Holperstart für Wirtshaus-Pranger
Verbraucher kämpfen beim Onlineportal Topf Secret mit störrischen Behörden
RAVENSBURG - Woran der Kunde beim Lidl und bei einem Imbiss im kleinen niedersächsischen Ort Königslutter so ist, will jemand wissen. Doch die zuständige Behörde für die Lebensmittelkontrollen im Landkreis Helmstedt veranschlagt für die Herausgabe der amtlichen Untersuchungsergebnisse zum Lidl satte 1757 Euro, zum Imbiss 1092,50 Euro. Die Behörde begründet das im Schreiben an die Antrag stellende Person, mit der „Komplexität Ihres Anliegens“und einem Bearbeitungsaufwand von „wohl mindestens 24 beziehunsgweise 15 Stunden“.
Anderer Fall: Eine Frau interessiert sich dafür, ob alles sauber ist in zwei Cafés und einer Bäckerei in der nordrhein-westfälischen Stadt Velbert. Die Behörde des Landkreises Mettmann verweigert die Aussage, behauptet die Fragende sei gar nicht an „Sinn und Zweck der Auskunftserteilung“interessiert.
„Mehrere Behörden versuchen, die Herausgabe von Ergebnissen der Lebensmittelkontrollen zu verhindern, obwohl sie per Gesetz zur Antwort verpflichtet sind“, erklärte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch der „Schwäbischen Zeitung“. Das sei ein „Angriff auf Informationsrechte“. Und weiter: Statt eines Einblicks in die Akten zu geben, „drohen einige Ämter den Fragenden mit Kosten, schüchtern sie ein“.
Dabei wollen Verbraucher Bescheid wissen, wie es genau aussieht in ihrem Lieblingslokal, im Supermarkt um die Ecke: Sind die Töpfe verdreckt, turnen Mäuse auf den Regalen voller Lebensmittel rum? Bislang hatten sie jedoch kaum eine Chance dies zu erfahren. Seit Jahren wird zwar knapp jeder vierte Betrieb, der kontrolliert wird, auch beanstandet, der Name aber nur selten bekannt. Doch seit Januar diesen Jahres gibt es das Onlineportal www.topf-secret.foodwatch.de. Das hat Foodwatch in Zusammenarbeit mit der Webseite fragdenstaat.de ins Leben gerufen. Damit sollen Hygienemängel und so fort nicht mehr im Dunkeln bleiben.
Wer die Seite öffnet, kann ein beliebiges Restaurant oder irgendeinen Lebensmittelbetrieb über eine Suchmaske oder per Klick auf einer Straßenkarte aussuchen. Gibt man dann den eigenen Namen, E-Mail- und Postadresse ein und stellt einen Standardtext dazu, geht ein formell korrektes Anschreiben an die zuständige Behörde heraus, die Ergebnisse der Hygienekontrollen mitzuteilen. Damit wird einfach, was das Verbraucherinformationsgesetz, kurz VIG, schon länger ermöglicht, sich viele aber nicht zugetraut haben: Bürger haben das Recht, sämtliche Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen der vergangenen fünf Jahre einzusehen.
Das Angebot kommt gut an: 13 000 Verbraucher haben innerhalb von knapp drei Monaten schon 20 000 Anfragen gestellt. Für die Überwachungsämter ist das neu. Sie reagieren ganz verschieden. Nicht nur Helmstedt - soweit bekannt habe noch kein Amt 1757 Euro für die Antwort gefordert - erklärte Foodwatch oder Mettmann sind für die Verbraucherschützer unrühmliche Beispiele. Foodwatch listet zudem auf: Das zuständige Amt im Hamburger Bezirk Harburg verlangte eine Kopie des Personalausweises, um den Antrag bearbeiten zu können, das in Magdeburg forderte eine aktuelle Meldebescheinigung.
Jenes im baden-württembergischen Ludwigsburg bat, sich nochmal an den Computer zu setzen. Es schrieb: „Vor dem Hintergrund, dass im Internet auch immer wieder missbräuchlich falsche Identitäten verwendet werden, bitten wir Sie uns Ihr Auskunftsersuchen nochmals zu bestätigen.“
Bürger müssten sich nicht ausweisen, könnten Anträge formlos, per Telefon oder E-Mail stellen, müssten ihr Informationsbegehren auch nicht begründen, sagt Foodwatch-Experte Oliver Huizinga: „Die Menschen haben ein Recht auf Informationen zur Lebensmittelüberwachung.
Im Südosten Baden-Württembergs haben bisher wenige Nutzer das Onlineportal Topf Secret in Anspruch genommen. In Ravensburg beispielsweise laufen derzeit zwei Anfragen, bisher allerdings unbeantwortet. Einen Nutzer in Ulm vertröstet die Stadt um einen weiteren Monat, weil er seine Anfrage nicht korrekt gestellt habe.