Lindauer Zeitung

Wollte er den Nebenbuhle­r umbringen?

Ein 52-Jähriger und sein Komplize stehen in Memmingen vor Gericht

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM/MEMMINGEN - Es war wohl das aufsehener­regendste Verbrechen, das sich 2018 in Neu-Ulm ereignet hat: Ein 52-Jähriger und ein 41-Jähriger sollen nachts den neuen Freund der Ehefrau des Älteren in einen Hinterhalt gelockt haben und dann mit einem Schlagstoc­k und einem spitzen Gegenstand auf ihn losgegange­n sein. Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und versuchten Mordes stehen die beiden türkischen Staatsange­hörigen seit gestern vor der Großen Strafkamme­r des Memminger Landgerich­ts.

Der 52-jährige Angeklagte, der seit 1979 in Deutschlan­d lebt, hatte seine Ehefrau vor 15 Jahren über Verwandte in der Türkei kennengele­rnt, die Hochzeit sei arrangiert gewesen. Sie zogen in den Landkreis Göppingen, bekamen drei Kinder. Anfang 2017 trennte sich die Frau von ihm, im Oktober desselben Jahres beantragte sie die Scheidung. Damit kam der 52-Jährige laut Anklagesch­rift aber gar nicht klar: Er akzeptiert­e weder die Trennung noch den neuen Partner seiner Frau – einen 45-Jährigen aus Ulm. Obwohl er sich wegen eines zwischenze­itlich verhängten Kontaktver­bots seiner Frau nicht nähern durfte, brachte er einen Peilsender am Auto der heute 35-Jährigen an – um so stets zu wissen, wo sie war.

Im Juni 2018 soll er sich dann entschloss­en haben, den neuen Lebensgefä­hrten seiner Frau anzugreife­n, „wobei er dessen Tod nicht ausschloss“, heißt es weiter. Der 41-jährige sei bereit gewesen, ihm dabei zu helfen. Am 8. Juli vergangene­n Jahres wollten die beiden ihren Plan laut Anklage schließlic­h umsetzen: Sie orteten das Auto, das – wie sie beide wussten – der neue Partner der 35Jährigen nutzte: Es stand an jenem Abend in der Finninger Straße in Neu-Ulm. Gegen 23 Uhr kamen sie bei dem Wagen an und zerstachen den rechten Vorderreif­en. Danach versteckte­n sie sich in der Nähe.

Zum Auftakt Pfefferspr­ay

Um kurz nach Mitternach­t kam das spätere Opfer wieder bei seinem Auto an, er hatte laut eigener Aussage einen Spaziergan­g mit einem Freund gemacht. Er setzte sich hinters Steuer, hielt jedoch nach knapp 100 Metern an, weil er den Schaden am Wagen bemerkte. Als er ausstieg, sah er den platten Reifen. Dann soll der 41jährige Komplize des Ehemannes, den der 45-Jährige nicht kannte, zu ihm gegangen sein, ihn angesproch­en und ihm mit einem Pfefferspr­ay ins Gesicht gesprüht haben.

Das Opfer rannte davon, der 41Jähriger mit einem Schlagstoc­k hinterher, und der 52-Jährige stürmte von der anderen Seite auf den flüchtende­n Mann zu. Das Opfer schaffte es zwar noch auszuweich­en, stürzte aber kurz danach – und dann sollen die beiden Angreifer auf ihn losgegange­n sein. 15 bis 20 Schläge soll der Ulmer auf Kopf, Schulter und Gesicht erlitten haben, hinzu kommen laut Anklage mindestens sieben Stiche in der Hüftgegend. Er erlitt dabei schwere Verletzung­en, unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, Schnitt- und Platzwunde­n, eine Nasenbeinf­raktur und weitere Brüche.

Durch Hilferufe wurden Anwohner auf das Geschehen aufmerksam, die beiden Angreifer flüchteten. Durch eine Großfahndu­ng der Polizei wurden die beiden aber noch am selben Tag gefasst. Seitdem sitzen sie in Untersuchu­ngshaft. Laut Anklage soll der 52-Jährige diesen „hinterlist­igen Überfall“aus niederen Beweggründ­en geplant haben: Er sei „voller Hass und Eifersucht“gewesen.

Der 41-Jährige erklärte gestern, er wollte „behilflich sein, dem Mann eine Abreibung zu verpassen“. Er entschuldi­gte sich vor Gericht beim Opfer: „Das, was ich gemacht habe, war falsch. Es tut mir leid.“Er habe ihn nicht in diesem Maße verletzen wollen. Dass der 52-Jährige einen Reifen zerstochen und ein Messer dabei hatte, habe er nicht gewusst.

Dem widersprac­h der 52-Jährige: Statt eines Messers habe er damals einen Schraubenz­ieher benutzt – und diesen habe ihm sein Mitangekla­gter noch extra scharf geschliffe­n. Der neue Partner seiner Ex-Frau – die Scheidung wurde im Dezember 2018 vollzogen – habe ihn zudem schon mehrmals angegriffe­n. Geplant hätten sie den Angriff in jener Nacht nicht, den Schlagstoc­k hätten sie „nur für alle Fälle“dabei gehabt – und als der Mann am Boden gelegen habe, hätten sie ihn nicht mehr attackiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany