Burgfrieden bei der AfD
Landtagsfraktion rauft sich zusammen – vorerst
MÜNCHEN (lby) - Die AfD-Landtagsfraktion will sich nach tagelangen Querelen um einen möglichen Fraktionsausschluss des Abgeordneten Franz Bergmüller zusammenraufen – vorerst jedenfalls. Ein Antrag auf Rauswurf Bergmüllers wurde in einer Fraktionssitzung am Dienstag nicht zur Abstimmung gestellt. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner hatte dies zunächst angekündigt, die Abstimmung aber kurzfristig wieder von der Tagesordnung genommen. Sie bestritt, dass dies wegen mangelnder Erfolgsaussichten des Ausschlussantrags oder einer Einflussnahme der Bundes-AfD geschah. Ebner-Steiner sagte nach der Sitzung: „Wir sind eine Fraktion. (…) Wir bekämpfen nicht uns selber, sondern wir bekämpfen den politischen Gegner.“Bergmüller bremste. „Wir werden sehen, wie es die nächste Zeit weitergeht“, sagte er. Ob die Fraktion eine Zukunft habe, „wird die Zukunft ergeben“.
MÜNCHEN (lby) - Am Ende dieser denkwürdigen AfD-Fraktionssitzung stehen die beiden Kontrahenten zwei, drei Meter voneinander entfernt und geben Interviews – und zwar mit bemerkenswert unterschiedlichen Aussagen. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner bekundet nach tagelangen Querelen um einen möglichen Fraktionsausschluss des AfD-Abgeordneten Franz Bergmüller, die Fraktion wolle konstruktiv zusammenarbeiten – auch wenn man sich nicht „lieben“müsse.
Bergmüller dagegen bremst: „Wir werden sehen, wie es die nächste Zeit weitergeht.“Ob die Fraktion eine Zukunft habe, „wird die Zukunft ergeben“. Fakt ist: Der Fraktionsausschluss Bergmüller ist vom Tisch – erst einmal. Doch die tiefen internen Gräben bleiben.
Austritt brachte alles ins Rollen
Kein halbes Jahr nach der Landtagswahl befindet sich die AfD-Fraktion in schweren Turbulenzen. Die Fraktionssitzung am Dienstag markiert da nur den vorläufigen Höhepunkt eines heftigen internen Streits. Denn klar ist: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Rückblick: Mitte vergangener Woche erklärt der Mittelfranke Raimund Swoboda seinen Austritt aus Partei und Fraktion – und erhebt in einer schriftlichen Stellungnahme schwere Vorwürfe gegen einige seiner Ex-Kollegen: Er müsse erkennen, „wie sich Leute im geistigen Gewand und Jargon eines neonational-revolutionären Extremismus-Denkens eine Fraktion „unter den Nagel reißen“. Diese träten „im Parlament mit steter Provokation als rechtsradikale Gesinnungshasardeure“auf.
Unterstützung erhält er von – Bergmüller. Dieser solidarisiert sich umgehend öffentlich mit Swoboda und warnt vor einem Rechtsruck der AfD: „Wenn die Protagonisten des bürgerlich-liberalen Flügels gehen, driftet die AfD unweigerlich nach rechts ab“, schreibt Bergmüller.
Spätestens jetzt eskaliert der Machtkampf. Ebner-Steiner wirft Bergmüller Illoyalität vor und kündigt für Dienstag die Abstimmung über einen Ausschlussantrag „aus der Mitte der Fraktion“an. Das lässt sich Bergmüller nicht gefallen, er wehrt sich öffentlich.
Aus beiden Lagern ist zu hören, dass daraufhin viele Telefondrähte glühen. Auch die Bundes-AfD schaltet sich nach Angaben aus Parteikreisen ein, unter anderem Alexander Gauland. Es wird auf die Europawahl Ende kommenden Monats verwiesen und vor einem möglichen Schaden für die Partei und drohenden Stimmenverlusten gewarnt.
Am Ende nimmt Ebner-Steiner den Ausschlussantrag von der Tagesordnung – und versucht, ihre eigene, treibende Rolle herunterzuspielen: „Die Sache wurde abgeblasen, weil der Antrag zurückgezogen wurde“, sagt sie. Eine Einmischung aus der Bundes-AfD bestreitet sie wiederholt.
Tatsächlich gilt als ungewiss, ob die nötige Stimmenzahl für einen Rauswurf zusammengekommen wäre. Ebner-Steiner geht fest davon aus, ihr Co-Fraktionschef Markus Plenk ebenso fest vom Gegenteil.
Bergmüller sagt nach der Fraktionssitzung selbstsicher, er hätte gerne Klarheit gehabt. „Dann hätte ich gewusst, wie jeder steht.“Doch die Verfasser des Ausschlussantrags wollten partout keine Abstimmung mehr – sie hätten eine Zwei-DrittelMehrheit gebraucht.
Klar ist seit vergangener Woche: Der interne Richtungsstreit, die tiefen Gräben in der Fraktion – all das lässt sich inzwischen nicht mehr überdecken. Offensichtlich wurden diese Gräben schon bei einem Eklat, als mehrere AfD-Abgeordnete eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Landtag verließen, als Reaktion auf eine Rede der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Sitzen blieben damals nur einige wenige AfD-Politiker – darunter Plenk, Bergmüller und Swoboda.
Drei Rügen in wenigen Wochen
Und drei Rügen für AfD-Politiker binnen weniger Wochen – die ersten drei seit 25 Jahren – sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache: Teile der AfD scheuen nicht vor Grenzüberschreitungen zurück. Die Fraktion ist gespalten. Ebner-Steiner gilt als Vertraute des Thüringer AfDRechtsaußens Björn Höcke. Sie und andere AfD-Abgeordnete werden dem rechtsnationalen Flügel der Partei zugerechnet. Auf der anderen Seite stehen gemäßigtere Abgeordnete wie Plenk. Und noch eine dritte Gruppe steht irgendwo dazwischen.
Die Spaltung zeigt sich auch in einem Abstimmungsergebnis vom Dienstag: Nur 11 von 20 anwesenden AfD-Abgeordneten unterstützen dem Vernehmen nach einen Beschluss, wonach man „keinen Kurswechsel“vollziehe, sondern am „politischen Kurs“festhalte und sich von den Äußerungen Swobodas distanziere. Heißt umgekehrt: Neun Abgeordnete wollen sich nicht explizit von dessen Kritik distanzieren.
Nach der Fraktionssitzung am Mittwoch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis es zum nächsten Krach kommt. Ebner-Steiners Machtposition in der Fraktion scheint nach dem gescheiterten Rauswurf in jedem Fall erstmal geschwächt. Nicht wenige in der Partei drohen intern schon mit einer Abrechnung bei der nächsten Wahl der Chefposten im Landesverband. „Dass sie noch mal zur Vize gewählt wird, dürfte sich erledigt haben“, sagt einer aus dem Lager ihrer Kritiker. Sie habe den Bogen jetzt ein für alle Mal überspannt.
Bergmüller jedenfalls kann seinen Groll nicht verbergen. „Der Antrag war unnötig, ganz einfach“, wettert er, spricht von „Zinnober“, den Ebner-Steiner losgetreten habe. Ob er nochmals ein Bier mit ihr trinken würde, wird er gefragt – und antwortet prompt: „Privat? Nein. Ganz einfach“. Ebner-Steiner dagegen sagt: „Selbstverständlich. Jederzeit.“