Einstellungskriterium Rauheit
Inka Grings ist die erste Trainerin einer Männermannschaft aus den obersten vier Ligen
DÜSSELDORF (dpa/SID) - Inka Grings war schon als Fußballspielerin dafür bekannt, Grenzen zu durchbrechen. Mit ihren mehr als 300 Treffern ist die frühere Weltklassestürmerin die Rekordtorschützin der Frauen-Bundesliga. Nun sorgt die 40-Jährige auch als Trainerin für ein Novum: Als erste Frau übernimmt die frühere Europameisterin einen Männerverein aus den obersten vier Ligen.
Im Abstiegskampf der Regionalliga West setzt der SV Straelen künftig auf die Fußballlehrerin. Inka Grings folgte am Montag auf den entlassenen Marcus John. Ganz alleine meistern muss Grings, die bereits von 2014 bis 2017 die Frauen des MSV Duisburg trainierte und in der vergangenen Saison die männliche B-Jugend von Viktoria Köln betreute, die Aufgabe in Straelen nicht. Ihr zur Seite soll Thomas Drotboom als gleichberechtigter Chefcoach stehen.
Straelens Boss mit der Bundestrainerin verheiratet
„Als ich in der vergangenen Woche dem bisherigen Trainer kündigen musste, habe ich mit Grings und Drotboom Kontakt aufgenommen und gefragt, ob sie sofort kommen können“, sagte der Club-Vorsitzende und Mäzen Herrmann Tecklenburg. Für Tecklenburg, der mit Fußball-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg verheiratet ist, keine ungewöhnliche Entscheidung. Seine Ehefrau arbeitete bereits 2003 als Teammanagerin für den damaligen Oberligisten. „Ich habe mit Martina als Trainerin hier gute Erfahrungen gemacht“, sagte Tecklenburg dem „kicker“: „Sie hat unheimlich viele Dinge gesehen und in den Pausen angesprochen, die mir so gar nicht aufgefallen waren. Daher wird das auch mit Inka gut klappen.“Tecklenburgs Frau Martina Voss-Tecklenburg, einst Lebensgefährtin von Grings, hält große Stücke auf eine „ihrer besten Freundinnen“. Auf die Frage, wann erstmals eine Trainerin den Durchbruch in die MännerBundesliga schaffe, antwortete die Bundestrainerin jüngst der WAZ: „Ich würde diesen Job Inka Grings zutrauen, vielleicht erst einmal über eine Station in der Regionalliga.“Diese Station ist nun Straelen, das derzeit sechs Punkte vor dem Abstiegsplatz 15 liegt. „Das Tempo, der andere Umgang, mehr erreichen zu können – das ist das, wonach ich strebe“, sagte Grings bereits 2017 und betonte: „Natürlich will ich auch ein Stück weit Geschichte schreiben.“Hermann Tecklenburg sieht überhaupt keine Probleme darin, dass eine Frau ein Männerteam trainiert. „Ich weiß, dass Frauen mehr Ehrgeiz haben und mehr Präzision in ihre Arbeit stecken als manche Männer“, sagte er. Von Inka Grings ist er ohnehin überzeugt. „Ich weiß, welche Energie sie in die Arbeit steckt. Sie stammt aus einer Düsseldorfer Arbeiterfamilie und spricht den rauen Ton der Fußballer. Sie lässt sich von den Jungs nicht ins Boxhorn jagen.“
Für Grings zählt erst einmal nur die Mission Klassenverbleib. Fast eine Woche bleibt der 40-Jährigen bis zum ersten Spiel gegen den SC Verl am Samstag. Formalitäten können später geregelt werden. „Wir kennen uns seit 20 Jahren. Einen Vertrag brauchen wir nicht“, so Tecklenburg.
Wie schnelllebig das Geschäft im Fußball ist, musste zuletzt eine andere Pionierin erfahren: Erst im Dezember hatte Imke Wübbenhorst beim Fünftligisten BV Cloppenburg ihr Amt angetreten. Das vielbeachtete Engagement der 30-Jährigen beim Oberligisten endet im Sommer, offizielle Lesart: Wübbenhorst wolle ihren Fußballlehrer machen.
In Frankreich war man ein paar Schritte weiter: Die frühere Nationalspielerin Corinne Diacre trainierte ab 2014 drei Jahre lang den männlichen Zweitligisten Clermont Foot. Seit 2017 ist Diacre Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft.