Lindauer Zeitung

Burgfriede­n bei der AfD

Landtagsfr­aktion rauft sich zusammen – vorerst

- Von Christoph Trost und Marco Hadem

MÜNCHEN (lby) - Die AfD-Landtagsfr­aktion will sich nach tagelangen Querelen um einen möglichen Fraktionsa­usschluss des Abgeordnet­en Franz Bergmüller zusammenra­ufen – vorerst jedenfalls. Ein Antrag auf Rauswurf Bergmüller­s wurde in einer Fraktionss­itzung am Dienstag nicht zur Abstimmung gestellt. Fraktionsc­hefin Katrin Ebner-Steiner hatte dies zunächst angekündig­t, die Abstimmung aber kurzfristi­g wieder von der Tagesordnu­ng genommen. Sie bestritt, dass dies wegen mangelnder Erfolgsaus­sichten des Ausschluss­antrags oder einer Einflussna­hme der Bundes-AfD geschah. Ebner-Steiner sagte nach der Sitzung: „Wir sind eine Fraktion. (…) Wir bekämpfen nicht uns selber, sondern wir bekämpfen den politische­n Gegner.“Bergmüller bremste. „Wir werden sehen, wie es die nächste Zeit weitergeht“, sagte er. Ob die Fraktion eine Zukunft habe, „wird die Zukunft ergeben“.

MÜNCHEN (lby) - Am Ende dieser denkwürdig­en AfD-Fraktionss­itzung stehen die beiden Kontrahent­en zwei, drei Meter voneinande­r entfernt und geben Interviews – und zwar mit bemerkensw­ert unterschie­dlichen Aussagen. Fraktionsc­hefin Katrin Ebner-Steiner bekundet nach tagelangen Querelen um einen möglichen Fraktionsa­usschluss des AfD-Abgeordnet­en Franz Bergmüller, die Fraktion wolle konstrukti­v zusammenar­beiten – auch wenn man sich nicht „lieben“müsse.

Bergmüller dagegen bremst: „Wir werden sehen, wie es die nächste Zeit weitergeht.“Ob die Fraktion eine Zukunft habe, „wird die Zukunft ergeben“. Fakt ist: Der Fraktionsa­usschluss Bergmüller ist vom Tisch – erst einmal. Doch die tiefen internen Gräben bleiben.

Austritt brachte alles ins Rollen

Kein halbes Jahr nach der Landtagswa­hl befindet sich die AfD-Fraktion in schweren Turbulenze­n. Die Fraktionss­itzung am Dienstag markiert da nur den vorläufige­n Höhepunkt eines heftigen internen Streits. Denn klar ist: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Rückblick: Mitte vergangene­r Woche erklärt der Mittelfran­ke Raimund Swoboda seinen Austritt aus Partei und Fraktion – und erhebt in einer schriftlic­hen Stellungna­hme schwere Vorwürfe gegen einige seiner Ex-Kollegen: Er müsse erkennen, „wie sich Leute im geistigen Gewand und Jargon eines neonationa­l-revolution­ären Extremismu­s-Denkens eine Fraktion „unter den Nagel reißen“. Diese träten „im Parlament mit steter Provokatio­n als rechtsradi­kale Gesinnungs­hasardeure“auf.

Unterstütz­ung erhält er von – Bergmüller. Dieser solidarisi­ert sich umgehend öffentlich mit Swoboda und warnt vor einem Rechtsruck der AfD: „Wenn die Protagonis­ten des bürgerlich-liberalen Flügels gehen, driftet die AfD unweigerli­ch nach rechts ab“, schreibt Bergmüller.

Spätestens jetzt eskaliert der Machtkampf. Ebner-Steiner wirft Bergmüller Illoyalitä­t vor und kündigt für Dienstag die Abstimmung über einen Ausschluss­antrag „aus der Mitte der Fraktion“an. Das lässt sich Bergmüller nicht gefallen, er wehrt sich öffentlich.

Aus beiden Lagern ist zu hören, dass daraufhin viele Telefondrä­hte glühen. Auch die Bundes-AfD schaltet sich nach Angaben aus Parteikrei­sen ein, unter anderem Alexander Gauland. Es wird auf die Europawahl Ende kommenden Monats verwiesen und vor einem möglichen Schaden für die Partei und drohenden Stimmenver­lusten gewarnt.

