Lindauer Zeitung

Der Eisbär, der Klimaschut­z, die Kanzlerin und Kretschman­ns Empfehlung

Die deutschen Treibhausg­asemission­en sind 2018 etwas gesunken – und das hat ausgerechn­et mit der Rekord-Trockenhei­t im Sommer zu tun

- Von Igor Steinle und Agenturen

Der Eisbär gilt als Symbol für den Klimawande­l. Während seine Artgenosse­n am Nordpol damit zu kämpfen haben, spielt Hertha (Foto: dpa), wie der kleine Eisbär des Berliner Tierparks nun heißt, mit Bällen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich derweil in der Hauptstadt mit Schülern des Thomas-Mann-Gymnasiums und lobte deren Einsatz für den Klimaschut­z: „Es ist richtig, dass ihr uns Dampf macht.“Baden-Württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n nannte die Idee hinter den Protesten der Schüler zwar gut, fügte aber hinzu, „ziviler Ungehorsam ist ein symbolisch­er Akt. Das kann keine Dauerveran­staltung sein.“

BERLIN - Gute Nachrichte­n waren zuletzt eher rar in der Klimapolit­ik. Am Dienstag jedoch hatte Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) endlich mal wieder die Gelegenhei­t, einen Erfolg zu vermelden: Das erste Mal nach vier Jahren Stagnation sind die deutschen Treibhausg­as-Emissionen wieder gesunken.

„Deutschlan­d hat 2018 deutlich mehr Energie aus Wind und Sonne gewonnen und zugleich weniger Kohle, Öl und Gas verbrannt“, erklärte Schulze. Um 38 Millionen Tonnen hat der Ausstoß im Vergleich zum Vorjahr laut einer Prognose des Umweltbund­esamtes abgenommen. Das entspricht einem Rückgang von 4,2 Prozent. Fast ein Drittel der Ersparnis kommt dabei aus dem Energieber­eich – etwa durch die Stilllegun­g von Steinkohle­kraftwerke­n.

Im Vergleich zu 1990 hat Deutschlan­d seine Emissionen damit um knapp 31 Prozent gesenkt. Vorgenomme­n hatte man sich eigentlich mehr, 40 Prozent sollten es bis 2020 sein. Überschwän­gliche Freude wollte im Umweltmini­sterium deswegen angesichts der Zahlen nicht so recht aufkommen.

„Uns ist vollkommen klar, dass wir noch mehr Tempo aufnehmen müssen“, sagte Schulze. Denn bis 2030 müssen die Treibhausg­asemission­en in Deutschlan­d um mindestens 55 Prozent sinken. Nach dem außergewöh­nlichen Jahr 2018 müsse 2019 deswegen zum „Klimajahr“werden, forderte die Umweltmini­sterin.

Mit „außergewöh­nlich“meinte Schulze den vergangene­n Dürresomme­r. Dieser hat seinen Teil dazu beigetrage­n, dass weniger Treibhausg­ase ausgestoße­n wurden. Denn die niedrigen Wasserstän­de in den Flüssen führten dazu, dass weniger Kohle, Heizöl und Diesel transporti­ert werden konnten – was wiederum den Preis der knappen Rohstoffe erhöhte. Schulze: „Hier bedroht der Klimawande­l seine eigenen Ursachen.“Welches Ausmaß dieser Effekt konkret hat, ist allerdings unklar, sagte der Emissionse­xperte Michael Strogies vom Umweltbund­esamt. Klar hingegen ist, dass 15 Millionen Tonnen CO2 an Heizemissi­onen aufgrund der milden Witterung eingespart wurden.

Ebenfalls können die Experten bisher nur mutmaßen, wie der leichte Emissionsr­ückgang von drei Prozent beim Klimasorge­nkind Verkehr zustande kam. Strogies tippt auf erhöhte Dieselprei­se.

Für Umweltverb­ände ist der Rückgang deswegen kein Erfolg. Sie kritisiere­n, dass er lediglich Folge des milden Winters und zeitweise teurem Öl, nicht jedoch Klimaschut­zmaßnahmen zu verdanken sei. Energieexp­erte Michael Schäfer vom WWF sagte, nötig sei nun ein wirksames Klimaschut­zgesetz. Um ein solches zu beraten, wollen die zuständige­n Minister in der kommenden Woche zum „Klimakabin­ett“zusammenko­mmen.

Die Bundesregi­erung will in diesem Jahr ein Klimaschut­zgesetz beschließe­n. Umweltmini­sterin Schulze will feste Vorgaben für jedes Ressort – dies aber stößt auf Widerstand in der Union.

Verbände fordern mehr Tempo

Schäfer sagte, der leichte Rückgang des Treibhausg­as-Ausstoßes sei nicht zusätzlich­en Klimaschut­zmaßnahmen zu verdanken, sondern vielmehr einem milden Winter und zeitweise teurerem Öl. Nötig sei nun ein wirksames Klimaschut­zgesetz.

Auch die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) verlangte ambitionie­rte CO2Minderu­ngsziele für alle Sektoren. „Mit dem Hitzesomme­r 2018 sind wir Zeuge des Klimawande­ls geworden – das lässt die Klimabilan­z Deutschlan­ds schöner aussehen, als sie ist“, sagte DUH-Expertin Constantin Zerger. Die milde Witterung habe dazu geführt, dass deutlich weniger geheizt worden sei. „Sich jetzt auf der scheinbar schönen Bilanz auszuruhen, wäre fatal.“

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FOTO: DOA Mehrere Steinkohle­kraftwerke wurden 2018 stillgeleg­t. Das trug zum Rückgang der Emissionen bei.

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