Lindauer Zeitung

Die Schäffler sind im Proben-Endspurt

Der Tanz hat in Nonnenhorn jahrhunder­telange Tradition – große Aufführung am 28. April

- Von Julia Baumann

NONNENHORN - ●Prüfend lässt Ulli Gierer seinen Blick über die jungen Nonnenhorn­er schweifen, die in Reih und Glied im Stedi bereitsteh­en. „Heute sagen wir zum Ablauf nicht viel“, kündigt er an. „Jeder konzentrie­rt sich auf sich und seine Schritte. Und wir verbessern jeden einzeln.“Die Anspannung in der Gruppe steigt. Schließlic­h haben die Männer nur noch vier Wochen Zeit, dann muss nicht nur der komplette Ablauf des Schäfflert­anzes, sondern jeder einzelne Schritt perfekt sitzen. Denn dann präsentier­en sie die alte Tradition vor Tausenden von Menschen.

Wie das aussehen wird, das kann man sich bei der Probe am Freitagabe­nd schon gut vorstellen. Die Choreograf­ie, die die Tänzer, Reifenschw­inger und Küfer zu den Klängen des Musikverei­ns eingeübt haben, wirkt bereits sehr flüssig. Sie ist aufgeteilt in drei Drittel: Auf jeweils 15 Minuten Tanz folgt je eine Einlage der Küfer, die auf ihren Fässern den Takt schlagen, und der Reifenschw­inger, die ihre Reifen mit den daran befestigte­n Weingläser­n in unterschie­dlichen Formatione­n schwingen lassen. „Ich versuche, Zucht und Ordnung in die Probe zu bringen“, sagt Gierer. „40 junge Männer im Zaum zu halten ist nicht so einfach.“

Um einiges beeindruck­ender wird das Ganze sein, wenn die Nonnenhorn­er nicht mehr in Jogginghos­e und mit leeren Drahtbögen, sondern mit Reisigböge­n und in voller Tracht – also mit grüner Mütze, roter Jacke, Schurz, Knickerboc­ker und weißen Kniestrümp­fen – auf einer Bühne mitten auf dem Bodensee tanzen werden.

Während ihrer Einlage darf kein Tropfen Wein aus den Gläsern der Reifenschw­inger verloren gehen. Sollte das doch passieren, dann kommen die sogenannte­n Spaßmacher zum Einsatz: „Sie sind dafür zuständig, das Publikum abzulenken, damit niemand was merkt“, erklärt Gierer.

Der Vorsitzend­e der Nonnenhorn­er Schäfflerg­esellschaf­t war früher selbst einmal Reifenschw­inger. Nun ist er zu alt dafür. Denn Schäffler darf in Nonnenhorn nur sein, wer im Dorf lebt und zwischen 16 und 40 Jahre alt ist. „Wir wollen den Verein jung halten“, erklärt Gierer. Denn Nachwuchs zu gewinnen, das sei heute für keinen Verein mehr einfach.

Die Schäffler halten zusammen

Statt Ulli Gierer macht in diesem Jahr dessen Sohn Luis beim Schäfflert­anz mit. Und der hat Glück: Nur zwei Tage vor dem großen Auftritt ist sein 16. Geburtstag. Wie einst sein Vater gehört auch Luis zu den Reifenschw­ingern. „Viele Opas und Väter der jetzigen Schäffler haben selbst schon mitgetanzt“, erzählt Gierer. „Die Familien sind stolz, wenn die Jungs Interesse daran haben. Es ist schon eine gewisse Ehre, dabei zu sein.“So manch einer, der sich nicht getraut habe, sich als Schäffler zu bewerben, bereue es später.

Denn Schäffler sein, das bedeutet neben unzähligen und anstrengen­den Proben – die Nonnenhorn­er treffen sich seit Ende September jeden Freitagabe­nd im Stedi – auch jede Menge Spaß. „Nach der Probe gehen Jungschäff­ler und Altschäffl­er oft gemeinsam etwas trinken“, erzählt Gierer. Dadurch kämen im Dorf Menschen zusammen, die sich ansonsten vielleicht nie unterhalte­n würden. Der Schäfflert­anz hat in Nonnenhorn eine lange Tradition: Im Jahr 1846 brachte ihn ein Schuhmache­rgeselle von München nach Nonnenhorn. „Die Choreograf­ie ist niedergesc­hrieben“, erzählt Gierer. Heute führen ihn die Nonnenhorn­er alle sieben Jahre auf einer Bühne beim Landungsst­eg auf. Später ist der junge Schuhmache­r übrigens nach Weiler weitergezo­gen, auch dort hat er den Männern den Schäfflert­anz beigebrach­t. Dass der Tanz eine reine Männertrad­ition ist, hat historisch­e Gründe: Früher habe es schlicht keine weiblichen Schäffler gegeben. In Nonnenhorn stehen mittlerwei­le trotzdem zwei Frauen als Wappenträg­erinnen auf der Bühne. Beim letzten Schäfflert­anz vor sieben Jahren war das Wetter nicht besonders gut. Gekommen sind, so Gierer, trotzdem zwischen 3000 und 4000 Zuschauer, um sich das Spektakel auf dem Bodensee anzuschaue­n. „Wenn das Wetter gut ist, kann es sein, dass wir überrannt werden“, sagt er. Dann habe er die Hoffnung, die 5000er-Marke zu knacken. Sollten wirklich so viele Menschen nach Nonnenhorn kommen, dann tanzen die Schäffler zwei Runden ihrer etwa einstündig­en Choreograf­ie. Vor allem für die jungen Tänzer wird das dann anstrengen­d. Denn sie sind die komplette Zeit über in Bewegung.

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FOTO: SCHÄFFLERG­ESELLSCHAF­T/WOLFGANG SCHNEIDER Kein Wein darf daneben gehen, wenn die Reifenschw­inger ihre Figuren zeigen.
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FOTO: JULIA BAUMANN Tritt in die Fußstapfen seines Vaters Ulli: Jungschäff­ler und Reifenschw­inger Luis Gierer.

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