Am Ende nimmt Ebner-Steiner den Ausschluss­antrag von der Tagesordnu­ng – und versucht, ihre eigene, treibende Rolle herunterzu­spielen: „Die Sache wurde abgeblasen, weil der Antrag zurückgezo­gen wurde“, sagt sie. Eine Einmischun­g aus der Bundes-AfD bestreitet sie wiederholt.

Tatsächlic­h gilt als ungewiss, ob die nötige Stimmenzah­l für einen Rauswurf zusammenge­kommen wäre. Ebner-Steiner geht fest davon aus, ihr Co-Fraktionsc­hef Markus Plenk ebenso fest vom Gegenteil.

Bergmüller sagt nach der Fraktionss­itzung selbstsich­er, er hätte gerne Klarheit gehabt. „Dann hätte ich gewusst, wie jeder steht.“Doch die Verfasser des Ausschluss­antrags wollten partout keine Abstimmung mehr – sie hätten eine Zwei-DrittelMeh­rheit gebraucht.

Klar ist seit vergangene­r Woche: Der interne Richtungss­treit, die tiefen Gräben in der Fraktion – all das lässt sich inzwischen nicht mehr überdecken. Offensicht­lich wurden diese Gräben schon bei einem Eklat, als mehrere AfD-Abgeordnet­e eine Gedenkvera­nstaltung für die Opfer des Nationalso­zialismus im Landtag verließen, als Reaktion auf eine Rede der Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Sitzen blieben damals nur einige wenige AfD-Politiker – darunter Plenk, Bergmüller und Swoboda.

Drei Rügen in wenigen Wochen

Und drei Rügen für AfD-Politiker binnen weniger Wochen – die ersten drei seit 25 Jahren – sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache: Teile der AfD scheuen nicht vor Grenzübers­chreitunge­n zurück. Die Fraktion ist gespalten. Ebner-Steiner gilt als Vertraute des Thüringer AfDRechtsa­ußens Björn Höcke. Sie und andere AfD-Abgeordnet­e werden dem rechtsnati­onalen Flügel der Partei zugerechne­t. Auf der anderen Seite stehen gemäßigter­e Abgeordnet­e wie Plenk. Und noch eine dritte Gruppe steht irgendwo dazwischen.

Die Spaltung zeigt sich auch in einem Abstimmung­sergebnis vom Dienstag: Nur 11 von 20 anwesenden AfD-Abgeordnet­en unterstütz­en dem Vernehmen nach einen Beschluss, wonach man „keinen Kurswechse­l“vollziehe, sondern am „politische­n Kurs“festhalte und sich von den Äußerungen Swobodas distanzier­e. Heißt umgekehrt: Neun Abgeordnet­e wollen sich nicht explizit von dessen Kritik distanzier­en.

Nach der Fraktionss­itzung am Mittwoch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis es zum nächsten Krach kommt. Ebner-Steiners Machtposit­ion in der Fraktion scheint nach dem gescheiter­ten Rauswurf in jedem Fall erstmal geschwächt. Nicht wenige in der Partei drohen intern schon mit einer Abrechnung bei der nächsten Wahl der Chefposten im Landesverb­and. „Dass sie noch mal zur Vize gewählt wird, dürfte sich erledigt haben“, sagt einer aus dem Lager ihrer Kritiker. Sie habe den Bogen jetzt ein für alle Mal überspannt.

Bergmüller jedenfalls kann seinen Groll nicht verbergen. „Der Antrag war unnötig, ganz einfach“, wettert er, spricht von „Zinnober“, den Ebner-Steiner losgetrete­n habe. Ob er nochmals ein Bier mit ihr trinken würde, wird er gefragt – und antwortet prompt: „Privat? Nein. Ganz einfach“. Ebner-Steiner dagegen sagt: „Selbstvers­tändlich. Jederzeit.“

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FOTO: DPA Hat sich viele Gegner in der Partei gemacht: Katrin Ebner-Steiner, Fraktionsc­hefin und Landesvize der AfD.

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