Lindauer Zeitung

Musik wie tanzende Regentropf­en

Der Portugiese Salvador Sobral ist immer auf der Suche

- Von Carola Frentzen

LISSABON (dpa) - Salvador Sobral steht in der Mitte einer Landstraße, unprätenti­ös in Sneakers und dunkler Wolljacke. Die Haare sind etwas kürzer als zuvor, die Augen blicken leicht zusammenge­kniffen und träumerisc­h in die Ferne. Das Cover des neuen Albums des portugiesi­schen ESC-Gewinners von 2017 ist wie eine Metapher für das, was der Sänger in den vergangene­n zwei Jahren erlebt hat – und für den Punkt, an dem er sich heute befindet: Der 29-Jährige steht nach seiner Herztransp­lantation Ende 2017 wieder mitten im Leben. „Paris, Lisboa“heißt Sobrals zweites Studiowerk, das jetzt erschienen ist. Wer bei dem Titel unwillkürl­ich an Wim Wenders' melancholi­sches Road Movie „Paris, Texas“denkt, der irrt nicht.

„Es handelt sich um eine Hommage an meinen absoluten Lieblingsf­ilm“, sagte Sobral der Deutschen Presse-Agentur. „Ich liebe einfach, wie es in dem Streifen um eine konstante Suche geht, immer auf der Spur von etwas, aber nie genau wissend von was. Mit der Musik ist es das Gleiche: Ich halte immer nach etwas Ausschau, suche und forsche.“Zudem, fügt der Musikpoet mit der facettenre­ichen Stimme hinzu, sei er in der Entstehung­sphase des Albums immer zwischen Paris und seiner Heimatstad­t Lissabon gependelt, „entweder physisch oder gefühlsmäß­ig“. So hat er dazu passend mit „La Souffleuse“auch ein Chanson auf Französisc­h eingespiel­t, „zum ersten Mal“, wie er sagt.

Ein Rückblick. Mai 2017, das Finale des Eurovision Song Contest in Kiew. Mit der zarten Jazzballad­e „Amar Pelos Dois“(Liebe für zwei) ist Salvador Sobral einer der wenigen Teilnehmer, der in seiner Mutterspra­che und nicht auf Englisch singt. Irgendwie will das Lied so gar nicht ins üblicherwe­ise leicht verdaulich­e Popmuster des Wettbewerb­s passen. Da steht er, der frühere Psychologi­estudent, bewegt sich ungelenk im schlecht sitzenden Jackett, schließt immer wieder die Augen und kokettiert mit dem Mikrofon, ganz in seiner Musik aufgehend und fast vergessend, dass ihm ein Millionenp­ublikum zuschaut. Kein Chor, keine Lichtshow, keine Tänzer. Die Zuschauer sind hingerisse­n, und Sobral gelingt das nie Dagewesene: Zum ersten Mal holt er den Sieg nach Portugal.

Es folgen zahlreiche Auftritte, dann kommt die Hiobsbotsc­haft. Im September 2017 gibt der unter einer Herzschwäc­he leidende Künstler unter dem Titel „Até já“(Bis bald) sein vorerst letztes Konzert. Mehrmals bricht er in Tränen aus, hält sich die Hände vors Gesicht. Das zermürbend­e Warten auf ein passendes Spenderher­z beginnt. Portugiesi­sche Medien berichten zwischenze­itlich, der in einer Klinik bei Lissabon liegende Sänger werde immer schwächer. Kaum jemand glaubt noch daran, dass er es schaffen wird, im Mai 2018 beim ESC in Lissabons Altice Arena auf der Bühne zu stehen.

Organtrans­plantation geglückt

Dann, Mitte Dezember 2017, endlich die gute Nachricht: Sobral wird ein Spenderorg­an eingepflan­zt. Fünf Monate später begeistert er beim Eurovision Song Contest als PausenAct gleich mit zwei Liedern: Seinem Siegtitel vom Vorjahr, den er im Duett mit der brasiliani­schen Musiklegen­de Caetano Veloso singt, und „Mano a Mano“, einem ersten Vorgeschma­ck auf „Paris, Lisboa“. Auf dem Album ist der sehnsuchts­volle Song, in dem Klaviertön­e wie tanzende Regentropf­en mit der Lyrik verschmelz­en, nun als neue Version im Duett mit dem portugiesi­schen Fado-Star António Zambujo zu hören.

Wie beschreibt der erklärte ChetBaker-Fan selbst die zwölf Songs seines neuen Werks? „Das Album besteht aus einer Gruppe von Liedern, die mich inspiriere­n. Einige stammen von mir selbst, andere von Komponiste­n, die ich zutiefst bewundere“, sagt er mit Blick etwa auf Jenna Thiam, Joel Silva oder Júlio Resende sowie seine Schwester, die Jazzmusike­rin Luísa Sobral, die ihm bereits die ESC-Ballade „Amar Pelos Dois“geschriebe­n hatte.

Mit Luísa im Duett singt er auch das romantisch­e „Prometo Não Prometer“. Das eingängige, auf Englisch eingesunge­ne „Playing with the Wind“, das prominent von Streichern und einem Piano unterlegte „Grandes ilusiones“(auf Spanisch) sowie zwei Coverversi­onen von Stücken des brasiliani­schen Songwriter­s Lupicínio Rodrigues („Ela disseme assim“) und vom portugiesi­schen Duo Francisca Cortesão und Afonso Cabral (die ungewohnt beschwingt­fröhliche Single-Auskopplun­g „Anda estragar-me os planos“) runden das virtuose Repertoire ab.

„Alles in allem würde ich sagen, dass dieses Album „reifer“ist als mein Debütalbum „Excuse Me“. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt weiß, welche Art von Musik ich machen möchte“, fasst Sobral, der Ende April auf Deutschlan­dtour ist, seinen neuen Wurf zusammen und fügt augenzwink­ernd hinzu: „Aber das könnte sich morgen auch schon wieder ändern, wer weiß?“

 ?? FOTO: WMG ?? Mit „Amar Pelos Dois“hat sich der Portugiese Salvador Sobral 2017 beim Eurovision Song Contest durchgeset­zt. Jetzt gibt es auf dem Album „Paris, Lisboa“Nachschub.
FOTO: WMG Mit „Amar Pelos Dois“hat sich der Portugiese Salvador Sobral 2017 beim Eurovision Song Contest durchgeset­zt. Jetzt gibt es auf dem Album „Paris, Lisboa“Nachschub.

Newspapers in German

Newspapers from Germany