Drogen bekommt man im „Darknet“leicht
32-Jähriger lässt sich Heroin und Amphetamin per Post liefern.
KREIS LINDAU/KEMPTEN - Heroin, Amphetamin oder Ecstasy - wer sich harte Drogen besorgen möchte, der muss dafür nicht mehr an dunkle Straßenecken oder nachts in Parks gehen. Das funktioniert mittlerweile auch per Mausklick im so genannten Darknet, einem verschlüsselten Teil des Internets. Dort hinein zu kommen ist nicht schwierig, wie ein 32Jähriger aus dem Landkreis Lindau am Dienstag vor dem Kemptener Landgericht beteuerte. Ein bisschen googlen reicht.
„Ich hatte keine Straßenkontakte, nichts“, sagte der Angeklagte aus. Trotzdem gelang es ihm 2017 einen „regen Handel mit erheblichen Mengen Marihuana, Haschisch und Amphetamin“zu betreiben, wie es die Staatsanwaltschaft formulierte. Die Drogen kaufte der Mann, der unter dem Pseudonym „Wonderwoman 87“auftrat, bei einem Geschäft im so genannten Darknet.
„Wie haben Sie den Kontakt hergestellt ins Darknet?“, wollte Christoph Schwiebacher, Vorsitzender Richter am Kemptener Landgericht, wissen. „Das gibt man in Google ein und dann kommt man ins Darknet“, erklärte der 32-Jährige. „Heutzutage im Internet ist alles möglich.“
Per Post wurden die Drogen dann entweder an seine Adresse im Landkreis Lindau oder zu seiner Großmutter nach Leutkirch geliefert. Aufgeflogen ist alles, als die Polizei einige dieser Päckchen beschlagnahmte. Die Beamten hatten bereits den Abnehmer des Angeklagten im Visier gehabt, der nun in der Ravensburger Justizvollzugsanstalt auf sein eigenes Verfahren wartet.
Die Drogen hatte der Angeklagte, der alles gestand, was die Staatsanwaltschaft ihm vorwarf, auf einem Feld vor seiner Wohnung verkauft. Im Haus waren Freundin und Baby. Das Geld habe er gebraucht, um seine eigene Sucht zu finanzieren – in die er unverschuldet hinein geraten sei: Nach einem Bandscheibenvorfall sei er abhängig von Schmerzmitteln geworden, eine Kur haber er nur nach einem Entzug machen dürfen, den er aber nicht durchgehalten habe. „Da habe ich selber im Internet geschaut, was es alles so gibt.“
Für sich selbst besorgte der 32Jährige Heroin, für das er zwischen 3000 und 5000 Euro pro Monat ausgab. Seinen Abnehmer, der die Drogen streckte und weiterverkaufte, versorgte er mit Amphetamin und Cannabis. Später, als die Polizei den „in Isny bekannten Straßendealer“erwischte, verpfiff dieser den Angeklagten.
Angeklagter ist „hochrot und nassgeschwitzt“
Die Lindauer Kriminalpolizei durchsuchte daraufhin die Wohnung des Angeklagten – und fand neben den Drogen, die der Angeklagte in der Waschmaschine versteckt hatte, auch eine Gasund eine Luftdruckpistole. Und den Angeklagten, der im Bett lag und sich schlafend stellte. „Er war hochrot und klatschnass geschwitzt. So habe ich noch nie jemanden bei der Durchsuchung angetroffen“, sagte ein Lindauer Kriminalpolizist aus.
Entscheidend für das Strafmaß war letztendlich, welche Rolle die beiden Pistolen beim Drogenhandel des Angeklagten gespielt haben. Keine, entschied das Schöffengericht am Ende. Richter Schwiebacher verurteilte den 32-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und ordnete eine Entziehungskur von eineinhalb Jahren an. Außerdem muss der Angeklagte 7200 Euro, die er mit den Drogen verdient hat, bezahlen. Damit blieb das Gericht weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die die Voraussetzungen für ein bewaffnetes Handeltreiben gegeben sah und sechs Jahre und vier Monate Gefängnis forderte.
„Sie haben sofort alles auf den Tisch gelegt, Verkäufer, Käufer und Preise genannt. Das wird Ihnen hoch angerechnet“, sagte Richter Schwiebacher und erklärte im gleichen Atemzug, dass eine Bewährungsstrafe, wie sie Anwalt Marc Siebler gefordert hatte, nicht in Betracht gekommen sei. „Es muss schon viel passieren, dass wir überhaupt soweit runter gehen.“
Um eine stationäre Therapie kommt der Angeklagte, der mittlerweile Methadon anstelle von Heroin bekommt, nicht herum. Sie wird eineinhalb Jahre dauern. „Wenn Sie es ernst meinen, dann haben Sie jetzt ein Chance“, sagte Schwiebacher in Richtung des Angeklagten. „Wenn Sie das schaffen, dann haben Sie die Chance, dass Sie die Reststrafe zur Bewährung bekommen.“Genug Motivation dürfte der Angeklagte dafür haben. Denn im Zuschauerraum saßen seine hochschwangere Freundin und sein kleiner Sohn.
„Das gibt man in Google ein und dann kommt man ins Darknet.“
Der Angeklagte