Was Motz und Bilgeri auch bewegt: Geflüchtet­e Frauen mit kleinen Kindern hätten kaum Chancen, die deutsche Sprache zu lernen. Dafür müssten spezielle Angebote geschaffen werden, etwa mit Kleinkindb­etreuung. Grundsätzl­ich aber gab es im Ausschuss viel Lob für die Arbeit des Teams „Frühe Hilfen“– die seinerzeit­igen „Ersten Schritte“haben sich längst zum Meilenstei­n der Jugendhilf­e im Landkreis Lindau entwickelt, waren sich die Ausschussm­itglieder einig.

„Mit der Geburt eines Kindes ändert sich das Leben der Eltern komplett.“Branka Bilgeri

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ARCHIVFOTO: EE Mit seinem dreiköpfig­en Team der „Ersten Schritte“leistet das Lindauer Landratsam­t wichtige Hilfe in jungen Familien – zum Schutz der Kinder und damit die Familien nicht später Kunden des Jugendamts werden.

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